Wie aus Haris Tabakovic ein Superknipser geworden ist
«Habe mein Ego auf die Seite gestellt»

Sagenhafte 61 Tore hat Haris Tabakovic (29) in den letzten 18 Monaten erzielt. Warum der Solothurner nicht für die Schweizer Nati aufläuft. Weshalb der Knoten plötzlich geplatzt ist. Und was sein einstiger Förderer bei Wacker Grenchen sagt.
Publiziert: 16.12.2023 um 09:58 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2023 um 10:39 Uhr
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Stefan KreisReporter Fussball

Es ist nicht immer leicht, ein Riese zu sein. Beulen, weil man gegen Balken läuft, sind keine Seltenheit. Und auf dem Fussballplatz siehts schnell mal «gstabig» aus, wenn man das Tor nicht trifft.

War auch bei Haris Tabakovic, dem Hertha-Stürmer, dem 194-Zentimetermann, dem Schweizer Torschützen der Stunde, nicht anders. Lange Zeit wird der mittlerweile 29-Jährige unterschätzt, muss unten durch, wird sowohl bei YB als auch bei GC nicht glücklich, landet zwischenzeitlich beim VTK Diosgyori in Ungarn. Urplötzlich aber platzt der Knoten. Oder um es mit Cristiano Ronaldo zu sagen: «Bei Toren ist es wie bei einer Ketchupflasche. Wenn etwas kommt, dann gleich alles auf einmal.»

Sagenhafte 61 Tore hat Tabakovic in den letzten 18 Monaten erzielt. Phasenweise hat der Stürmer eine bessere Quote als Superstar Erling Haaland. Warums plötzlich läuft? «Weil ich mein Ego auf die Seite gestellt habe und in die zweite österreichische Liga gegangen bin», antwortet der Hertha-Stürmer. Zu Austria Lustenau.

Der gefeierte Mann: Haris Tabakovic steht bei Hertha Berlin im Mittelpunkt.
Foto: IMAGO/Nordphoto
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Er sei dort reifer geworden, erfahrener, so Tabakovic. «Das Vertrauen in meinen Körper war zurück. Und es hat mir auch in die Karten gespielt, dass ich in einem System auflaufen durfte, wo ich die Box bekomme.» Via Lustenau und Austria Wien landet Tabakovic im Sommer bei der Hertha, soll den Traditionsverein mit seinen Toren zurück in die Bundesliga führen. Ein Weg, den ihm damals bei YB und GC viele nicht zugetraut haben. 

Wurzeln bei Wacker Grenchen

Einer aber hat immer an den Strafraumstürmer geglaubt: Beat Lauper. Der war Juniorenobmann bei Wacker Grenchen, Tabakovics Jugendverein. Und er sah schon früh, dass da ein Spieler kommt, der es schaffen könnte: «Haris war damals schon grösser als andere. Und auch technisch war er ziemlich überlegen. Es hatte zwar auch andere Spieler, die gleichwertig waren. Aber er wollte es am Ende einfach mehr.» Tabakovic sagt: «Das hat mich ausgezeichnet. Wir hatten so viele talentierte, junge Spieler, die technisch einfach unglaublich waren.» Er aber habe den Glauben gehabt, dass man sich «keine Grenzen» setzen muss, so der Solothurner. 

Als Belohnung ist Tabakovic seit diesem Sommer Bundesligaprofi, läuft in rappelvollen Hütten auf. Knapp 50'000 sinds am Wochenende auf dem Betzenberg. Über 60'000 pilgern zum Cup-Achtelfinal gegen den HSV ins Berliner Olympiastadion. Sie feiern den Viertelfinaleinzug im Elfmeterschiessen, sind komplett aus dem Häuschen. Der Finaltraum? Er lebt. Weil mit den Bayern, Dortmund und Leipzig drei Favoriten bereits ausgeschieden sind. Und Leverkusen und Stuttgart sich im Viertelfinal selbst in die Parade fahren werden. Dass für die Hertha-Fans ein Endspiel im eigenen Stadion das Grösste wäre, versteht sich von selbst. Weil es das in der fast 90-jährigen Geschichte des Wettbewerbs noch nie gegeben hat. «Unser Goalie, Marius Gersbeck, ein Ur-Herthaner, hat mir erzählt, was das für die Anhänger bedeuten würde», sagt Tabakovic.

Drei Tore – Tabakovic schiesst Hertha aus der Abstiegszone
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Hertha – Braunschweig 3:0:Drei Tore – Tabakovic schiesst Hertha aus der Abstiegszone

Sportliche Priorität aber hat trotzdem der sofortige Wiederaufstieg in die erste Bundesliga. Nach schwachem Saisonstart liegt die Hertha nur vier Punkte hinter Platz 3, sieben Spiele en suite hat die Dardai-Elf nicht mehr verloren. «Die Euphorie ist da», sagt Tabakovic. Er selbst hat massgeblichen Anteil daran, zwölf Tore in 18 Pflichtspielen sprechen für sich. 

Yakin und Tami haben sich nicht gemeldet

Für ein Schweizer Nati-Aufgebot aber hat es trotzdem nicht gereicht. Weder Coach Murat Yakin noch Sportdirektor Pierluigi Tami hätten sich bei ihm gemeldet. Und das, obwohl Tabakovic beim SFV kein Unbekannter ist und etliche Nachwuchsstufen durchlaufen hat. Im Herbst 2015 ist er im Sturm der Schweizer U21-Nati während der kompletten EM-Quali gesetzt, acht Jahre später debütiert er in der A-Elf der Bosnier, dem Heimatland seiner Eltern. «Ich hatte viele Gespräche mit dem bosnischen Nationaltrainer und dem Sportdirektor und irgendwann musste ich mich entschieden. Ich bin ja nicht mehr der Jüngste», begründet der 29-Jährige seinen Entscheid.

Beat Lauper, Tabakovics einstiger Förderer, kann zwar nicht verstehen, warum der SFV den Stürmer nicht aufgeboten hat. Gleichwohl ist er stolz darauf, dass aus dem einstigen Wacker-Grenchen-Junior ein Nationalstürmer geworden ist. Zig Zeitungsartikel hat der langjährige Juniorenobmann gesammelt. In einem Artikel aus der «Grenchner Woche» aus dem Jahre 2012 heissts, dass Tabakovic mit der Schweiz die U19-EM im Visier habe. In einem anderen steht, dass Tabakovic mit der Schweizer U21 gegen Bosnien gewonnen habe.

«Immer, wenn ich Ferien habe, bin ich ein paar Tage in Grenchen»

Auch jener Brief, der Tabakovic zum ersten Mal von einer Profi-Karriere träumen liess, hat Lauper abgeheftet. «Aufgebot zum Stützpunkttraining» steht drauf, versendet am 21. April 2005. Elf Jahre alt ist Tabakovic zu jenem Zeitpunkt. Es ist der Anfang einer bemerkenswerten Karriere, die den Solothurner von Grenchen aus bis in die deutsche Hauptstadt gebracht hat. 

Trotz Star-Status hat er seine Wurzeln aber nie vergessen. «Immer, wenn ich Ferien habe, bin ich ein paar Tage in Grenchen. Dann hole ich mir das Material, das ich für mein individuelles Training brauche. Hüetli, ein Ball», sagt Tabakovic.

Weil er weiss: Um am Ball zu bleiben, muss man auch an freien Tagen trainieren. Und wenn mans nicht tut, siehts vielleicht plötzlich gstabig aus. 


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