YB-Spektakelspieler Jaouen Hadjam aus den Banlieues
«In Paris nennen wir das Quartierstil»

Er hat das Zeug zum Spektakelspieler: YB-Aussenverteidiger Jaouen Hadjam. Der Franko-Algerier aus den Pariser Banlieues wirkt wild und ungezügelt und nennt sich «Quartier-Spieler».
Publiziert: 12.04.2024 um 21:26 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2024 um 10:00 Uhr
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Alain KunzReporter Fussball

Letzter Strassenfussballer: In den letzten paar Jahren wurde dieser Begriff immer wieder überstrapaziert. Wie wenn es keine Slums, Suburbs und Banlieues mehr geben würde. Dabei ist das Gegenteil der Fall! Die Vororte wachsen ungebremst. Und so muss es zwangsläufig auch immer mehr Strassenfussballer geben.

Bei einem liegt die Vermutung nahe, dass er ein solcher ist: Jaouen Hadjam (21), der neue YB-Linksverteidiger aus Paris. Die Defensivzone? Nicht sein bevorzugtes Rayon. Sein Stil ist wild, ungezügelt, unberechenbar. Mal gehts nach links, mal nach rechts. Er schlägt Haken wie ein Hase. Einverstanden mit dieser Charakterisierung? «Das ist sehr gut getroffen! Denn dieser Stil, in Frankreich nennen wir ihn Quartierstil, kommt immer mehr auf. Spieler, die aus den Quartieren, den Vororten kommen. In den Klubs wird dieser Stil dann professionalisiert. Gewissermassen diese Natur aufs Spielfeld übertragen.» Bei ihm sind es die Banlieues der Weltmetropole Paris. 94. Département, Val-de-Marne in der Region Île-de-France, die Stadt Alfortville.

Erst die Matura, dann der Fussball

Der junge Mann hört genau zu. Und seine Antworten sind nicht platt, sondern präzis. Kein Zufall. «Meine Mutter war sehr fürsorglich und strikt! Ich war Profi, bevor ich die Schule beendet hatte. Sie machte mir aber klar, dass ich nicht von der Schule gehen dürfe, solange ich die Matura nicht im Sack hätte. Also machte ich diese. Und konzentrierte mich erst danach voll auf den Fussball.» Den zweiten Teil der Mittelschule macht Jaouen in Reims, der Stadt der Könige und des Champagners, wo er von 13 bis 15 in einem Fussballinternat weilt. Bevor er in seine Pariser Heimat zum Paris FC zurückkehrt.

Und hoch das Bein: Jouen Hadjam (r.) beim 2:2 am letzten Wochenende in St. Gallen, hier gegen Victor Ruiz.
Foto: Marc Schumacher/freshfocus
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Und da geht die Post ab! Als Teenager spielt er bereits in der ersten Mannschaft und in den U-Auswahlen von Frankreich. Der Transfer zu Ligue-1-Klub Nantes ist die logische Folge. Er startet hervorragend. Doch vor einem Jahr gerät alles ins Stocken. Seither spielte Jaouen nie mehr von Beginn weg für die Kanarienvögel.

Karriere-Reset bei YB?

Also ist der Transfer zu YB ein typischer Fall von Karriere-Reset? «Kann man sagen», bestätigt der 21-Jährige. Schränkt indes ein: «Aber YB hatte schon lange ein Auge auf mich geworfen. Schon bevor ich in Nantes unterschrieb. Ich bin also nicht nur deshalb hier gelandet, weil meine Karriere ins Stocken geraten war.»

Der Entscheid pro YB fiel jedenfalls ganz bewusst. Denn Hadjam hatte auch ein Angebot des belgischen Grossklubs Standard Lüttich vorliegen. «Ich hätte bloss noch unterschreiben müssen. Aber ich wollte europäisch spielen und diesen Druck kennenlernen, Meister werden zu müssen. Das beseelt jeden Fussballer.» Schon im Februar kommt er zu seinen ersten beiden europäischen Spielen, und das gleich gegen Sporting Lissabon.

Sein Nationaltrainer heisst Vladimir Petkovic

Wie der Wechsel nach Bern ist auch der Umstand, dass er als Junior für Frankreichs Nationalmannschaften aufläuft und in der A-Nati für Algerien, dem Zufall geschuldet. «Das war schon immer mein Traum. Es gab also kein Buhlen des Heimatlandes meiner Mutter um mich.» Und nun trifft er dort – was für eine Koinzidenz – auf Vladimir Petkovic, den langjährigen Schweizer Nati-Trainer und YB-Coach. «Das war schon sehr speziell, in der Nati auf einen Coach zu treffen, der einst meinen aktuellen Verein trainiert hat. Wir haben natürlich auch über YB gesprochen», erzählt Jaouen.

Fortan zwei, drei, vier Wecker ...

Bei YB kommt er voll gut rein. Schon in seinem ersten Spiel von Beginn weg, einem 5:1 zu Hause gegen Yverdon. Bei seiner Auswechslung kriegt er eine Standingovation. «Das ging mir sehr nahe, als die Leute aufstanden. Und das für mich!» Etwas weniger gut in Erinnerung dürfte dem jungen Mann das zweite Spiel gegen Yverdon bleiben. Er wird von Coach Joël Magnin aus dem Kader gestrichen, weil er den Zusammenzug verpennt. «Das sind Dinge, die in der Karriere eines Fussballers mal passieren können. Aber natürlich nicht sollten.» Der Grund? «Ich habe ganz einfach den Wecker nicht gehört.» Und was ist die Lehre, die ein intelligenter Mensch daraus zieht? «Jetzt klingeln am Morgen zwei, drei, ja vier Wecker!» Sagt Jaouen – und lacht …

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