GC-Vizepräsident Andras Gurovits über die Hintergründe des Deals
«Amerikaner sind ein Lottosechser»

Seit Mitte Woche ist GC in amerikanischen Händen. Wie liefen die Verhandlungen? Wie wollen die Besitzer aus Los Angeles die GC-Herzen erobern? Und wie wurden die Amis auf die Schweizer Fankultur vorbereitet? Vizepräsident Andras Gurovits liefert Antworten.
Publiziert: 21.01.2024 um 12:03 Uhr
|
Aktualisiert: 01.02.2024 um 08:39 Uhr

Der Schnee liegt wie Zuckerguss auf den Bäumen, die Sonne strahlt vom stahlblauen Himmel: Den neuen GC-Besitzern aus Los Angeles würde es gefallen, das «Winter Wonderland» auf dem Zürcher Lindenhof, wo wir Andras Gurovits zum Fototermin bitten. Zuvor erklärt der Verwaltungsrat, den man als «Gesicht des Schweizer GC» kennt, den Deal mit Los Angeles.

Andras Gurovits, GC hat neue Besitzer. Warum wird es unter den Amerikanern besser als unter den Chinesen?
Andras Gurovits: Das sind alles fussballverrückte Leute. Natürlich ist Zürich nicht Los Angeles und umgekehrt. Doch sie haben bewiesen, dass sie Erfolg haben können: Seit dem Eintritt in die MLS 2018 ist der Los Angeles FC Meister und Cupsieger geworden. Die amerikanische Kultur ist – ohne wertend zu sein – der schweizerischen näher als die chinesische, weniger hierarchisch. Ihre Ankündigung, auf die Meinung der GC-Community zu hören, halte ich für alles andere als leere Worte.

Hat es gereicht, GC als Rekordmeister zu preisen und ihnen von lange zurückliegenden Europacup-Duellen gegen Real Madrid zu erzählen, damit sie zuschlagen?
Natürlich nicht, aber es hat sicher nicht geschadet. Diese Leute verstehen etwas von der Materie, sie wissen: Kein anderer Sport generiert so viele Emotionen wie der Fussball. Und darauf stehen die Amerikaner. Der Standort Schweiz und insbesondere Zürich waren ebenfalls ein starkes Argument für ihr Investment. Und dann hat die Schweiz fünf Europacup-Startplätze, bei zwölf Teams in der Liga. Das ist attraktiv. Die Amerikaner wollen mit GC auf die grosse Bühne, wenn auch nicht heute und morgen.

Andras Gurovits über Zürich: Der Vizepräsi hofft, dass bald der GC-Stern wieder über der Stadt leuchtet.
Foto: Pius Koller
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Andras Gurovits

GC-Vizepräsident Andras Gurovits ist der Sohn einer ungarischen Flüchtlingsfamilie und in Oerlikon aufgewachsen. Zu GC kam er als Ruderer, noch heute übt er den Sport aus. Beruflich ist Gurovits Anwalt und als solcher Partner der Kanzlei Niederer Kraft Frey AG an der Zürcher Bahnhofstrasse. Gurovits ist Präsident der GC-Stiftung, seit 2015 sitzt er im Verwaltungsrat der Grasshopper Fussball AG.

GC-Vizepräsident Andras Gurovits ist der Sohn einer ungarischen Flüchtlingsfamilie und in Oerlikon aufgewachsen. Zu GC kam er als Ruderer, noch heute übt er den Sport aus. Beruflich ist Gurovits Anwalt und als solcher Partner der Kanzlei Niederer Kraft Frey AG an der Zürcher Bahnhofstrasse. Gurovits ist Präsident der GC-Stiftung, seit 2015 sitzt er im Verwaltungsrat der Grasshopper Fussball AG.

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Welche Reaktionen haben Sie seit der Bekanntgabe des Besitzerwechsels aus GC-Kreisen erhalten?
Nur positive. Sind wir ehrlich: Die Übernahme durch den Los Angeles FC ist für GC wie ein Lottosechser, Weihnachten und Ostern zusammen.

