… und er will in die Super League
Dieser Schweizer trainiert die Nati von Barbados

Nationaltrainer mit Schweizer Pass? Vladimir Pektovic coacht die Nati, Bernard Challandes den Kosovo – und Ahmed Mohamed Barbados. Ahmed wer? Gehts nach ihm, hat er bald auch in der Schweiz einen Namen.
Publiziert: 14.06.2018 um 23:35 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2018 um 19:57 Uhr
Michael Schifferle

Wir denken an saphirblaues Meer, Sandstrand, Rum. Oder Robyn Rihanna Fenty, kurz: Rihanna. Ein singender Weltstar, 190 Millionen verkaufte Tonträger, Welthits wie «Umbrella». Und berühmtester Export von Barbados, der Insel mit 100 000 Einwohnern in den Kleinen Antillen, die für vieles steht. Aber für eines sicher nicht: Fussball.

Ahmed Mohamed sagt: «Sie hat in Sachen Musik das gewisse Etwas, das mir fehlt.» Mohamed lacht. Muss er auch nicht. Denn er hat, was vielen auf der Insel fehlt: Fussballverstand! Seit April 2017 ist Ahmed Mohamed Nationaltrainer von Barbados, der Nummer 160 der Fifa-Weltrangliste, direkt hinter Neukaledonien, Puerto Rico und Mauritius. Und will die Inselkicker nicht nur in der Weltrangliste nach vorne peitschen – sondern auch erstmals an den CONCACAF-Cup führen, das wichtigste Nationenturnier in Nord- und Mittelamerika.

Rihanna singe besser als er, meint Ahmed Mohamed.
Foto: AFP

Ahmed wer? Thun-Trainer Marc Schneider kennt ihn, oder Ex-YB-Kicker Mario Raimondi. Mit ihnen spielte er im Nachwuchs des FC Thun. 37-jährig ist er nun, geboren wurde er in Somalia. Mit 12 kommt er in die Schweiz, tingelt nach der Zeit im Thuner Nachwuchs durch untere Ligen. Mehr als 3. Liga ist nicht drin. Nicht weil er kein Talent hätte, sagt er. «Ich war zu faul.»

Ahmed Mohamed trainiert die Nationalmannschaft von Barbados.
Foto: zvg
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Die Faulheit, die ihn als Spieler an Grösserem hinderte, treibt er seinen Kickern aus. Erfolgreich arbeitet er als Nachwuchstrainer, bis ihn Hansruedi Hasler in den YB-Nachwuchs, um die U12 zu trainieren. «Er wollte mich unbedingt.»Mohamed lacht oft an diesem Sonntagmorgen, kurz bevor er den Flieger am Flughafen Zürich besteigt. In 24 Stunden trifft er in Bridgetown ein, nach Zwischenlandungen in New York und Miami. Manchmal fliegt er über Frankfurt und Trinidad Also: Warum denn nun ist er, der somalisch-schweizerische Bürger, der in breitem Berndeutsch plaudert, Nationaltrainer und Technischer Direktor auf Barbados?

Mohamed schwärmt von seinen Spielern – sie seien höchst diszipliniert.
Foto: zvg

Es ist eine Reihe von Zufällen. An einem Fifa-Turnier in Zürich lernt er Vertreter des somalischen Verbands kennen. Ein Mann mit somalischen Wurzeln, Handelsschule und Trainer-B-Diplom? Interessant. Er wird Berater des Zentral- und Ostafrikanischen Fussballverbands. Und reist für diesen an Kongresse und Weiterbildungen. Bald hat es auch da geheissen: «Wer ist der junge Mann?» Bald erreicht den mehrsprachigen, jovialen Typen aus der Schweiz ein Angebot, Nationaltrainer der Amerikanischen Jungfern-Inseln zu werden. Er nimmt es an. «Wann hast du schon die Chance Nati-Trainer zu werden?»

