«Willst du eine Operetten-Liga? Dann geh in die Oper!»
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Canepa poltert gegen Playoffs:«Willst du eine Operetten-Liga? Dann geh in die Oper!»

«Wir legen im Winter nach»
FCZ-Boss Canepa nimmt Stellung zur Krise

Hier sagt FCZ-Präsident Ancillo Canepa, wie er seinen grossen Liga-Frust bewältigt, gesteht Fehler ein und verrät, weshalb er sich mit Händen und Füssen gegen die Playoffs wehrt.
Publiziert: 25.10.2022 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2022 um 10:13 Uhr
Michael Wegmann

13 Ligaspiele ohne Sieg, 6 Punkte, abgeschlagen Tabellenletzter. Am Sonntag die 1:4-Klatsche im Derby – und dies als Meister. Ancillo Canepa, wie gross ist Ihr Frust?
Ancillo Canepa: Gross. Das ist wohl nachvollziehbar, vor allem nach den Partien gegen YB und Basel, wo wir solidarisch gekämpft und defensiv hervorragend gespielt haben. Ich war zuversichtlich, dass nun gegen GC der Befreiungsschlag kommen wird. Die ersten 25 Minuten waren ja noch positiv, dann sind wir nach den unnötigen Gegengoals wieder ins alte Fahrwasser geraten.

Bewegung, Entspannung, Ablenkung, Reden, Aufschreiben oder Schlafen – all dies dient dem Frustabbau. Was hilft Ihnen?
Ich beschäftige mich beim FCZ ja mit vielen anderen Aufgaben und Themen, sodass ich kaum Zeit habe, mich lange im Frust zu suhlen. Zudem bin ich einigermassen stressresistent. Und habe das Glück, das FCZ-Leid familienintern teilen zu können….

Anders gefragt: Was tun Sie, um runterzufahren?
Ich gehe gerne mit den Hunden spazieren oder ich bike gemeinsam mit Chilla in den Wäldern auf dem Zimmerberg. Seit einiger Zeit spiele ich wieder regelmässig Schach, und zwar gegen den Computer. Das hilft auch, um abzuschalten. Zudem höre ich seit Jahren Hörbücher. Da kann man jeweils in eine total andere Welt abtauchen.

Vor dem Derby hatten die FCZ-Bosse Heliane und Ancillo Canepa zusammen mit dem gesperrten Trainer Bo Henriksen noch gut lachen.
Foto: Marc Schumacher/freshfocus
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Anfangs Monat meinten Sie nach dem 0:0 gegen Winterthur, dass Sie eventuell Ende Monat auch einmal keine Lust hätten, die Löhne zu bezahlen. Es ist Ende Monat. Haben Sie Ihren Spielern die Löhne überwiesen?
Das war eine Reaktion auf die ewig gleichen Erklärungsversuche der Spieler, weshalb es wieder nicht geklappt hat. Es hiess immer: «Uns hat die richtige Einstellung gefehlt.» Man darf verlieren. Aber das Mindeste ist, dass die Einstellung stimmt. Falls nicht, kann ich das nicht akzeptieren. Sie können aber davon ausgehen, dass wir die Löhne auch diesen Monat bezahlen werden.

«Wir sind zu Recht dort, wo wir sind»
3:50
Brecher nach Derby-Niederlage:«Wir sind zu Recht dort, wo wir sind»

Captain Brecher redete nach dem Derby von fehlender Solidarität. Das tönt nach Bankrott-Erklärung?
Das muss man differenzierter betrachten. Erst nach den beiden Gegengoals kurz vor Halbzeit haben wir total den Faden verloren. Es hat auch nicht geholfen, dass unser Trainer nicht an der Seitenlinie Einfluss nehmen konnte, sondern gesperrt in der Loge sass.

Bo Henriksen sass nicht, er tigerte herum. Hat er Sie gestört?
Nein. Ich konnte nachvollziehen, wie er sich fühlt. Auch ich kann oft nicht ruhig sitzenbleiben. Deshalb begebe ich mich bei Heimspielen in der zweiten Hälfte manchmal an die Seitenlinie runter. Da habe ich etwas Auslauf und fühle mich näher beim Geschehen.

Gehen Sie davon aus, dass Henriksens Sperre verlängert wird? Er soll beim 0:0 in Basel trotz Rot in der Pause in der Kabine gewesen.
Es gibt keine Regel, in welcher steht, dass er dies nicht darf. Zudem haben wir vorgängig den vierten Offiziellen gefragt. Auch er hatte nichts dagegen einzuwenden. Ein dummer Sturm im Wasserglas.