Warum?
Sie sind ein sehr erfolgreicher Klub mit vielen interessanten Eigentümern. Sie haben bewiesen, dass sie innerhalb kurzer Zeit etwas Erfolgreiches auf die Beine stellen können. In der Vermarktung sind sie ohnehin top. Sie denken international, was sie mit ihren Partnerschaften bereits bewiesen haben, zum Beispiel in Uruguay, Gambia und Österreich.

Es ist die Rede von einem langfristigen Bekenntnis der Amerikaner zu GC. Von welchem Zeitrahmen sprechen wir da?
Von einer zweistelligen Jahreszahl.

Heisst das, Los Angeles bezahlt mindestens zehn Jahre lang die GC-Rechnungen?
Ja.

Haben Sie die GC-Community und die neuen Besitzer schon zusammengebracht?
Ja, mit Mitgliedern des Zentralvorstandes. Und zufällig gab es am Donnerstagabend zudem ein Treffen des jungen Donnerstag-Clubs. Die neuen Besitzervertreter Stacy Johns und Larry Freedman sind spontan für eine halbe Stunde vorbeigegangen, haben sich vorgestellt und ihre Ideen präsentiert. Da ist der Funke bereits übergesprungen. Weitere solche Kennenlern-Events sind geplant.

Der Klub schreibt zweistellige Millionenverluste, sportlich kommt man seit dem Aufstieg 2021 nicht vorwärts. Muss man als GC-Fan froh sein, dass überhaupt jemand die Aktien übernommen hat?
Dem kann ich nicht widersprechen. Genauso wie wir den bisherigen Eigentümern aus China dankbar sein müssen, dass sie 2020 mitten in der Corona-Krise übernommen haben. Sonst gäbe es im GC-Kosmos heute wohl keinen Profifussball mehr.

Bedauern Sie insgeheim, dass es erneut keine Schweizer Lösung für GC gab?
Entscheidend ist doch, dass GC eine gute Lösung bekommt. Sie wird, und das ist zentral, von der Stiftung und dem Zentralvorstand getragen. Deren Rückendeckung war wichtig. Wir haben jetzt die Chance, vom Wissen, der Finanzkraft, dem Netzwerk und vom Enthusiasmus der Amerikaner zu profitieren. Übrigens: GC wurde 1886 vom Engländer Tom E. Griffith gegründet. Wir sind also seit Geburt als Gesamtverein in Zürich verankert, aber auch international.

Ist die Annahme richtig, dass GC für die Chinesen ein Minusgeschäft war? Nach insgesamt rund 50 investierten Millionen.
Über den Verkaufspreis kann ich keine Angaben machen.

Ex-Besitzerin Jenny Wang hatte lange unrealistische Preisvorstellungen. War sie am Ende einfach froh, GC los zu sein?
Ein Entgegenkommen der Chinesen war wohl nötig. Aber ich muss an dieser Stelle festhalten, dass es auch Jenny Wang wichtig war, dass GC in gute Hände kommt. Dafür gebührt ihr der Dank der GC-Familie.

Welchen Wert hat die Marke GC noch?
Im Ausland sicher einen grösseren als in der Schweiz. Ich hoffe, dass sich das wieder ändert. Dass wir es hinbekommen, dass wieder mehr Fans ins Stadion kommen und Schweizer Sponsoren Lust haben, bei GC mitzumachen.

Was, wenn der Verhandlungsdurchbruch mit den Amerikanern kurz vor Weihnachten nicht gelungen wäre?
Die Chinesen hätten GC nicht einfach hängen lassen. Das ist auch eine Frage des Stolzes. Aber klar: Hätte sich keine Lösung abgezeichnet, wären wohl Anpassungen nötig geworden. Die Bereitschaft der Chinesen für Investitionen war am Schluss nicht mehr gross.

Hatten Sie Angst, dass die Amerikaner es sich während des Flugs nach Zürich nochmals anders überlegen?
Seit dem Wochenende, als mündlich alle Details geklärt waren, war ich endgültig beruhigt. Und ich denke, dass ich jetzt auch wieder etwas mehr schlafen kann.

