FCB-Sportdirektor Vogel kritisiert überhitzten Transfermarkt
«Summen, die in einer Gesellschaft nicht mehr vertretbar sind!»

Heiko Vogel (47) sagt, weshalb er die Auswüchse im Fussball für ungesund hält, warum er entspannter ist als zuvor und weshalb eigene Nachwuchstalente noch keine Rolle spielen.
Publiziert: 01.07.2023 um 19:09 Uhr
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Stefan KreisReporter Fussball

Erbarmungslos brennt die Sonne im österreichischen Seefeld auf die Spieler herab. Erbarmungslos vibriert das Handy von Heiko Vogel (47) auf dem Holztisch neben dem Trainingsplatz. Transferzeit ist Telefonzeit. Der Sportdirektor des FC Basel steht ständig unter Strom. Beklagen will er sich nicht. «Ich finde die Arbeit spannend, cool. Ich bin entspannter als vorher, als ich noch Trainer war.»

Dass er kaum Erfahrung in seiner neuen Rolle hat, beunruhigt den von Natur aus selbstbewussten Pfälzer nicht. «Ich muss ja nicht lernen, zu telefonieren. Es geht um Sinn und um Verstand, nicht um Erfahrung.» Er sei bei Bayern München im Nachwuchs in der sportlichen Leitung gesessen. Und er habe auch als Trainer viel vom Job eines Sportdirektors mitbekommen. Dass er nun vermehrt mit Spielerberatern zu tun hat, statt Spieler auf dem Rasen zu entwickeln, stört Vogel nicht. «Das ist part of the game.»

Vogel hat Mühe mit dem Transfermarkt

Mühe hat er aber mit dem Transfermarkt im Allgemeinen. Mit den astronomischen Summen, die herumgereicht werden. «Als ich noch ein Kind war, wechselte Diego Armando Maradona für 24 Millionen Mark zu Napoli. Das war damals eine unfassbare Summe. Unvorstellbar.» Im Vergleich zu jetzt seien das aber fast Peanuts, so Vogel. «Heute wechselt ein Spieler, der seinen Leistungszenit tendenziell überschritten hat, für ein Jahresgehalt von 200 Millionen nach Saudi-Arabien. Das ist grundsätzlich ungesund. Das sind Summen, die aus meiner Sicht in einer Gesellschaft nicht mehr vertretbar sind.»

Heiko Vogel sagt, dass er als Sportdirektor entspannter sei als als Trainer.
Foto: Marc Schumacher/freshfocus
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Auch was andere Klubs mit milliardenschweren Besitzern veranstalten, sei nur schwer nachzuvollziehen. «Bloss weil ich es kann, gebe ich unvorstellbare Summen für neue Spieler aus. Vielleicht bin ich ja ein zu kleines Licht, aber was hat das Ganze mit Financial Fairplay zu tun?», fragt Vogel rhetorisch.

Auf die Super League heruntergebrochen sind es die Berner Young Boys, die davon profitieren, finanziell potente Geldgeber im Rücken zu haben. Und in dieser Saison gute Chancen haben, sich für die Champions League zu qualifizieren. Nur eine Runde muss YB überstehen, um an den 30-Millionen-Topf zu gelangen. Zudem ist der Schweizer Meister in der Playoff-Runde gesetzt. «Es wird schwierig, mit YB finanziell mitzuhalten, da müssen wir sicher kreativ agieren. Aber auch bei Lugano ist derzeit vieles möglich», sagt Vogel.

Zeqiri war zu teuer

Beim FCB hingegen wird seit Jahren die Sparschraube angezogen und Löhne gesenkt. «Wir sind oft nicht in der Lage, bei Verhandlungen finanziell noch eine Schippe draufzulegen. Und wir möchten das auch nicht», so der Sportdirektor. Bestes Beispiel ist der Abgang von Andi Zeqiri. Der sei «mit Sicherheit ein Verlust», so Vogel. Aber man habe mit jenem Vertrag, den Zeqiri bei Brighton besitze, nicht mithalten können. «Andi ist überhaupt nicht geldgierig, aber da, wo er herkommt, da können wir uns nicht mit messen. Und er hat sich seine Position auch verdient. Eine Karriere als Fussballer ist zeitlich limitiert. Da kann ich es nachvollziehen, dass Spieler nicht freiwillig auf viel Geld verzichten möchten.»