Sie machen Henriksen auch keinen Vorwurf, weil er Rot sah?
Nein. Bo wollte den vierten Offiziellen auf den am Boden liegenden FCZ-Spieler aufmerksam machen. Dies, nachdem der Schiedsrichter ein klares Foul nicht ahndete und auch nicht reagierte, als der Linienrichter ihn explizit auf den verletzten Spieler aufmerksam machte. Dabei hat Bo seine Coaching-Zone wohl um ein paar Zentimeter verlassen.

Noch hat der FCZ aber auch unter Henriksen nicht gewonnen. Ist es möglich, dass Sie sich doch getäuscht haben?
Worin?

Dass der Kader doch nicht besser ist als in der Meistersaison.
Nein. Ich bleibe bei meiner Aussage: Die nominelle Qualität der einzelnen Spieler ist dank den Neuverpflichtungen besser als letzte Saison. Das Problem war und ist, dass die neuen Spieler in der Vorbereitung und auch anfangs Saison wenig Spielpraxis erhalten haben.

Erstmals seit 1988 muss der FC Zürich 2016 den Gang in die Challenge League antreten.
Foto: Sven Thomann/Blicksport
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Ceesay und seine 20 Saisontore und Mittelfeldpuncher Doumbia konnten nicht adäquat ersetzt werden. Santinis Bilanz ist unterirdisch, Condé ist zwar talentiert, aber vogelwild…
Wir wollten Ceesay und Doumbia behalten und haben ihnen eine Vertragsverlängerung angeboten. Ceesay hat uns lange hingehalten und ist dann schlussendlich dennoch dem Geld nachgerannt. Bei Doumbia war es ähnlich.

Hätte man die Offerten für die beiden nicht verbessern müssen?
Wir haben beim FCZ eine klar definierte Lohnstruktur, da machen wir keine Ausnahmen. Wir müssen auch nicht ständig von den Abgängen reden. Bis auf Ceesay und Doumbia sind praktisch alle Stammspieler aus der Meistersaison noch da. Viele waren zum Saisonstart einfach nicht in Form.

Wenn ein Meister so tief fällt, hat auch die sportliche Führung Fehler gemacht.
Ich bin selbstkritisch genug. Im Nachhinein ist man immer klüger und würde das eine oder andere anders machen.

Was würden Sie heute anders machen?
Wir haben bei der Verpflichtung von Trainer Franco Foda unterschätzt, dass er in den letzten fünf Jahren Nationaltrainer war. Er war es gewohnt, aus rund 50 Spielern die Besten zu selektionieren. Ein Klubtrainer muss aber täglich mit den Spielern arbeiten, die hier sind. Er muss sie tagtäglich weiterentwickeln, ihre Stärken hervorheben, ihnen Vertrauen schenken.

Was werfen Sie ihm konkret vor?
Foda ist ein guter, erfahrener und loyaler Trainer. Aber die anfänglichen Systemwechsel haben die Mannschaft verunsichert, zumal aufgrund der vielen englischen Wochen diese auch nicht fundiert trainiert werden konnten. Er hätte mehr Zeit gebraucht. Aber am Schluss hat es zwischen ihm und der Mannschaft nicht mehr gepasst. Trotzdem sei erwähnt, dass wir mit Franco Foda die Gruppenphase der Europa-League erreicht haben.

Am Sonntag gabs von den FCZ-Fans erstmals gellende Pfiffe. Verständlich?
Ich kann die Pfiffe nachvollziehen. Die Fans hatten bisher viel Geduld, haben uns immer und überall toll unterstützt.

Angst, dass sie bald fernbleiben?
Nein. Als richtiger Fan muss man gelegentlich leider auch leidensfähig sein. Ich denke, sie spüren auch, dass wir alles daran setzen werden, rasch aus dieser Misere herauszukommen.

Sind Sie bereit, im Winter das Portemonnaie für Neuverpflichtungen zu öffnen?
Wir werden auf jeden Fall in der Winterpause über die Bücher gehen und uns betreffend Kaderplanung Gedanken machen. Gut möglich, dass wir Anpassungen vornehmen.

Dafür werden Sie in anderen Fankurven gefeiert. Weil Sie bei der Liga einen Antrag gegen den neuen Playoff-Modus gestellt haben, hissten YB-Fans kürzlich ein Transparent mit «Danke Cillo…». Hat Sie das gefreut?
Ja natürlich. Ich hatte in den letzten Monaten schon das Gefühl, dass ich mit meiner Meinung zu den Playoffs alleine dastehe. Öffentliche Statements habe ich auf jeden Fall wenige vernommen. Dass nun ein positives Feedback kommt, motiviert und freut mich.

