«Wir sind noch ein zartes Pflänzchen»
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Stocker über den FCB:«Wir sind noch ein zartes Pflänzchen»

FCB-Captain im Interview
Jetzt spricht Valentin Stocker

Was Valentin Stocker (32) nach dem Ende seiner Karriere plant, weshalb er mit seiner Frau nie über Fussball spricht. Und warums ihn während seiner Beurlaubung innerlich fast zerrissen hat.
Publiziert: 05.12.2021 um 01:28 Uhr
|
Aktualisiert: 05.12.2021 um 14:02 Uhr
  • «Unser Team ist ein zartes Pflänzchen»
  • «Die Basler haben mich adoptiert»
  • «Ich vertraue Dave und lasse ihn machen»
Steffi Buchli und Stefan Kreis

Valentin Stocker, wie schwer ist Ihr Hund?
Valentin Stocker: Ungefähr zehn Kilo. Wieso meint ihr?

Weil Sie es David Degen zu verdanken haben, dass Sie Ihren Vierbeiner bei der Swiss im Flieger mitnehmen dürfen. Obwohl er eigentlich zu schwer ist. Wie hat er das geschafft?
David Degen ist ja bekannt dafür, dass er viele Leute kennt, die Einfluss haben. Er hat das für mich geregelt, weil es unangenehm war, dass unser Hund im Laderaum reisen musste. Nun darf er mit in die Kabine.

Wie ist heute Ihr Umgang mit David Degen? Sie waren lange Teamkollegen, heute ist er Klubbesitzer, Sie sein Spieler.
Als er den Klub übernommen hat, haben wir uns gegenseitig gesagt, dass jeder sich auf seine eigenen Aufgaben konzentrieren soll. Ich möchte Spieler und Captain sein und nicht Finanzverwalter oder Krisenmanager. Ich vertraue Dave und lasse ihn machen. Und ich bin auch nicht persönlich betroffen, wenn er eine Entscheidung gegen mich fällen würde.

Geht das wirklich? Sie haben einen Vertrag bis 2023, die Zeichen bei Ihrem Herzensklub stehen aber – so will es David Degen – auf Verjüngung und Verschlankung. Der FCB will die Alten loswerden. Kann man das nicht persönlich nehmen?
Irgendwann sprechen die Zeichen der Zeit für sich. Man darf sich nicht zu wichtig nehmen. Der Klub ist in einer Phase des Umbruchs. Die Zeiten, in denen wir jährlich praktisch fix in der Champions League waren, sind vorbei. Es ist derzeit extrem schwierig für den FCB. Der Klub braucht ein neues Fundament. Da braucht es Veränderung in den verschiedensten Bereichen. Meine Personalie steht stellvertretend für die Frage, ob mit den älteren Spielern weitergemacht werden soll. Ich verstehe die Diskussion. Aber natürlich bin ich auch der Meinung, dass es eine gute Mischung aus Jung und Alt braucht.

FCB-Captain Valentin Stocker am St. Alban-Rheinweg in Basel: «Die Basler haben mich adoptiert.»
Foto: TOTO MARTI
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Fairness bei Blick: «Sorry, Valentin!»

Valentin Stocker und Blick pflegen eine Beziehung, die zuletzt nicht immer einfach war. Seit der Sendung «Am Ball mit Böni» vom 14. April 2020 herrschte eine unangenehme Funkstille. Die Details dieser Geschichte wollen wir nicht mehr aufrollen. Andy Böni: «Ich wollte Valentin Stocker nie beleidigen oder diskreditieren. Sollte bei ihm dieser Eindruck entstanden sein, tut mir das leid.» Nun sind wir froh, dass wir heute eine neue Seite aufschlagen können. Wir haben uns entsprechend über diesen Interviewtermin gefreut.

Valentin Stocker und Blick pflegen eine Beziehung, die zuletzt nicht immer einfach war. Seit der Sendung «Am Ball mit Böni» vom 14. April 2020 herrschte eine unangenehme Funkstille. Die Details dieser Geschichte wollen wir nicht mehr aufrollen. Andy Böni: «Ich wollte Valentin Stocker nie beleidigen oder diskreditieren. Sollte bei ihm dieser Eindruck entstanden sein, tut mir das leid.» Nun sind wir froh, dass wir heute eine neue Seite aufschlagen können. Wir haben uns entsprechend über diesen Interviewtermin gefreut.