Bei Darian Males, dem Topskorer der letzten Saison, jenem Mann, der sagenhafte 27 Skorerpunkte buchte, sieht die Sache anders aus. Man versuche, den Innerschweizer im Joggeli zu halten, so Vogel. «Wir sind dran. Weil es Sinn für uns macht, eine Lösung zu finden.» Nur: Males hat noch ganz andere Optionen, spielt sich an der U21-EM derzeit noch stärker in den Fokus, steigert seinen Marktwert von Woche zu Woche. Unter anderen ist der VfB Stuttgart am Linksfuss interessiert. Besitzerklub Inter Mailand, wo Males noch einen Vertrag bis 2025 besitzt, träumt von einer Millionenablöse. Der FCB hätte Males vor ein paar Wochen fix für knapp drei Millionen übernehmen können, verzichtete aber auf die Ziehung der Option.

Bei Zeki Amdouni hingegen haben die Basler Nägel mit Köpfen gemacht. Und dürften schon bald die Früchte ernten. Unter anderen ist Benfica Lissabon stark am Shootingstar der Schweizer Nati interessiert, einen zweistelligen Millionenbetrag dürfte der Genfer in die Kasse spülen. «Das ist unser Los, dass wir junge, talentierte Spieler ein Stück weit begleiten dürfen und Sprungbrett sind für den nächsten Schritt in ihrer Karriere. Zeki ist phänomenal gut. Das hat er sowohl bei uns als auch in der Nationalmannschaft bewiesen», sagt Vogel.

Vogel: «Kreativ sein!»

Sollte der FCB Amdouni, Males und Zeqiri verlieren, gehen insgesamt 75 Skorerpunkte flöten. Wie will Vogel diese ersetzen? «Wir müssen stets kreativ sein», sagt der 47-Jährige. Wohlwissend, dass Tor-Garanten nicht einfach vom Himmel fallen. Mit Jean-Kévin Augustin, Bradley Fink und Andrin Hunziker weilen derzeit drei Stürmer im Trainingslager in Seefeld. Letztgenannter ist einer der wenigen Spieler im Kader, der aus dem eigenen Nachwuchs stammt. Die rotblaue DNA? Ging in den letzten Jahren verloren.

Statt auf Talente aus dem Campus setzte der FCB unter David Degen vermehrt auf ausländische Talente. Jüngstes Beispiel: Finn van Breemen (20). Den holten die Basler aus der zweithöchsten Liga in Holland. Und das, obwohl man mit Marvin Akahomen (15) und Erdin Ismaili (17) zwei eigene Innenverteidiger in den Reihen hätte, die in der letzten Saison bereits Profi-Luft geschnuppert haben. Die beiden seien aber nicht mit Van Breemen vergleichbar, so Vogel. Ismaili und Akahomen seien noch extrem jung. Mit Van Breemen aber habe man einen Spieler verpflichtet, der schon Erfahrung als Profi gesammelt habe und der Mannschaft sofort helfen könne. «Aber», so Vogel. «In unserem Nachwuchs wächst was heran.»

Sagts und guckt auf sein Handy, das erneut zu vibrieren beginnt. Transferzeit ist Telefonzeit.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
FC Lugano
6
4
13
2
Servette FC
Servette FC
6
-3
12
3
FC Zürich
FC Zürich
5
6
11
4
FC Luzern
FC Luzern
6
4
11
5
FC Basel
FC Basel
6
9
10
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
5
5
10
7
FC Sion
FC Sion
6
4
10
8
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
6
-4
5
9
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
6
-4
4
10
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
6
-7
4
11
FC Winterthur
FC Winterthur
6
-7
4
12
BSC Young Boys
BSC Young Boys
6
-7
3
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