Ex-Polizist Stucki hat beim FCB alles im Griff
«David Degen sitzt bei Verhandlungen nicht mit am Tisch»

Seit zwei Monaten amtet Daniel Stucki (42) als FCB-Sportchef. Im Interview verrät der Ex-Profi, wie ihm seine Zeit als Polizist in seinem neuen Job hilft und welche offenen Kader-Baustellen er noch angehen muss.
Publiziert: 21.07.2024 um 00:52 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2024 um 18:19 Uhr
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Lucas WerderReporter Fussball

Daniel Stucki, ist der Job eines FCB-Sportchefs so stressig, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Daniel Stucki: Es ist natürlich ein hoher Rhythmus. Aber das war mir klar. Ich bin nicht überrascht worden.

Sie waren nur ein Jahr Nachwuchschef beim FCB, bevor Sie als Sportchef übernommen haben. Bringen Sie alles mit, was es dafür braucht?
Du musst relativ viele und breite Qualitäten haben. Einerseits braucht es sicher Verhandlungsgeschick. Da habe ich den Vorteil, dass wir einen Präsidenten haben, der mich in diesem Bereich sehr unterstützen kann. Dann musst du dich im Vertragswesen auskennen. Du musst ein Team führen können, bist gleichzeitig aber auch Bindeglied zwischen Vereinsführung, Mannschaft und Staff. Ich glaube, auch die ganz guten Sportchefs der ganz grossen Klubs haben zu Beginn ihrer Laufbahn gewisse Rucksäcke schon gehabt und gewisse mussten sie noch füllen. Ich sehe das als interessante Herausforderung.

Nach Ihrer Profikarriere waren Sie zehn Jahre lang Polizist. Gibt es etwas, das Sie daraus für Ihren Sportchef-Job mitnehmen können?
Nicht nur aus meiner Zeit als Polizist, sondern aus meiner gesamten beruflichen Laufbahn. Als Fussballer und während meines Mathe- und Wirtschafts-Studiums war ich schon im jungen Alter vielen Drucksituationen ausgesetzt. Das hat während meiner Zeit als Polizist noch einmal ein anderes Ausmass angenommen, wenn du in Situationen kommst, in denen es um Leben und Tod geht. Ich glaube, alles zusammen hat mir sehr geholfen, mich als Person weiterzuentwickeln. Heute bin ich in gewissen Situationen vielleicht etwas entspannter und auch selbstbewusster, weil ich in meiner beruflichen Laufbahn schon mit ganz anderen Dingen konfrontiert war.

Daniel Stucki ist seit Mai Sportchef des FC Basel.
Foto: keystone-sda.ch
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Ist Ihr jetziger Alltag entspannter als der eines Polizisten?
Nein, das sicher nicht. Aber ich bin eine Person, die zum Glück psychisch sehr belastbar ist. Und dank meiner Arbeit als Polizist bin ich es gewohnt, auch mal 17 oder 18 Stunden am Stück mit einer 30 Kilogramm schweren Körperweste zu arbeiten. Auch unregelmässige Arbeitszeiten sind für mich kein Problem.

Fällt es Ihnen dadurch einfacher, auch mal kurz ein paar Stunden abzuschalten?
Das ist tatsächlich schwierig in diesem Beruf. Mein Telefon klingelt so lange, bis ich den Flugmodus einschalte. Aber es gibt sicher Momente, in denen ich auch mal nicht rangehe. Wenn ich zum Beispiel meine Kinder ins Bett bringe.

Kann man es sich als FCB-Sportchef leisten, mal nicht ans Telefon zu gehen?
Ich bin jemand, den man eigentlich immer erreicht. Und ich arbeite meine offenen Pendenzen immer gerne möglichst schnell ab. Aber es geht immer um die Priorisierung. Wenn mich abends um 23 Uhr ein Agent anruft, um nachzufragen, auf welchen Positionen wir noch Spieler suchen, reicht es auch, wenn ich ihn am nächsten Morgen zurückrufe. Jeden Anruf immer sofort anzunehmen, ist am Ende nicht entscheidend, ob man als Sportchef einen guten Job macht.