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Sie haben bei dieser letzten Vertragsverlängerung auf viel Geld verzichtet, kolportierte 50 Prozent. Brauchte das Überwindung?
Ich habe verzichtet, ja. Das war für mich klar. Aber es war auch ein faires Angebot. Ich verzichte gerne, wenn man dafür ein, zwei Junge mehr holen kann. Ich bin dem FCB dankbar. Ich war jahrelang dabei, auch in finanziell sehr erfolgreichen Zeiten. Jetzt bin ich im Herbst meiner Karriere. Du musst deinen Wert kennen und richtig einschätzen. Wichtig ist: Ich musste das Angebot nicht einfach annehmen, ich hatte Optionen und habe schliesslich bewusst Ja gesagt zum FCB.

Was bedeutet Ihnen Geld?
Geld ist ein Instrument, mit dem man anderen helfen kann. Und: Geld ist meine persönliche Absicherung fürs Alter. Als Fussballer weisst du, zwischen 32 und 40 ist fertig. Ich möchte mir die Freiheit nehmen können, nach meiner Karriere in Ruhe etwas Neues aufzubauen. Demütig, ganz von Grund auf.

Haben Sie ausgesorgt?
Nein, es wäre vermessen, das zu sagen.

Sie sagen, Sie wollen etwas Neues aufbauen. Was reizt Sie nach der Spielerkarriere? Werden Sie Trainer?
Warum nicht? Ich hatte ja ein paar Trainer, von denen ich habe lernen können. Wie man es macht, oder auch wie man es nicht macht. Natürlich kann ich mir vorstellen, im Fussball, oder zumindest im Sport zu bleiben. Aufgrund meiner Verletzungen habe ich im medizinischen Bereich Erfahrungen gesammelt. Physiotherapie oder Reha wäre ein Bereich, der mich reizen würde.

Stand nicht mal die Idee im Raum, ein Kaffee zu eröffnen?
Es gibt viele romantische Ideen. Aber schaut, ich komme nicht aus diesem Fach. Ich komme vom Sport, vom Fussball. Da fühle ich mich wohl, da liegen meine Kompetenzen. In allen anderen Branchen bin ich ein totaler Anfänger.

Schauen wir zurück. Die letzten Jahre in Basel waren sehr bewegt für Sie. Da war diese Beurlaubung, dann die Rückkehr, Karli Odermatt, der kolportierte, Sie hätten intrigiert … Haben Sie mit Odermatt mal ein Debriefing gemacht?
Er hat mir damals auf die Combox gesprochen und sich entschuldigt. Seine Aussagen haben mich sehr verletzt. Es war ungerecht, und ich fühlte mich während meiner Beurlaubung machtlos.

Hat Sie das innerlich aufgefressen?
Die Tage zu Hause waren schlimm, etwas zwischen Wut und Trauer. Meine Frau und meine Familie haben mir geholfen. Man muss diese Situation annehmen. Aber irgendwann brauchst du Leute, die das mit dir sachlich analysieren. Ich bin gut gefahren, dass ich nie Stellung genommen habe. Ich wollte kein Spielball werden in dieser Sache. Ganz ehrlich: Dieses Theater rund um den FCB hat nicht viele Sieger hervorgebracht.

Wegen Ihrer Beurlaubung gingen tausend FCB-Fans für Sie auf die Strasse. Was hat Ihnen das bedeutet?
Das war einer der emotionalsten Momente in meinem Fussballerleben, zusammen mit meinem Abgang im 2014 (zu Hertha Berlin). Das übertrifft jede Meisterfeier. Dass die Fans für mich aufgestanden sind, das bewegt mich heute noch. Ich werde emotional, wenn ich daran zurückdenke.

