FCZ-Dzemaili vor Meister-Matchball in Basel
«Wir haben null Druck»

Wird der FC Zürich wie 2006 im Stadion des Erzrivalen Basel Meister? Blerim Dzemaili (36), der schon vor 16 Jahren auf dem Platz stand, über die für alle Zürcher spezielle Konstellation – und er sagt, warum er nach der Spielerkarriere auf keinen Fall Trainer wird.
Publiziert: 29.04.2022 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2022 um 07:22 Uhr
Sebastian Wendel

Blick: Was ist das erste Bild, das Ihnen beim Stichwort «13.Mai 2006» in den Sinn kommt?
Blerim Dzemaili: Die 93. Minute, als Iulian Filipescu das 2:1 erzielt und wir alle zu ihm hinrennen. Diesen Moment werde ich mein Leben lang nicht vergessen …

Beschreiben Sie doch den damaligen Tag.
Ich erinnere mich ab dem Moment, als wir in den Bus stiegen. Es lag etwas in der Luft, denn Basel hatte drei Tage zuvor den ersten Matchball auf den Titel in Bern vergeben. Wir erhielten eine Chance, an die wir nicht mehr geglaubt haben. Vom Spiel selber weiss ich, dass wir trotz der frühen Führung nicht besonders gut gespielt haben. In der Schlussphase habe ich nicht mehr wirklich an unseren Siegtreffer geglaubt – dann kommt er doch. Das Schicksal wollte, dass der FCZ an diesem Tag Meister wird.

Was geht Ihnen beim Gedanken an die Ausschreitungen nach dem Schlusspfiff durch den Kopf, die als «Schande von Basel» in die Geschichte eingingen?
Ich hoffe einfach, dass nie wieder so etwas passiert. Die Spieler müssen auf dem Feld sicher sein. Was damals abging, darf nicht sein. Viel lieber erinnere ich mich an die Party danach in Zürich. Mein erster Meistertitel mit dem FCZ ist von den Emotionen her gleichzusetzen mit dem Tag, als mir Lucien Favre sagte, dass ich ab sofort Spieler der FCZ-Profimannschaft bin (Juli 2003; d. Red.). Beides kam in dem Moment total unerwartet.

Vor 16 Jahren: Der damals 20-jährige Blerim Dzemaili gewinnt mit dem FCZ in letzter Minute den Meistertitel. Ausgerechnet im Stadion von Erzrivale Basel.
Foto: Blicksport
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2006 wurde zum Traumsommer für Sie: Nach dem Meistertitel wurden Sie für die WM in Deutschland aufgeboten.
Bei der Nati durfte ich mit Zubi (Pascal Zuberbühler, damals FCB-Goalie; d. Red.) kein Wort über den 13. Mai sprechen (lacht). Die Zeit hat meinen Bekanntheitsgrad enorm gesteigert: Als ich nach der WM nach Zürich zurückkam, wurde ich plötzlich überall in der Stadt angesprochen. In meiner Stammbadi in Oerlikon standen viele Kinder um mich herum und wollten ein Autogramm. Vorher konnte ich mich dort anonym bewegen.

Blerim Dzemaili: Ein Blick auf seine illustre Karriere. Klicken Sie sich durch die Galerie!
Foto: TOTO MARTI
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Was verbindet die FCZ-Meisterteams von 2006 und heute?
Erstens der Teamgeist: Wir haben jeden Tag Spass zusammen, auf und neben dem Platz. Zweitens: Die Wortführer in der Kabine haben auch auf dem Platz tragende Rollen und reissen so die Jungen mit. Drittens: André Breitenreiter hat wie damals Lucien Favre seit Anfang Saison seine Idee vom Fussball durchgezogen, auch in schwierigeren Phasen. Das zeichnet mutige Trainer aus.

Sie haben am letzten Wochenende gesagt, dass Sie nicht auf dem Sofa, sondern in Basel Meister werden wollen. Weil es für einen FCZ-Spieler nichts Schöneres gibt, als in Basel Meister zu werden?
Diese Konstellation hat für alle mit einem FCZ-Herz einen besonderen Reiz. In erster Linie ging es mir jedoch darum, dass ich Meister werden will, wenn wir selber spielen. Das ist von den Emotionen her nicht zu vergleichen, wie wenn man vor dem TV Meister wird. Wenn es in Basel passiert – super! Aber der Druck ist nicht bei uns: Wir haben fünf Matchbälle, wir müssen nicht unbedingt den ersten verwerten.

Wie gelingt es, so kurz vor der Ziellinie die Anspannung nicht zu verlieren?
Indem wir nichts an unseren gewohnten Abläufen verändern. Auch wenn uns ein Punkt reicht – wir werden in Basel wie immer auf Sieg spielen.

Besteht die Gefahr, angesichts der Ausgangslage emotional zu überdrehen?
Ruhig zu bleiben, wird eine Herausforderung. Speziell für die Zürcher in unserer Mannschaft wird das ein ganz besonderer Tag. Sorgen mache ich mir da aber keine, wir haben genug abgeklärte Jungs und wie gesagt: Wir haben null Druck.

Wo ordnen Sie in Ihrer langen Karriere den bevorstehenden Meistertitel mit dem FCZ ein?
Er wäre eine grosse Genugtuung. Meine Rückkehr vor gut einem Jahr war medial begleitet von einigen Fragezeichen: Ist der Dzemaili noch fit? Hat er überhaupt noch Lust? Wie gut ist er noch? Als Rückkehrer konnte ich eigentlich nur verlieren, vor allem in meiner Situation nach einer Auslandkarriere. Für mich wäre es wie ein Märchen, das wahr wird.

