Spuck-Napf Super League
1:44
Grusige Gewohnheit:Trotz Corona wird in der Super League rumgerotzt

Grusige Gewohnheit in der Super League
Wird sogar mehr gespuckt als vor Corona?

Fussballer rotzen auf den Boden, als gäbe es kein Corona. Viele Fans beschweren sich darüber bei der Liga. Weshalb wird diese widerliche Spuckerei nicht bestraft, wie mal im Schutzkonzept vorgesehen?
Publiziert: 19.11.2020 um 14:02 Uhr
|
Aktualisiert: 22.11.2020 um 09:38 Uhr
Trotz Corona wird in der Super League fleissig weiter gespuckt.
Foto: TOTO MARTI
1/10
Michael Wegmann

Die Liga kämpft gegen einen Unterbruch der Meisterschaft, die Klubs ums Überleben. Während schweizweit die Amateurligen wegen Covid-19 pausieren, darf der Profifussball weiterspielen. Die Fussballprofis tragen quasi Maske bis zur Seitenlinie, lassen sich vor jedem Training Fieber messen und unterziehen sich regelmässig Coronatests.

Dennoch rückt das Virus auch dem Profifussball weiter auf die Pelle. Anfang November werden in der Super League gleich vier der fünf Partien der 6. Runde verschoben. Einzig St. Gallen gegen Basel wird gespielt. Der Gast gewinnt im St. Galler kybunpark. Dieser ist leer. Die Fans sehen im Bezahl-TV-Sender «blue» vier verschiedene Torschützen jubeln – und sieben spuckende Profis in Grossaufnahme. Die Basler Nikolic und Cabral speien zweimal, Kasami und Van der Werff einmal. Dazu erleichtern sich auch noch die St. Galler Muheim, Görtler und Fazliji.

Die 90 Minuten sind kein Ausnahmefall. Es wird überall gespuckt. Stars wie Ronaldo, Messi, Neymar. Oder Youngsters wie Wilfried Gnonto (17). Die erste Amtshandlung des FCZ-Juwels bei seinem Debüt in Vaduz? Er speit direkt nach seiner Einwechslung.

«Habe Spucken noch nie begriffen»

Da bleibt dem Zuschauer die Spucke weg! Und die Verantwortlichen haben Angst, dass die Fussballer sich selbst in die Suppe spucken. Liga-Boss Heinrich Schifferle: «Das Spucken stört mich sehr. Ich habe Spucken auf dem Fussballplatz noch nie begriffen, und ich hoffte, es hört in der Corona-Phase endlich auf. Es ist so ein falsches und schlechtes Zeichen. Handballer oder Basketballer spucken ja auch nicht pausenlos.» Sportmediziner Walter Frei findet die Spuckerei nicht nur störend, sondern auch äusserst gefährlich. Er sagte zu Radio SRF: «Das ist nur gruusig. Und in Zeiten von Corona ist das natürlich eine Katastrophe und doppelt gefährlich. Wenn jemand krank ist, ist seine Spucke voll mit Viren.»

Spucke ist schon vor Corona unappetitlich und zählt zu den Dingen, die man lieber für sich behält. Fremder Speichel ekelt. Dafür gibts auch vernünftige Gründe: Grippeviren, Erkältungsviren, Noroviren und Coronaviren – sie alle überleben in der Spucke. Dass man nicht auf den Boden speit, lernt deshalb schon jedes Kind.

Im ersten Covid-19-Schutzkonzept der Liga in diesem Frühling wollte die Liga das Spucken deshalb auch verbieten. Fussballspielende Lamas, die der Spuckerei überführt worden wären, hätten bestraft werden sollen. Gelb für Spucken? Regeltechnisch nicht umsetzbar. Schiri-Boss Dani Wermelinger sagt: «Gelbe Karten für Spucken? Das Reglement würde dies gar nicht zulassen. Wir Schiedsrichter verstehen uns übrigens auch nicht als Covid-Polizisten. Für alles, was übers Regelwerk hinaus geht, ist die Swiss Football League zuständig. So wie beim Torjubel.» Übermässiger Torjubel wird seit Corona mit einer Busse bestraft. Mit bescheidenem Erfolg. Es wird beim Jubeln weiter umarmt, auch wenns kostet. Auf eine Spuckstrafe hat man verzichtet. Da es purer Zufall wäre, wen man erwischen würde, heisst es bei der Liga.

