Pfadi Winterthur – Zagreb 1998
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Skandalspiel in Winterthur:Tumulte nach Spielschluss – Pfadi geht auf Schiri los

Handball-Skandal wird 25 Jahre alt
Russen-Schiris liessen Pfadis CL-Traum platzen

Warnungen per Telefonanruf, zwei russische Schiedsrichter unter Korruptions-Verdacht und ein Schweizer Versicherungs-Boss, der mit einer 100er-Note wedelt: Das Skandal-Spiel Pfadi Winterthur gegen Badel Zagreb vor 25 Jahren hatte alle Zutaten für einen guten Krimi.
Publiziert: 02.03.2023 um 11:03 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2023 um 11:46 Uhr
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Christian MüllerRedaktor Sport

Nie kam die Schweiz einem Champions-League-Sieg im Handball so nah wie vor 25 Jahren: Serienmeister Pfadi Winterthur hatte in den Vorjahren mit Heimsiegen gegen den THW Kiel und die damalige Übermannschaft des FC Barcelona seine Ambitionen bereits angemeldet. Nun soll mindestens der erstmalige Schritt in den Halbfinal gelingen.

Das Viertelfinal-Hinspiel beim Vorjahresfinalisten Badel Zagreb verliert Pfadi mit drei Toren, was angesichts der Heimstärke der Kroaten mit 12'000 heissblütigen Fans im Rücken für die Schweizer wie ein Sieg wirkt. «Wir waren besser und hätten wohl das Hinspiel schon gewinnen sollen», erinnert sich der heutige Nati-Trainer Michael Suter, der damals bei Pfadi am rechten Flügel spielt.

Das grosse Pfadi der 90er-Jahre

Von 1994 bis 1998 wird Pfadi Winterthur fünfmal in Serie Schweizermeister. Im Europacup gelingen Heimsiege gegen die damalige Übermannschaft des FC Barcelona (1996) oder den THW Kiel (1997). Die Mannschaft ist gespickt mit Schweizer Nationalspielern, die mit Platz 4 an der WM 1993 und der Quali für Olympia 1996 auch mit der Nati grosse Erfolge feiern.

Der grösste Star heisst aber Jae-won Kang. Der Welthandballer von 1989 spielt zehn Saisons in Winterthur. Auch dank seiner Sprungkraft ist der Linkshänder aus Südkorea in der Schweiz über die Handballszene hinaus bekannt. Finanziert werden die Pfadi-Höhenflüge von den Winterthur Versicherungen als Hauptsponsor. Deren CEO und Verwaltungsratspräsident Peter Spälti stand einst selbst im Pfadi-Tor.

Von 1994 bis 1998 wird Pfadi Winterthur fünfmal in Serie Schweizermeister. Im Europacup gelingen Heimsiege gegen die damalige Übermannschaft des FC Barcelona (1996) oder den THW Kiel (1997). Die Mannschaft ist gespickt mit Schweizer Nationalspielern, die mit Platz 4 an der WM 1993 und der Quali für Olympia 1996 auch mit der Nati grosse Erfolge feiern.

Der grösste Star heisst aber Jae-won Kang. Der Welthandballer von 1989 spielt zehn Saisons in Winterthur. Auch dank seiner Sprungkraft ist der Linkshänder aus Südkorea in der Schweiz über die Handballszene hinaus bekannt. Finanziert werden die Pfadi-Höhenflüge von den Winterthur Versicherungen als Hauptsponsor. Deren CEO und Verwaltungsratspräsident Peter Spälti stand einst selbst im Pfadi-Tor.

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Während Winterthur dem Rückspiel entgegenfiebert, gehen bei Pfadi zwei beunruhigende Anrufe ein: Vertreter des slowenischen Top-Klubs Celje und ein deutscher Schiedsrichter warnen, dass die beiden fürs Rückspiel angesetzten Unparteiischen, David Danelia und Michail Kiselew aus Russland, käuflich sind. «Wir Spieler haben von diesen Anrufen nichts mitbekommen», blickt der damalige Pfadi-Flügel Stefan Schärer zurück.