2008 bis 2012 – das waren Ihre goldenen FCB-Jahre. Unter Fink und Vogel … Im Kreise Ihrer Weggefährten Huggel, Streller und Co. Was war damals so speziell?
Viele Dinge haben gestimmt, die man nicht planen kann. 2010 gings los mit Fink und Vogel. Das passte einfach. Als Spieler hast du eigentlich gar nicht so viel Einfluss. Wir hatten einfach eine gute Zeit und eine gute Stimmung. Auf dem Platz müssen die Details und die Automatismen stimmen. Diese Mannschaft damals, die ist über die Jahre gewachsen. Ich war übrigens neulich am Nati-Spiel in Luzern, da hatte ich ein ähnliches Gefühl. Diese Mannschaft hat auch diese Magie …

Sie sagen das im Brustton eines Fans. Ist da gar keine Wehmut, dass Sie selber nicht mehr dabei sind?
Nein, im Gegenteil. Ich hatte eine tolle Zeit in der Nati. Ich habe dann gemerkt, dass ich nicht mehr genug Kapazität habe, um Nati und Klub zu schaukeln. Deshalb bin ich zurückgetreten. Damals lauerten auf meiner Position schon mehrere junge Top-Spieler. Beispielsweise Breel (Anm. d. Redaktion Embolo) und Shaq (Shaqiri) hatte gerade einen Lauf, Reni (Steffen) hat es gut gemacht, und jetzt sind noch Ruben (Vargas) und Noah (Okafor) dazugekommen. Wahnsinn!

Zurück zu Ihrer Klubkarriere. Nach Ihrer Rückkehr aus Berlin hatte der FCB nie mehr diese Leichtigkeit oder diese Magie. Die «NZZ» schrieb gar mal: «In diesem FCB wird Stocker nicht mehr finden, was er vermisst.» Werden Sie es doch noch finden?
Ich sehe in diesem Team tolle Ansätze, wir wachsen zusammen. Das aktuelle Team ist aber noch ein zartes Pflänzchen, klar. Ob es bald wieder so richtig knistert, im positiven Sinn, ist übrigens nicht davon abhängig, ob ich einen Stammplatz habe oder nicht. Ich versuche mein Bestes zu geben.

Wir treffen Sie heute in der Stadt. Was bedeutet Ihnen Basel?
Die Stadt ist meine zweite Heimat, und ich habe den Fans viel zu verdanken.

Man hat Ihnen ja auch schon vorgeworfen, dass Sie sich zu wenig integrieren hier. Woher kam das?
Ach, es wird viel geredet. Das stimmt nicht. Ich habe eine Wohnung hier, ich liebe die Beizenszene in Basel, die kleinen Kaffees in den Quartieren, die Stadt ist toll. Sie steht aber nicht in Konkurrenz zu meiner Heimat. Die Innerschweiz ist mein Zuhause, und die Basler haben mich adoptiert. Basel muss nicht eifersüchtig sein auf Kriens und umgekehrt auch nicht.

Hand aufs Herz: Welche Fasnacht ist besser?
Die beiden Bräuche werden total unterschiedlich gelebt. In Luzern hat es mehr verschiedene Masken, hier gibt es einheitliche Larven. Basel hat andere Instrumente, Basel hat nebst Trommeln mehr Querflöten. (Der Medienverantwortliche beugt sich zu Valentin Stocker rüber). Piccolo, sorry, nicht Querflöte! Genau. Hei, jetzt sagen sie dann wieder … (lacht). Etwas muss ich noch anfügen: Die Kultur mit den Schnitzelbänggen ist hier grossartig. Das gefällt mir. Wobei, gäll, ob Basel oder Luzern, als Spieler liegt es selten drin, an die Fasnacht zu gehen.

Das können Sie ja dann nach der Karriere nachholen. Als Hochzeits-Kulisse hat Luzern gewonnen, Hofkirche statt Basler Münster.
Ja, das hat gepasst. Meine Frau ist Innerschweizerin. Wir waren dort auf dem Standesamt und haben dann im kleinen Kreis gefeiert.