Warum haben Sie das «Schotten-Modell» ohne Playoff-Spiele nicht schon vor der ersten Abstimmung im Mai vorgeschlagen?
Ich war damals ja bereits nicht mehr Komitee-Mitglied und erfuhr sehr spät vom geplanten Projekt. Es war schon alles aufgegleist und es blieb keine Zeit, um zu reagieren.

Warum haben Sie den Antrag im Alleingang gestellt?
Als die Einsprachefrist immer näher rückte, habe ich bei den Klubs, die im Mai ebenfalls gegen die Playoffs gestimmt haben, nachgefragt, ob sie etwas unternehmen würden. Als ich überall eine gewisse Unsicherheit spürte, habe ich beschlossen, den Antrag aus terminlichen Gründen alleine zu stellen. So einen Antrag kann man nicht in zehn Minuten verfassen. Er muss formell und materiell reglementskonform formuliert sein, in deutscher und französischer Sprache. Und vor allem wollte ich mir persönlich im Nachhinein nicht den Vorwurf machen müssen, nichts oder zu spät etwas unternommen zu haben.

Im Mai haben 16 von 20 Klubs in einer demokratischen Abstimmung fürs Playoff- Modell gestimmt. Nun versuchen Sie, diesen Modus zu verhindern. Sind Sie ein schlechter Verlierer?
Nein. Wenn Sie schon das Wort Demokratie in den Mund nehmen, leihe ich Ihnen gerne mein Staatskunde-Heftli aus der sechsten Primarklasse aus. Darin können Sie das Wort Referendum nachschlagen. Von diesem Recht mache ich nun Gebrauch.

Vom selben Recht machen seit Jahren auch die Gegner für ein neue Fussballstadion in Zürich Gebrauch.
Sie haben Recht: Ich bin ein gebranntes Kind, was Einsprachen und Referenden angeht. Aber das ist nicht dasselbe. Für mich ist relevant, ob eine Einsprache sinnvoll und objektiv auch nachvollziehbar ist. Mein Antrag ist nicht willkürlich, nicht aus der Luft gegriffen und verfolgt keine Eigeninteressen. Er ist im Sinne von sehr vielen Fussballanhängern. Die Stadien-Einsprachen, mit den ich mich herumschlagen muss, kommen von Einzelpersonen, welche aus reiner Willkür den Stadionbau verzögern oder verhindern wollen. Das hat mit demokratischer Legitimation nichts mehr zu tun, zumal das Stadtzürcher Volk zum jetzigen Projekt bereits zweimal ja gesagt hat.

Für welches Modell werden die Klubs am 11. November stimmen?
Das weiss ich nicht. Offiziell geäussert haben sich bis jetzt neben dem FCZ auch YB, St. Gallen und Luzern. Ich glaube aber, dass bei einigen Vereinen ein Umdenken stattgefunden hat oder noch stattfinden wird. Seit der Abstimmung im Mai habe ich hunderte Feedbacks bekommen – schriftlich oder mündlich. 99 Prozent finden die Einführung von Playoffs im Fussball einen kompletten Unsinn.

Wie froh sind Sie, dass es wegen der Ligaaufstockung in dieser Saison keinen Absteiger gibt?
Es kann schon einen Absteiger geben. Der Tabellenletzte muss gegen Dritten der Challenge League eine Barrage bestreiten.

Wie sicher sind Sie, dass es nicht den FCZ trifft?
Daran will ich nicht denken! Aber klar, die Tabelle lügt nicht. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir rasch da unten rauskommen.

Es scheint, als hätten Sie aus der Abstiegssaison etwas gelernt?
Man lernt immer etwas, im Erfolg wie auch im Misserfolg. Ja, damals war für mich ein Abstieg lange Zeit einfach nicht vorstellbar. Aber ich weiss seit langem, dass die Leistungsdichte in der Super League sehr hoch ist. Man muss in jedem Spiel 100 Prozent geben, 98 Prozent reichen nicht.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
FC Lugano
6
4
13
2
Servette FC
Servette FC
6
-3
12
3
FC Zürich
FC Zürich
5
6
11
4
FC Luzern
FC Luzern
6
4
11
5
FC Basel
FC Basel
6
9
10
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
5
5
10
7
FC Sion
FC Sion
6
4
10
8
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
6
-4
5
9
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
6
-4
4
10
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
6
-7
4
11
FC Winterthur
FC Winterthur
6
-7
4
12
BSC Young Boys
BSC Young Boys
6
-7
3
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