Das ist Daniel Stucki

Daniel Stucki (geboren am 22. September 1981) ist in der Nordwestschweiz aufgewachsen. Seine ersten fussballerischen Schritte machte er im Nachwuchs des FC Rheinfelden und des FC Aesch. Anschliessend wechselte er zu Concordia Basel, für das er auch in der Nationalliga B zum Einsatz kam. Mit 22 Jahren folgte der Schritt zum FC Zürich. In sechs Jahren beim FCZ brachte es der Linksverteidiger auf insgesamt 94 Partien, darunter auch einige Spiele im Uefa Cup. Mit drei Meistertiteln und einem Cupsieg im Gepäck wechselte er 2010 in den Amateurbereich und war anschliessend zehn Jahre lang für die Basler Kantonspolizei tätig. Seit Sommer 2020 arbeitet Stucki für den FC Basel. Zunächst knapp drei Jahre lang als Leiter Backoffice, anschliessend etwas mehr als ein Jahr als Nachwuchschef. Seit Mai 2024 ist er Sportchef. Bereits während seiner Zeit bei Concordia hat Stucki ein Wirtschaftsstudium begonnen, das er während seiner Profikarriere per Fernstudium mit dem Bachelor abgeschlossen hat.

Daniel Stucki (geboren am 22. September 1981) ist in der Nordwestschweiz aufgewachsen. Seine ersten fussballerischen Schritte machte er im Nachwuchs des FC Rheinfelden und des FC Aesch. Anschliessend wechselte er zu Concordia Basel, für das er auch in der Nationalliga B zum Einsatz kam. Mit 22 Jahren folgte der Schritt zum FC Zürich. In sechs Jahren beim FCZ brachte es der Linksverteidiger auf insgesamt 94 Partien, darunter auch einige Spiele im Uefa Cup. Mit drei Meistertiteln und einem Cupsieg im Gepäck wechselte er 2010 in den Amateurbereich und war anschliessend zehn Jahre lang für die Basler Kantonspolizei tätig. Seit Sommer 2020 arbeitet Stucki für den FC Basel. Zunächst knapp drei Jahre lang als Leiter Backoffice, anschliessend etwas mehr als ein Jahr als Nachwuchschef. Seit Mai 2024 ist er Sportchef. Bereits während seiner Zeit bei Concordia hat Stucki ein Wirtschaftsstudium begonnen, das er während seiner Profikarriere per Fernstudium mit dem Bachelor abgeschlossen hat.

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Sie haben bei Ihrem Antritt gesagt, Sie würden das Vertragswesen bereits vom FCB-Campus kennen. Aber es ist doch schon etwas anderes, wenn man plötzlich mit Chelsea über die Zukunft von Renato Veiga verhandelt?
Das Grundprinzip bleibt das gleiche. Aber es gibt natürlich mehr Faktoren, die einen Einfluss haben. Der Druck ist grösser und die Parteien, die am Tisch sitzen, sind es auch. Aber eigentlich sieht so ein Vertrag nicht viel anders aus. Er ist einfach viel umfangreicher.

Wie muss man sich die Verhandlungen mit einem anderen Klub vorstellen? Führt David Degen die Verhandlungen und Sie kümmern sich um den Papierkram?
Nein, tatsächlich sitzt David Degen bei Verhandlungen nicht mit am Tisch. Klar, ich spreche vieles mit dem gesamten Verwaltungsrat ab. Zum Beispiel, wo bei einem Spieler unsere Schmerzgrenze liegt. Und natürlich kann ich gerade jetzt in der Anfangsphase sehr von der grossen Erfahrung von David Degen profitieren. Am Ende führe ich die Verhandlungen mit anderen Klubs aber alleine.

Die neue Saison hat bereits begonnen, das Transferfenster ist aber noch zwei Monate offen. Ist das jetzt ein Vorteil oder ein Nachteil für einen Sportchef?
Beides. Der Nachteil ist, dass wir viel früher beginnen als alle umliegenden Länder. Dadurch ist es schwieriger, jetzt schon Spieler zu verpflichten. Am liebsten hätten wir natürlich bereits beim Trainingsstart ein fixfertiges Kader. Aber mit dieser Situation können wir umgehen, weil wir mit der jetzigen Kaderstruktur bereits sehr zufrieden sind. Und der Vorteil des langen Transferfensters ist, dass wir notfalls noch reagieren können.