Sprechen Sie mit Ihrer Frau über Fussball?
Selten. Praktisch nie. Eigentlich nur in Extremsituationen. Dann ist sie mein Fels. Sie wusste nicht, wer ich bin, als wir uns vor zwölf Jahren kennenlernten. Es ist ja nicht einfach: Der Fussball steht immer an erster Stelle. Mein Beruf gibt alles vor. Da braucht es eine starke Person, die den Rest managt. Den Haushalt, den Hund, andere Planungen, Unternehmungen mit Freunden, Hochzeiten usw.

Sie haben neulich Ihr 400. Spiel im FCB-Dress gemacht. Was ist wahrscheinlicher: Dass Rekordspieler Massimo Ceccaroni (452 Partien in Rotblau) bald zittern muss oder dass Sie bald in einem andersfarbigen Dress Ihre Tore schiessen?
Cecca muss sich definitiv warm anziehen, aber nicht wegen mir, sondern wegen Fabian Frei. Der braucht nicht mehr viele Spiele (aktuell steht Frei bei 432 Partien für den FC Basel, d. Red.).

Apropos Frei: Er meinte mal, der Stocker habe schon als Junior Regenwürmer gerettet, die er auf dem Platz gefunden habe. Damit sind wir zurück am Anfang: bei den Tieren. Woher kommt diese Tierliebe?
Von meiner Mutter. Auch meine Grosseltern liebten Tiere. Sie hatten einen Stall mit Pferden. Ich bin mit Tieren gross geworden. Noch zu den Regenwürmern: Es ist doch einfach grusig, auf einen Regenwurm zu trampeln. Das will ja keiner sehen. Auch deshalb habe ich die Würmer auf dem Trainingsplatz jeweils aus dem Weg geräumt.

Sie betreiben in Italien eine Auffangstation für Strassenhunde und -katzen. Wie kam es dazu?
Ein Zufall. Ich will dieses Projekt nicht grösser machen, als es ist. Da ist dieses Haus in Apulien, wo Sarah, wir nennen sie «unseren Engel», sich um die Tiere kümmert, sie aufpäppelt und zu ihnen schaut. Es sind jeweils so zwischen 10 bis 20 Tiere. Dieses Projekt gibt mir ein gutes Gefühl. Ich habe das Bedürfnis zu helfen, das kann ich dort. Das gibt mir Kraft.

Apropos helfen: Wir sind mitten in der Adventszeit. In Berlin haben Sie Weihnachtsfeiern in einem Kinderheim organisiert und Obdachlose unterstützt. Was machen Sie dieses Jahr?
Das sind schöne Erinnerungen. Es gab in der Stadt so viele Flüchtlinge, die nichts hatten. Zusammen mit meinem Ausrüster habe ich Schuhe organisiert und habe diese an die Flüchtlinge verteilt. Dieses Jahr mache ich nichts Spezielles. Vor allem knüpfe ich «gutes Tun» nicht an die Weihnachtszeit. Wir sollten immer füreinander da sein.

Persönlich

Valentin Stocker, 1989 geboren, wuchs in der Innerschweiz auf und wurde beim SC Kriens fussballerisch ausgebildet, ehe er 2006 in den Nachwuchs des FC Basel wechselte. Über die U21 schaffte er den Sprung in die erste Mannschaft, in der er unter Christian Gross sein Profi-Debüt gab. Stocker feierte in den Folgejahren mit dem FCB insgesamt sechs Meister- und vier Cuptitel, prägte zudem so manche Europacup-Nacht mit. Zwischen Juli 2014 und Januar 2018 spielte er für Hertha Berlin, ehe der 36-fache Schweizer Internationale nach Basel zurückkehrte.

Valentin Stocker, 1989 geboren, wuchs in der Innerschweiz auf und wurde beim SC Kriens fussballerisch ausgebildet, ehe er 2006 in den Nachwuchs des FC Basel wechselte. Über die U21 schaffte er den Sprung in die erste Mannschaft, in der er unter Christian Gross sein Profi-Debüt gab. Stocker feierte in den Folgejahren mit dem FCB insgesamt sechs Meister- und vier Cuptitel, prägte zudem so manche Europacup-Nacht mit. Zwischen Juli 2014 und Januar 2018 spielte er für Hertha Berlin, ehe der 36-fache Schweizer Internationale nach Basel zurückkehrte.

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