Die Erfahrung ist unbezahlbar. Plötzlich trifft er am Karibik-Cup auf Curaçao, wo der gegnerische Trainer Patrick Kluivert heisst und ein Weltstar war, in Barcelona und Amsterdam. «Ein cooler Typ.»
Allerdings stösst sich Mohamed schnell an Eigenarten: Nachts ausgehen? Unmöglich! Zu gefährlich ist das Land. Spieler, die pünktlich sind und nicht unablässig über Prämien reden? Schwer vorstellbar.

Der Verband bemühe sich um professionelle Strukturen, so Mohamed.
Foto: zvg

Und die Bosse erst – unprofessionell sind sie! «Ihnen gings nur ums Geld.» Vor einem Pflichtspiel reist die Mannschaft in der Nacht vor dem Spiel an, so kann der Verband ein paar Dollar sparen. Die Spieler sind übermüdet. Mohamed: «Fürchterlich!»

Und mal organisiert der Chef zwei Testspiele – innert 24 Stunden. Mohamed wütet und schleudert ihm entgegen: «Renn du doch zweimal 90 Minuten, du Experte!» Ein Glück, dass ihn da bereits der Präsident von Barbados umgarnt! Die Insel mag Urlaubsfantasien anregen – die Peitsche schwingen muss Mohamed hier nicht. Höchst diszipliniert sind die Spieler. Sicher ist das Land. Und der Verband müht sich um professionelle Strukturen.

Und Mohamed hat ein gutes Leben in der Haupststadt Bridgetown: Haus, Handy, Auto – alles bezahlt. Präsident Randy Harris sei charakterlich einwandfrei – und nicht korrupt. «Er hat mit Politik nichts zu tun. Es geht um Sport.»

Mohamed lässt er gewähren. Ein Lizenzierungssystem, Trainingspätze werden gebaut und Stützpunkte für Junioren aufgezogen, damit diese das ganze Jahr Wettkämpfe bestreiten können – und nicht nur sieben Mätschli von Februar bis Mai. «Es tut sich was!», sagt Mohamed.

Könnte für Barbados kicken – Huddersfield-Spieler Tom Ince.
Foto: REUTERS

Damit dies auch für sein A-Team gilt, das noch nie an einer Fifa-Endrunde teilnahm, will er Doppelbürger rekrutieren. Die Namen, an die er denkt? Nick Blackman von Maccabi Tel Aviv, Mason Bennett von Derby County, Tyrone Mings von Bournemouth oder Tom Ince von Huddersfield. Dessen Vater? England-Legende Paul Ince. «Wir wollen mit den Nordamerikanern mithalten können.»

Und für angehende Trainer baut er ein Ausbildungsdepartement auf. Sein Knowhow vergrössert er an Instruktorenkursen der Fifa. Höhere Trainerkurse hat er nicht absolviert, weil er keine Zeit gehabt habe.

Gedanken hat er sich auch zur Trainerausbildung in der Schweiz gemacht. «Ich würde Leute einbinden, die den Fussball auf höchster Ebene erlebt haben. Christian Gross, Lucien Favre, Marcel Koller – sie wären perfekte Ausbilder.» Gut sei die Ausbildung dennoch.
Und ohnehin sieht sich Mohamed auf Dauer in einem anderen Job: in dem des Sportchefs. «Da kannst du von höherer Stelle etwas bewirken.» Sportlich und dank der Aufbauarbeit als Nati-Trainer fühle er sich dem gewachsen. «Auch in der Super oder der Challenge League.»

Im Falle einer Trainerausbildung in der Schweiz würde Mohamed erfahrene Berufskollegen wie Lucien Favre einbinden wollen.
Foto: KEY

Und der Familie näher wäre er dann auch, seiner Frau und den Kindern. Der Sohn ist sieben, das Töchterchen vier. Sie leben in Bern. Weit weg vom Papa, der sein Team derzeit auf ein Spiel gegen Belize vorbereitet – ein Test im Hinblick auf die Partie in der Quali für den Concacaf-Cup im September gegen Guyana.

Ein Sieg, und die Chance steigt, dass man dereinst Barbados auch mit Fussball in Verbindung bringt. Und nicht vor allem mit Rihanna.

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