Trainer Dragan Stojkovic holt die Serben vom hohen Ross
«Waren wir je Welt- oder Europameister?»

Serbien ist unter Dragan Stojkovic zu einer Fussball-Weltmacht geworden. Mit dem 3:3 gegen Kamerun gabs den ersten kleinen Rückschlag. Und schon drehen Fans und Experten im roten Bereich.
Publiziert: 02.12.2022 um 13:37 Uhr
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Alain KunzReporter Fussball

Er wirkt locker, cool, souverän. Am Tag vor dem Spiel der Spiele. Vor dem Finalspiel in der Gruppe G, von dem alle wussten oder mindestens erahnten, dass es so sein würde. Auch Dragan Stojkovic (57), der Coach der Serben. Schweiz vs. Serbien. Wie 2018. Wie in Russland heisst es: Es kann nur einen geben. Damals wars die Schweiz. 2022?

Serbien hat nur ein relevantes Spiel verloren: gegen Brasilien

Wir haben gute Argumente. Serbien auch, seit der Mann aus Nis das Zepter übernommen hat. Das war im März 2021. Unter ihm ist das Land, das mit 6,8 Millionen Einwohnern rund zwei Millionen weniger hat als die Schweiz, von der B- in die A-Gruppe der Nations League aufgestiegen, hat die WM-Qualifikation ohne eine einzige Niederlage geschafft und Portugal in die Barrage geschickt. Wie die Schweiz Italien. Und in dieser Ära gabs gerade mal vier Niederlagen. Wobei nur eine von Belang war: jene gegen Brasilien am ersten WM-Spieltag.

«Erwartet ihr, dass wir alle wegputzen?»

Doch dieses 0:2 und dann das dämliche 3:3 gegen Kamerun in Katar reichten bereits für heftigste Reaktionen in der Heimat. So kritisierte Ex-Bremen-Profi Rade Bogdanovic, Studiogast bei RTS: «Ein schlechteres Coaching habe ich an einem grossen Turnier noch nie gesehen!» Stojkovic beteuert zwar, dass ihn das nicht interessiere und er keine Zeitungen lese. Und doch redete er sich deswegen dezent in Rage: «Was erwartet ihr denn? Dass wir Brasilien, Kamerun und die Schweiz einfach so wegputzen? Es gibt auch andere Nationen, die Fussballspielen können. Was hat Serbien bisher gewonnen? Sind wir Welt- und Europameister? Haben wir je an einem grossen Turnier einen Halbfinal oder Final erreicht? Wir sind keine Roboter. Wir sind auch Menschen mit Emotionen. Wie die Fans. Aber die gehen immer gleich ins Extreme. Das ist nicht gut. Wir können uns ja immer noch qualifizieren. Wir haben alles dafür. Talent, Willen, Mentalität. Legen wir den Fokus darauf.»

Serbiens Trainer Dragan Stojkovic zeigte sich am Vortag des Finalspiels gegen die Schweiz jovial.
Foto: AFP
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Wagt Stojkovic den offensiven Wahnsinn?

Und dieses Ziel, so die Volksmeinung, solle endlich mit der bestmöglichen Mannschaft erreicht werden. Also mit Dusan Vlahovic, dem 75-Millionen-Mann von Juventus Turin. Und Fiorentina-Stürmer Luka Jovic, der zuvor bei Real Madrid spielte. Stojkovic: «Wir werden sehen, ob wir mit einem, zwei oder drei Stürmern spielen. Alle Optionen sind offen.» Das hatte er so in Katar noch nie gesagt. «Vlahovic ist fit und viel besser als beim Einrücken, als er angeschlagen war.» Weshalb man davon ausgehen kann, dass er den Turiner von Beginn weg bringen wird. Allenfalls auch Jovic. «Alle sind einsatzbereit», sagt Stojkovic. Die Marschrichtung ist klar: «Wir werden nach vorne spielen, denn wir brauchen einen Sieg. Und um den zu holen, muss man offensiv sein. Man kann ja schlecht auf ein Eigentor des Gegners hoffen.»

Präsident des Verbands und von Roter Stern

Erschüttern kann den Mann ohnehin nichts mehr. Nach seiner Aktivkarriere, die ihn von Roter Stern Belgrad zu Olympique Marseille führte, wo er die erste Champions-League-Ausgabe gewann, und nach kumuliert 93 Länderspielen, wurde er Präsident zuerst des jugoslawischen Fussballverbands und dann von Roter Stern. Da hat man schon sehr viel im Fussball gesehen … Entsprechend sagt «Piksi», so sein Übername: «Ich bin total relaxed und schlafe sehr gut. Schade, könnt Ihr nicht in unserem Hotel sein, um mitzuerleben, wie gut das dort läuft, wie gut die Atmosphäre ist.»

Leider aber verbiete das die Fifa. Man nimmt dem Mann diese Jovialität durchaus ab. Heute aber zwischen 20 und 22 Uhr wird sie anderen Tugenden weichen. Coolness hin oder her.

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