Warum waren Sie als Präsident der GC-Stiftung überhaupt so eng involviert in den Verkaufsprozess? Mit 3,5 Prozent Aktienanteilen hat die Stiftung – auf Deutsch gesagt – nichts zu melden.
Dank des Dreiecksvertrags zwischen Besitzern, der Grasshoppers Fussball AG und der Stiftung waren wir früh im Bild. Die Stiftung hat etwa ein Vorkaufsrecht bei einem Verkauf. Wir haben diese Idee von Anfang an unterstützt. Als Vertreter der Stiftung und als Verwaltungsratsmitglied zwar nicht direkt an den Verhandlungen teilgenommen, war aber stets involviert. Das war hilfreich.

Wenn man wie Sie schon damals bei der Übernahme durch die Chinesen und nun beim neuerlichen Besitzerwechsel so nah dran ist, stellt sich unweigerlich die Frage: Erhalten Sie eine Provision für Ihre Vermittlerdienste?
Keinen Rappen.

Gemäss «The Athletic» flossen beim Einstieg von Ineos bei Manchester United über 31 Millionen Franken Beraterhonorar.
Wenn ich das höre, habe ich wohl etwas falsch gemacht (lacht). Im Ernst: Ich habe ein grosses GC-Herz, ich habe als Kind den Klub lieben gelernt und als Verwaltungsrat seit 2015 sehe ich es auch als meine Pflicht, für eine gute Lösung zu kämpfen. Auch wenn das viel Schweiss und viele schlaflose Nächte gekostet hat.

Die neuen Besitzer wollen so schnell wie möglich einen neuen CEO einstellen, der gleichzeitig Präsident ist. Stimmt es, dass Sie den Amerikanern Fredy Bickel empfohlen haben?
Es ist zu früh, um über konkrete Namen zu sprechen. Die neuen Besitzer sind dabei, alles zu analysieren, wie sie deutlich gemacht haben. Ich bringe aber bei den Gesprächen zu personellen und anderen Fragen gerne meine Meinung ein.

Wenn neue Besitzer kommen, wollen sie die Dinge oft auf ihre eigene Art und mit eigenen Leuten machen. Müssen Sportchef Bernt Haas und Trainer Bruno Berner Angst vor der Entlassung haben?
Das glaube ich nicht. Wie die neuen Besitzer angekündigt haben: Sie haben sich im Voraus informiert über den Klub und das Spielerkader, aber sie wollen sich jetzt auch selber ein Bild machen, mit allen Leuten reden und dann allenfalls entscheiden, was getan werden muss. Ich finde zudem, unsere sportliche Abteilung macht insgesamt einen guten Job. Unter alles anderen als einfachen Rahmenbedingungen in den letzten Monaten.

Ein leidiges Thema ist das fehlende Fussballstadion in Zürich. Wussten die Amerikaner, dass GC keine Heimat hat?
Ja, und trotzdem sind sie eingestiegen. Obwohl für sie das Stadionerlebnis besonders wichtig ist: Die Spiele in Los Angeles sind seit Jahren restlos ausverkauft und ein Event.

Werden ab sofort auch die GC-Heimspiele zum Event?
Das werden wir sehen, wir hoffen es natürlich. Aber auch da müssen wir nicht um den heissen Brei reden: Das beste Rezept, wieder mehr Zuschauer ins Stadion zu locken, ist sportlicher Erfolg. Ohne den funktioniert es auf Dauer nicht.

Wissen die Amerikaner auch, dass die Fankultur in der Schweiz eine andere ist als in den USA? Die Diskussion darüber dreht sich hierzulande leider oft auch um Sachbeschädigungen und Gewaltausbrüche.
Auch darüber sind sie informiert. Und in diesem Punkt sind wir uns einig: Das Verständnis, dass es rund um Fussballspiele zu Gewalt kommt, fehlt komplett. Ohne Gewalt und Sachbeschädigungen gäbe es keine solchen Vorstösse wie das Kaskadenmodell und wären keine Massnahmen nötig.

Das erste GC-Heimspiel unter den neuen Besitzern steigt nächste Woche. Woran werden die Anhänger die Handschrift der Amerikaner erkennen?
Es wird nicht auf einen Schlag alles anders werden. Aber der Zeitpunkt des Besitzerwechsels liegt nicht ohne Grund am Anfang der Transferperiode. Wann es so weit sein wird, kann ich nicht sagen, aber die Mannschaft dürfte noch verstärkt werden. Darauf haben sich die neuen Besitzer in den letzten Wochen bereits vorbereitet.

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