Mittendrin: St. Gallens Früh und FCL-Stäger
Millionen-Zoff im Schweizer Fussball

Der Konkurs von Sportrechte-Vermarkter Kentaro ist der grösste Finanz-Schlamassel im Schweizer Sport. Mittendrin: Dölf Früh und Ruedi Stäger, die Präsidenten von St. Gallen und Luzern.
Publiziert: 20.09.2015 um 09:17 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:19 Uhr
St. Gallens Präsi Dölf Früh verliert wegen der Pleite der Firma Kentaro Millionen.
Foto: Keystone
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Von Alain Kunz und Andreas Böni

Seit die Beschwerdefrist Ende August unbenutzt verstrich, ist es offiziell: Die Kentaro AG ist konkurs. Die Firma wird liquidiert. «Die sind finito, weg, vorbei», sagt der letzte Direktor, der anonym bleiben will. Betreibungen in der Höhe von über 31 Millionen (!) Franken haben sich angehäuft. Ein hoffnungsloser Fall.

In Erinnerung bleiben aber andere Bilder: Jene, wie die Kentaro-Gründer, der Luzerner Philippe Huber und sein deutscher Compagnon Philipp Grothe, in Saus und Braus lebten. Huber im Bentley mit Privatchauffeur in den Strassen von London. Privatjets. Luxuswohnungen im Londoner Nobelviertel Knightsbridge für 2000 Franken – pro Woche. Traum-Anwesen auf Ibiza oder in Hollywood.

Kentaro vermarktet damals Brasilien und weitere namhafte Nationalmannschaften sowie Grossklubs aus der Premier League. Der Rubel rollt. Auch der FC St. Gallen soll ein Teil des Erfolgsmodells der Firma aus Wil SG werden. Im Mai 2011 kommen die FC St.Gallen Event AG und Kentaro ins Geschäft.

Der FCSG gewährt Kentaro ein zinsloses Darlehen in der Höhe von acht Millionen Franken. Das Geld fliesst per 10. 6.11. Im Gegenzug garantiert Kentaro der FCSG Event AG einen fetten Reingewinn. Dank der Durchführung von fünf Test-Länderspielen. Spanien gegen Uruguay, Brasilien gegen Italien, England gegen Italien, Brasilien gegen Deutschland und Brasilien gegen Portugal. Mindestens ein Spiel ist in der AFG-Arena vorgesehen. Die Topspiele sollen im Ausland stattfinden. Dort, wo die Arenen grösser und die Profite fetter sind. Kentaro versichert, die Zusagen aller Verbände mit Ausnahme des spanischen bereits in der Tasche zu haben.

Für den FCSG wird der Vertrag zum Albtraum. St.-Gallen-Präsident Dölf Früh: «Es wurde uns viel versprochen, wir wurden immer wieder vertröstet, die meisten Spiele fanden gar nie statt.» Als sowohl Brasilien gegen Italien als auch Spanien gegen Uruguay nicht stattfinden, die Seleçao stattdessen gegen Mexiko und Ägypten spielt, lupft es den St. Gallern den Hut.

In einem Zusatz wird abgemacht, dass der Reingewinn aus den beiden Spielen, die stattgefunden haben, dennoch Vertragsgegenstand wird. Von diesen 4,5 Millionen soll der FCSG 2,5 erhalten. Kentaro verpflichtet sich, statt 8 Millionen nun 9,5 zurückzuzahlen. Und eines der Topspiele von Brasilien – gegen Italien oder Portugal – zwingend in der AFG-Arena auszutragen.

Doch das wird nie passieren. Stattdessen ist Bosnien-Herzegowina 2012 zu Gast. Und statt des in Aussicht gestellten und vertraglich zugesicherten Millionengewinns guckt der FCSG unter dem Strich total in die Röhre. In einem zweiten Zusatzvertrag anerkennt Kentaro eine Schuld von nicht ganz 7 Millionen Franken. Inklusive Verzugszins 7,5 Millionen. Das ist der Betrag, auf den Kentaro in der Folge betrieben wird.