Pfadi-Star Chi-Hyo Cho (Nummer 14) bekommt im Skandal-Spiel gegen Zagreb von den russischen Schiedsrichtern die Rote Karte gezeigt.
Foto: Keystone
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Der Skandal im Rückspiel

Das Rückspiel am 28. Februar 1998 in der Winterthurer Eulachhalle wird dann zum grössten Skandal der Schweizer Handball-Geschichte. Zagreb setzt von Anfang an auf Härte. Schon im ersten Angriff wird Pfadi-Captain Roman Brunner von einer Hand im Gesicht getroffen. «Heute wäre so etwas direkt Rot. Damals war es noch üblich, einen Schlüsselspieler etwas zu testen», sagt Suter.

Die russischen Schiris lassen die Kroaten gewähren. Selbst für Attacken gegen den Hals von Pfadi-Superstar Jae-won Kang gibts anstelle einer Zeitstrafe nur einen Freiwurf. «Ich kann mich gut erinnern, wie ich mich nach einem Abpraller auf den Ball werfe und dafür von den Schiris zurückgepfiffen werde. Dabei wurde diese Regel Jahre zuvor abgeschafft», sagt Suter. Doch nicht nur die klaren Entscheidungen, sondern auch die 50:50-Pfiffe fallen mehrheitlich gegen Pfadi aus.

Acht Minuten vor Schluss führt Pfadi 21:20. Doch dann verlieren die Winterthurer das Spiel und die Nerven. Erst sieht Schärer wegen Reklamieren die Rote Karte. Dann feuert Pfadis Chi-hyo Cho den Ball über den sich duckenden Teamkollegen Kang in Richtung Schiedsrichter. Auch er sieht Rot. «Das hatten die beiden so abgesprochen. Ich habe unsere zwei Koreaner nie so wütend gesehen wie in jenem Spiel», sagt Schärer.

Mäzen winkt mit 100er-Note

Auch die Halle ist längst auf dem Siedepunkt. Aufgebrachte Zuschauer stürmen nach der 21:24-Niederlage das Feld, die Schiedsrichter müssen beim Verlassen der Halle von Sicherheitskräften geschützt werden. In Winterthur noch immer legendär ist eine Szene, wie Pfadi-Mäzen Peter Spälti als Zeichen der Bestechung mit einer 100er-Note in Richtung der beiden Russen wedelt. «Sobald er die Halle betrat, wurde aus dem Versicherungs-Boss Spälti der Handball-Fan Peter – mit all seinen Emotionen», sagt Schärer über den 2010 verstorbenen Spälti.

Pfadi-Trainer Morten Schönfeldt findet im TV-Interview nach dem Spiel deutliche Worte: «Mit solchen Schiris gehts nicht mehr um Handball. Da gehts nur noch darum, wie viel man zahlt. Da machen wir in Winterthur nicht mit.» Der Betrugsverdacht erhärtet sich einen Tag später: Bei Pfadi-Manager Ernst Liniger meldet sich ein Spieleragent aus Deutschland. Einer seiner Klienten und Spieler von Badel Zagreb soll die Schiri-Bestechung bestätigt haben.

Pfadis Protest wird vom europäischen Handballverband EHF aufgrund fehlender Beweise abgewiesen. Der Spieleragent und die Vertreter von Celje wollen als Zeugen nicht aussagen. «Uns ging es mit Protest darum, ein Zeichen zu setzen, was uns auch gelungen ist. Ich kann mich jedenfalls seither an keinen ähnlichen Fall erinnern», sagt Ex-Manager Liniger heute.

Zagreb stösst später bis in den Champions-League-Final vor, verliert diesen aber wieder gegen Barcelona. Immerhin moralisch bekommt Pfadi noch Recht: Die beiden russischen Schiris werden von einem bereits angesetzten EM-Qualispiel abgezogen und früher als geplant in den Ruhestand geschickt.

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