Auch Gress versteht es nicht

Obwohl die Profis wissen, dass sie von der Gesellschaft mit Argusaugen beobachtet werden, rotzen sie weiter, als gäbe es kein Corona. Es kommt einem gar so vor, als würde seit dem Lockdown gar mehr gespuckt als davor. Ex-Natitrainer Gilbert Gress (78): «Wissen Sie, wie oft ich vor dem TV zuhause schon meiner Frau gerufen habe: ‹Schau, jetzt spuckt der schon wieder!› Alle tun es. Es gibt sogar Trainer, die spucken. Ich weiss gar nicht, woher diese Menschen so viel Speichel nehmen. Ich hatte beim Spielen eher einen zu trockenen Mund.»

Gress ist bei weitem nicht der einzige, der sich nervt. Bei der Liga gehen regelmässig Beschwerdeschreiben über spuckende Fussballer ein. Seit Corona sind es viel mehr geworden!

Wird auf dem Platz gar mehr gespuckt als vor Corona? «Nein», sagt Ruedi Zahner, Coach und Mentor im Spitzensport (siehe Interview). Er glaubt, dass der TV-Zuschauer mehr spuckende Fussballer zu sehen bekommt, weil der Regisseur bei Unterbrüchen keine Fans mehr einblenden kann und deswegen länger auf den Spielern verweilt.

«Realisiere es gar nicht richtig»

Die Fussballer wurden mehrmals von Klubs und Liga auf das brisante Thema hingewiesen. Trotzdem wird weitergespuckt. Warum? «Wenn ich im Spiel bin, realisiere ich gar nicht richtig, dass ich spucke», sagt ein Super-League-Spieler. Ein anderer vermutet, den Grund in der Psyche. «man will unbewusst ein Zeichen: ‹Das war schlecht, aber weiter gehts!›» Ein dritter nennt das Spucken simpel «Fussballer-Krankheit» und lacht. «Fussballer-Krankheit» trifft es wohl überraschend gut. Schon lange vor Corona ist das Phänomen des chronisch spuckenden Fussballers beliebtes Thema rund um den Globus. Medizinische Erklärungsversuche scheitern dabei jedes Mal.

Sportmediziner Walter Frei: «Es gibt keinen medizinischen Grund, weshalb Fussballer spucken müssen.» Das Spucken ist gar kontraproduktiv. Denn die vermehrte Speichelproduktion soll Flüssigkeitsverluste ausgleichen. Je schweisstreibender der Kampf um den Ball ist, umso mehr Speichel bildet sich. Sinnvollerweise sollte dieser im Körper bleiben. Wissenschaftler sind sich einig, dass es viel eher psychologische Gründe sind, weshalb sich Fussballer seit Jahren über die gesellschaftlichen Konventionen hinweg setzen und spucken.

Spucken hat etwas sehr männliches

Ruedi Zahner (63) war Profifussballer und Trainer. Mittlerweile ist er Coach und Mentor im Spitzensport. Er nimmt die spuckenden Fussballer in Schutz.

BLICK: Ruedi Zahner, haben Sie als Fussballprofi in den 80ern auch auf den Platz gespuckt?
Ruedi Zahner: Ja. Ich habe zwar, wie wohl jeder mit einer guten Kinderstube, daheim gelernt, dass sich Spucken nicht gehört. War ich aber auf dem Fussballplatz, habe ich es dennoch getan. Privat war es irgendwie verpönt, im Fussball war es erstaunlicherweise immer okay. Ich finde, man sollte wegen des Spuckens aber nicht den Moralfinger heben.

Warum nicht?
Weil die Bedeutung des Spuckens je nach Kultur anders ist. In der chinesischen Kultur zum Beispiel gilt Spucken als reinigend und gesund. Es ist etwas Positives. Und auch im Fussball übernimmt das Spucken eine Funktion.

Welche denn?
Es ist eine Art nonverbaler Ersatz für Fluchen. Und es dient wohl auch zum Druck-, Frust- oder Wutabbau.

Haben dann fussballspielende Frauen weniger Druck? Oder warum spucken sie deutlich weniger als die Männer?
Naja. Spucken hat schon etwas sehr männliches. Vielleicht ist es auch eine Art Markieren. Typisches Macho-Gehabe eben.

Es gibt auch Trainer, die spucken.
Auch Trainer verspüren Druck. Oft sogar grösseren als Fussballer.

Und sind Tennisspieler oder Basketball weniger grosse Machos als Fussballer?
Fussballer sind Fussballer und keine Basketballer oder Tennisspieler. Andere Sportler haben andere Marotten. Ich finde nicht, dass man hier werten sollte. Aber es stimmt schon: Roger Federer spuckt auch nicht, wenn er auf Rasen spielt.