Gleichzeitig gibt es aber auch das Risiko, dass Ihnen plötzlich ein Schlüsselspieler noch geklaut wird.
Das können wir zum Glück ja selber bestimmen. Wir haben bei jedem Spieler eine Schmerzgrenze. Wenn ein Angebot kommen sollte, bei dem der finanzielle Effekt auf die langfristige Zukunft des Klubs grösser ist als der sportliche Mehrwert des Spielers, dann wollen wir dieses Angebot auch annehmen.

Falls das Kader so zusammenbleiben sollte, für welche Spieler müssen Sie noch eine Lösung finden?
Liam Millar stand mit Kanada an der Copa América im Einsatz und ist aktuell noch in den Ferien. Aktuell zeichnet sich ab, dass er in England bleiben könnte. Wir sind da bereits mit Klubs in Kontakt. Das Gleiche gilt für Jonathan Dubasin, bei dem es tendenziell auch eher unwahrscheinlich ist, dass er nochmals zurück nach Basel kommt. Eine Lösung suchen wir auch weiterhin für Jean-Kévin Augustin, der sich zurzeit individuell fit hält. Wir sind da in stetigem Kontakt mit Spieler und Agent.

Wo sehen Sie im aktuellen Kader noch Baustellen?
Wir werden sicher auf zwei, drei Positionen noch etwas machen. Auf der Linksverteidiger-Position suchen wir noch einen Back-up für Dominik Schmid. Und in der Offensive könnte sich noch etwas tun. Entscheidend ist am Ende aber der Markt. Wen können wir uns leisten? Und wer möchte aus welchen Gründen zu uns kommen? Gerade das ist etwas, auf das ich mich sehr achte. Wir holen nur Spieler, die auch wirklich zum FCB wollen.

Finanziell sollte der FCB nach dem Verkauf von Renato Veiga und diversen Weiterverkaufsbeteiligungen ja etwas Spielraum haben.
Das stimmt nur teilweise. Diese Zahlungen erstrecken sich meistens über mehrere Jahre. Im Fall von Weiterverkaufsbeteiligungen ist das dann immer auch Verhandlungssache der beiden anderen Klubs. Auch im Fall von Renato Veiga können wir von Zahlungen über mehrere Jahre ausgehen. Das ist auch positiv für uns, weil es uns über die kommenden Jahre eine gewisse finanzielle Sicherheit gibt.

Italienische Medien berichten, Bologna möchte die Beteiligung des FCB an einem Calafiori-Weiterverkauf neu verhandeln. Und dass die Verantwortlichen in Basel aber nicht mehr ans Telefon gehen würden. Stimmt das?
Bis jetzt haben weder ich noch David Degen eine offizielle Anfrage aus Bologna erhalten.

Wie steht es eigentlich um die Personalie Xherdan Shaqiri?
Natürlich ist Shaq mit seiner Vergangenheit ein sehr interessanter Spieler für den FCB. Aber es muss für alle Seiten stimmen. Wir können finanziell sicher nicht mit Klubs aus den USA mithalten. Und das wollen wir auch nicht. Aber ich denke, wenn beide Parteien den Wechsel zum FCB unbedingt wollen, dann würden wir eine Möglichkeit finden, diesen Transfer möglich zu machen. Gespräche gab es bislang aber keine.

Im Frühling hat aber David Degen erklärt, kein Fan von Rückholaktionen zu sein.
Ich glaube, diese Aussage von David Degen wurde etwas aus dem Kontext gerissen. Wir sind alle daran interessiert, Spieler, die international immer noch auf einem super Level sind, zum FCB zurückzuholen. Solche Spieler können uns noch immer helfen.

Was ist das Ziel für die kommende Saison?
Wir wollen wieder in die Top 6. Der FCB hat den Anspruch, in der kommenden Saison wieder europäisch zu spielen.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
FC Lugano
6
4
13
2
Servette FC
Servette FC
6
-3
12
3
FC Zürich
FC Zürich
5
6
11
4
FC Luzern
FC Luzern
6
4
11
5
FC Basel
FC Basel
6
9
10
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
5
5
10
7
FC Sion
FC Sion
6
4
10
8
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
6
-4
5
9
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
6
-4
4
10
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
6
-7
4
11
FC Winterthur
FC Winterthur
6
-7
4
12
BSC Young Boys
BSC Young Boys
6
-7
3
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