Sie haben bei Ihrer Rückkehr angekündigt, mit dem FCZ nochmals einen Titel zu holen. Haben Sie da eher an den Cup statt an die Meisterschaft gedacht?
Ganz ehrlich: Ja! Alles andere wäre in unserer damaligen sportlichen Verfassung nicht realistisch gewesen.

Neun von elf Stammspielern waren bereits in der missratenen letzten Saison beim FCZ. In dieser Saison zeigt die Mannschaft ein ganz anderes Gesicht. Wie kann das sein?
Das zeigt, wie viel ein Trainer bewirken kann. Zudem hat der Verein im Sommer den Kader weiter verstärkt und wir haben auch auf der Bank viele Optionen mit Spielern, die nach ihrer Einwechslung das Niveau nochmals anheben.

Wie hat Breitenreiter Sie stark gemacht?
Ich habe mir nach meiner Rückkehr viel Druck aufgelastet und fühlte mich für vieles verantwortlich. In unseren ersten Gesprächen hat mir Breitenreiter gesagt, dass ich mit mehr Lockerheit auf dem Platz stehen soll und dass es okay ist, wenn ich mal ein Spiel auf der Bank beginne. Zudem darf man nicht vergessen, dass ich vor einem Jahr mit einer Verletzung gespielt habe, im Ausland hätte ich in dieser Verfassung wahrscheinlich nicht gespielt.

Ist Breitenreiter auch der Grund dafür, dass Sie bis 2023 verlängert haben?
Vielleicht mache ich in der nächsten Saison nicht mehr so viele Spiele. Das wäre für mich aber weniger ein Problem, denn ich will der Mannschaft und dem Verein auch mit meiner Erfahrung helfen. Trotzdem traue ich mir zu, weiterhin sportlich wichtig zu sein, sonst hätte ich nicht verlängert. Die einzige Frage, die ich mir gestellt habe: Halte ich es eine weitere Saison aus, meinen Sohn Luan nicht öfter sehen zu können? Er wohnt im Ausland und wegen des vollen Spielplans sind unsere Treffen leider rar.

Haben Sie sich die Frage gestellt, ob die nächste die berühmte Saison zu viel werden könnte?
Nein, jedenfalls bis heute nicht. Sollte ich merken, dass der Körper nicht mehr mitmacht, werde ich auf die Klubführung zugehen und wir finden eine Lösung.

Was halten Sie von der Weisheit «Man soll gehen, wenn es am schönsten ist»?
Ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Mit einem weiteren Meistertitel hätte ich mehr erreicht, als ich mir bei meiner Rückkehr erträumt habe. Die Basis ist gelegt, dass auch die nächste Saison eine gute für den FCZ werden kann.

Sie sind mit dem FCZ Meister und Cupsieger geworden. Was fehlt, ist die Champions League.
Das wäre die Krönung. Aber der Weg durch die Qualifikation ist bekanntlich sehr schwierig.

YB und Basel prägten nach ihren ersten Titelgewinnen jeweils eine Ära mit vielen weiteren Titeln. Darf man das vom FCZ auch erwarten?
Auch wenn wir nun Erster sind: YB und Basel sind finanziell in anderen Sphären. Der FCZ kann nicht einfach so Spieler mit internationaler Klasse verpflichten. Eine FCZ-Serie ist nicht unmöglich, dafür müssen aber verschiedene Komponenten stimmen und die Mannschaft und der Trainer länger zusammenbleiben.

André Breitenreiter dürfte im Sommer ein begehrter Mann auf dem Trainermarkt sein.
Wenn wir Meister werden, ist das ein grosses Verdienst von ihm. Wir sind überraschend, aber nicht unverdient da oben, entsprechend werden Trainer und Spieler des FCZ für andere Klubs interessant sein. Ich hoffe sehr, auch in der nächsten Saison mit Breitenreiter arbeiten zu dürfen. Wir verstehen uns super.

Werden Sie nach der Aktivkarriere dem FCZ erhalten bleiben?
Das ist so abgemacht, das weitere Vorgehen werden wir in naher Zukunft diskutieren. Was ich sagen kann: Trainer werde ich nicht, es wird wohl Richtung Management gehen.

Warum?
Ein Trainer muss Verständnis aufbringen für die heutige Spielergeneration. Ich habe mich mit vielen Weggefährten unterhalten, die schon früher aufgehört haben, weil sie mit dem Verhalten der jungen Spieler nicht mehr klargekommen sind. Bei uns gab es Hierarchien, als Junger habe ich auf und neben dem Platz alles dem Fussball untergeordnet. Dieser Eigenantrieb ist bei manchen Spielern der heutigen Generation meines Erachtens aber nicht mehr so ausgeprägt. Solange ich noch selber aktiv bin, komme ich damit klar. Aber ich denke mir oft: Zum Glück bin ich nicht Trainer.

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Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
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6
4
13
2
Servette FC
Servette FC
6
-3
12
3
FC Zürich
FC Zürich
5
6
11
4
FC Luzern
FC Luzern
6
4
11
5
FC Basel
FC Basel
6
9
10
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
5
5
10
7
FC Sion
FC Sion
6
4
10
8
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
6
-4
5
9
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
6
-4
4
10
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
6
-7
4
11
FC Winterthur
FC Winterthur
6
-7
4
12
BSC Young Boys
BSC Young Boys
6
-7
3
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