Wäre Federer Fussballer, würde er also auch auf den Boden spucken?
Vielleicht. Wobei, vielleicht wäre Federer der einzige Fussballer, der nicht spuckt. Er legt schon eine unglaubliche Souveränität an den Tag. Er ist ja von einem Stern. Wie gesagt, ich finde es nicht so tragisch, wenn Fussballer mal zwischendurch spucken.

Auch nicht aktuell in der Corona-Zeit?
Dass die Leute nun genauer hinsehen, weil sie sensibilisiert sind, ist ja logisch. Was aber auf dem Fussballplatz passiert, wird keinen Einfluss auf unsere Corona-Zahlen haben.

Wenn man sich aber die letzten Partien ansieht, könnte man meinen, dass die Spieler während Covid-19 gar mehr spucken, als davor.
Das glaube ich nicht. Ich denke vielmehr, dass der Regisseur, der die Spiele überträgt, bei Unterbrüchen nicht mehr Fans einblenden kann, da die Stadien leer sind. Demzufolge verweilen sie länger auf den Spielern. Deshalb ist auch mehr Spucke zu sehen.

Ruedi Zahner (63) war Profifussballer und Trainer. Mittlerweile ist er Coach und Mentor im Spitzensport. Er nimmt die spuckenden Fussballer in Schutz.

BLICK: Ruedi Zahner, haben Sie als Fussballprofi in den 80ern auch auf den Platz gespuckt?
Ruedi Zahner: Ja. Ich habe zwar, wie wohl jeder mit einer guten Kinderstube, daheim gelernt, dass sich Spucken nicht gehört. War ich aber auf dem Fussballplatz, habe ich es dennoch getan. Privat war es irgendwie verpönt, im Fussball war es erstaunlicherweise immer okay. Ich finde, man sollte wegen des Spuckens aber nicht den Moralfinger heben.

Warum nicht?
Weil die Bedeutung des Spuckens je nach Kultur anders ist. In der chinesischen Kultur zum Beispiel gilt Spucken als reinigend und gesund. Es ist etwas Positives. Und auch im Fussball übernimmt das Spucken eine Funktion.

Welche denn?
Es ist eine Art nonverbaler Ersatz für Fluchen. Und es dient wohl auch zum Druck-, Frust- oder Wutabbau.

Haben dann fussballspielende Frauen weniger Druck? Oder warum spucken sie deutlich weniger als die Männer?
Naja. Spucken hat schon etwas sehr männliches. Vielleicht ist es auch eine Art Markieren. Typisches Macho-Gehabe eben.

Es gibt auch Trainer, die spucken.
Auch Trainer verspüren Druck. Oft sogar grösseren als Fussballer.

Und sind Tennisspieler oder Basketball weniger grosse Machos als Fussballer?
Fussballer sind Fussballer und keine Basketballer oder Tennisspieler. Andere Sportler haben andere Marotten. Ich finde nicht, dass man hier werten sollte. Aber es stimmt schon: Roger Federer spuckt auch nicht, wenn er auf Rasen spielt.

Wäre Federer Fussballer, würde er also auch auf den Boden spucken?
Vielleicht. Wobei, vielleicht wäre Federer der einzige Fussballer, der nicht spuckt. Er legt schon eine unglaubliche Souveränität an den Tag. Er ist ja von einem Stern. Wie gesagt, ich finde es nicht so tragisch, wenn Fussballer mal zwischendurch spucken.

Auch nicht aktuell in der Corona-Zeit?
Dass die Leute nun genauer hinsehen, weil sie sensibilisiert sind, ist ja logisch. Was aber auf dem Fussballplatz passiert, wird keinen Einfluss auf unsere Corona-Zahlen haben.

Wenn man sich aber die letzten Partien ansieht, könnte man meinen, dass die Spieler während Covid-19 gar mehr spucken, als davor.
Das glaube ich nicht. Ich denke vielmehr, dass der Regisseur, der die Spiele überträgt, bei Unterbrüchen nicht mehr Fans einblenden kann, da die Stadien leer sind. Demzufolge verweilen sie länger auf den Spielern. Deshalb ist auch mehr Spucke zu sehen.

Mehr
Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
FC Lugano
6
4
13
2
Servette FC
Servette FC
6
-3
12
3
FC Zürich
FC Zürich
5
6
11
4
FC Luzern
FC Luzern
6
4
11
5
FC Basel
FC Basel
6
9
10
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
5
5
10
7
FC Sion
FC Sion
6
4
10
8
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
6
-4
5
9
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
6
-4
4
10
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
6
-7
4
11
FC Winterthur
FC Winterthur
6
-7
4
12
BSC Young Boys
BSC Young Boys
6
-7
3
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?