Früh: «Kein Kommentar»

Aber die Frage stellt sich schon: Sind die St. Galler zu Gamblern geworden, die mit Millionen spielen können? Dölf Früh klärt auf: «In den 7,5 Millionen ist ein vertraglich zugesicherter Gewinn über 1,5 Millionen enthalten, welcher eins zu eins in die Bücher des FC St.Gallen geflossen wäre. Beim Restbetrag handelt es sich um Gelder, die für das Geschäft aufgebracht werden mussten. Und die von mir und einer zweiten Person zur Verfügung gestellt wurden.» Das heisst? Früh: «Der FC St.Gallen stand zu keinem Zeitpunkt des Geschäfts in einem finanziellen Risiko, sondern hätte nur profitieren können. Mein Verlust wird sich leider aller Wahrscheinlichkeit nach somit auf 3,5 Millionen und derjenige der anderen Person auf 2 Millionen beziffern. Der Rest sind Verzugszinsforderungen.»

Lange durfte Früh hoffen. Denn seit der ersten Konkurseröffnung im Oktober 2013 wehrt sich Kentaro vehement gegen den Konkurs. Ihr Argument: Die Überschuldung sei ein buchhalterisches Problem, weil die Rechte für die Spiele wie bei Warentermingeschäften im Voraus zu bezahlen seien, die Einnahmen durch den Weiterverkauf aber erst viel später flössen. So entstehe eine grosse Liquiditätslücke, die aber später immer gefüllt werde.

Mittlerweile können aber nicht mal mehr die Büros in Wil oder die Telefonrechnungen bezahlt werden. Kentaro disloziert Ende April dieses Jahres nach Mels SG und stellt einen Direktor ein, dem Grothe sagt – Philippe Huber hat sich wie sein Bruder Stephan, der jahrelang im Verwaltungsrat war, längst zurückgezogen –, es gebe bloss organisatorische Mängel zu beseitigen. Dann laufe das Geschäft wieder.

Heute sagt dieser Mann: «Das Ganze ist ein Riesen-Schlamassel! Ich habe nie eine Bilanz gesehen. Ich hatte nie Kenntnis von den Vorgängen vor meiner Zeit. Und als die Bundesanwaltschaft im Zuge der Ermittlungen gegen die Fifa im Mai einen Grossteil der Akten sowie Computer beschlagnahmte, waren kaum noch Unterlagen vorhanden. So etwas habe ich noch nie erlebt!» Der Troubleshooter quittiert seinen Job am 10. September. Und geht aufs Betreibungsamt, um seinen Lohn von 8000 Franken pro Monat einzufordern.

Grothe seinerseits ist auf Tauchstation gegangen. Die Anfragen von SonntagsBlick blieben unbeantwortet. Ende 2014 gründet er die Lenani Ltd., welcher er die Sports Entertainment Marketing Ltd. einverleibt. Beide Firmen mit Domizil London. Spätestens seit diesem Zeitpunkt dürfte der Wille zur Sanierung der Kentaro nicht mehr ernsthaft und die Konkursbeschwerden und Rechtsvorschläge bloss noch Mittel zum Zweck des Zeitgewinns gewesen sein. Damit die verbliebenen Aktiva auf die Insel verschoben werden konnten? Ein Indiz: Der Wiler Konkursbeamte fordert die Kentaro auf, ihm Zahlungseingänge zu überweisen, die bei der S.E.M. Ltd. zugunsten der Kentaro AG eingehen. In London, so sagen Insider, mache Grothe bereits wieder Millionendeals. Vielleicht lauern die vielen Gläubiger in der Schweiz bloss darauf, dass er wieder zu genügend Geld kommt. Und schlagen dann zu.

Und was ist mit FCL-Boss Stäger, der von 2008 bis 2014 Verwaltungsratspräsident der Kentaro AG war? Welche Rolle spielte er beim St.-Gallen-Deal mit seinem Super-League-Präsidentenkollegen Früh? «Ich bin operativ nie tätig gewesen», sagt Stäger. «Deshalb kann ich Ihnen zu diesem Deal auch keine Details nennen. Da müssen sie Philipp Grothe fragen.» Und tatsächlich: Unter dem St.-Gallen-Deal steht nicht Stägers Unterschrift.

Dennoch sagt Dölf Früh zum Thema Stäger vielsagend: «Dazu möchte ich keinen Kommentar abgeben.»

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