Übrigens – die Blick-Kolumne
Hrubesch, der Pferde- und Frauenflüsterer

Ein Grossvater weckt die deutschen Fussballfrauen. Die Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 10.03.2024 um 16:18 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2024 um 09:13 Uhr
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Felix BingesserReporter Sport

Vor einigen Tagen gab es im gebeutelten deutschen Fussball Anlass zur Freude. Die Frauen-Nationalmannschaft, die sich bei der WM in Australien im letzten Sommer noch blamiert hatte, qualifizierte sich mit einem 2:0-Sieg gegen Holland in letzter Minute für die Olympischen Spiele in Paris.

An der Seitenlinie hüpft und gestikuliert nicht mehr Martina Voss-Tecklenburg, sondern ein alter weisser und weiser Mann. Der Fussballrentner Horst Hrubesch schafft das Wunder und wird nach Spielschluss von den Spielerinnen geherzt und umarmt, als feiere man hier den Geburtstag des eigenen Grossvaters.

«Spass mit Horst» ist das Motto der jungen Frauen. Im Mannschaftsbus darf er danach sogar die Musik wünschen. «Ich bin mit dir so hoch geflogen, doch der Himmel war besetzt» von Andrea Berg wird gespielt.

Weckt die deutschen Fussballfrauen: Horst Hrubesch.
Foto: imago/Eibner
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Hrubesch ist bei den deutschen Frauen zum zweiten Mal als Interimstrainer eingesprungen. Es ist eine einzigartige Kombination. Kein Laptop-Trainer, kein Jungspund, kein Taktikfuchs. Sondern ein kantiges 72-jähriges einstiges Kopfball-Ungeheuer mit Tugenden, die heute etwas aus der Mode gefallen sind. «Hrubesch ist ein ausgewiesener Fussballmechaniker», lautet die Formulierung der «Süddeutschen Zeitung» dazu. Quadratisch, praktisch, gut.

Fussballer, Handballer, Dachdecker

Aber mit seiner Gelassenheit, mit seinen klaren Ansagen und seinen Motivationskünsten sorgt der graue Panther für ein kleines Fussballmärchen. Und mit seiner väterlichen Art für ein derart leistungsförderndes Klima, dass die Mannschaft im Vergleich zu den Auftritten im letzten Sommer nicht wiederzuerkennen ist. 

Unkonventionell verläuft schon die Aktivkarriere von Hrubesch. Bis er 24 Jahre alt ist, spielt er Fussball und Handball parallel im Amateurbereich. Und arbeitet als Dachdecker. Als Talent wird er nie gehandelt. Trotzdem bekommt er von Rot-Weiss Essen einen Profivertrag und schiesst plötzlich Tor um Tor.

Beim HSV wird er dreimal Meister und gewinnt an der Seite von Spielern wie Kevin Keegan und Felix Magath die Champions League. Er schiesst in 224 Spielen 136 Tore, die beste Quote der Bundesliga-Geschichte hinter Robert Lewandowski und Gerd Müller. «Manni Bananenflanke, ich Kopf, Tor», fasste er sein wenig elegantes Erfolgsrezept einst zusammen. Die Hereingaben für seine Tore kommen von Rechtsverteidiger Manni Kaltz. Mit der Nationalmannschaft wird er 1980 Europameister und 1982 Vizeweltmeister.

Mit seiner Frau züchtet er Pferde

Daneben geht Hrubesch viel fischen und betreibt mit seiner Frau eine Pferdezucht. Keine filigranen Rennpferde. Sondern robuste Haflinger. Hrubesch, der Pferde- und Frauenflüsterer. 

Es ist diesem bodenständigen Mann zu wünschen, dass er im Sommer mit seiner Mannschaft hochfliegt und der olympische Himmel nicht besetzt ist. Sollte in Frankreich gar der ganz grosse Triumph gelingen, dann dürfte Hrubesch mit Tränen in den Augen nochmals sein berühmtestes Zitat aus der Schublade holen: «Ich sage nur ein Wort: vielen Dank!»

Danach will er sich wieder auf seinen Job als Nachwuchschef beim HSV konzentrieren. Wahrscheinlich so lange, bis es wieder kriselt. Und man den Horst anruft. Quadratisch, praktisch, gut!

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