7 Fragen nach der goldenen EM
Ist Del Ponte jetzt besser als Kambundji?

Ajla Del Ponte sprintet in Polen zu Gold – aber was bedeutet das für Olympia? BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen nach der Hallen-EM.
Publiziert: 09.03.2021 um 19:19 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2021 um 16:25 Uhr
Emanuel Gisi

1. Ist Ajla Del Ponte jetzt besser als Mujinga Kambundji?

Das ist das Praktische im Sprint: Die Zeitmessung lügt nicht. Es gibt keine vergebenen Grosschancen und keine Schiedsrichter-Fehlentscheide, sondern nur die Frage: Wer war zuerst im Ziel? Darum ist die Antwort einfach: Nein, Del Ponte ist nicht besser als Kambundji, die mit einer Fussverletzung die Hallensaison verpasste. Im EM-Final von Torun egalisierte Del Ponte den Schweizer Hallen-Rekord der Bernerin über 60 m aus dem Jahr 2018. Der einzige Bestwert, mit dem die Tessinerin auf Augenhöhe mit der WM-Bronzemedaillengewinnerin von 2019 ist. Bis jetzt zumindest.

2. Was bedeutet der Titel für Del Pontes Saison?

Viel Gutes. «Es ist das erste Mal, dass sie Mitfavoritin ist», sagte Del Pontes Trainer Laurent Meuwly vor der Hallen-EM. Die grosse Frage: Wie würde die 24-Jährige mit dem Druck umgehen? Jetzt ist die Antwort da: stilsicher. Es gilt nun, die starken 60er-Zeiten in der Freiluft-Saison auch auf den 100-m-Sprint umzumünzen. Meuwly: «Wichtig ist, dass Ajla an den grössten Meetings teilnehmen kann, um sich auch mit den starken Amerikanerinnen und Jamaikanerinnen zu messen.»

3. Ist Del Ponte jetzt eine Olympia-Medaillenkandidatin?

Nein. Dafür müsste sehr viel passieren. Del Ponte ist die 100 m noch nie unter 11 Sekunden gelaufen – im Gegensatz zu Kambundji. Das muss 2021 das erste Ziel sein. Meuwly: «Wenn sie über 100 m durchziehen kann, was sie über 60 m angedeutet hat, kann sie 10,90 laufen.» Was dann möglich ist: die Quali für den Olympia-Final. Und dann wäre sie schneller als Kambundji, die derzeit mit 10,95 den Schweizer Rekord hält.

Ajla Del Ponte holt an der Hallen-EM in Polen Gold über 60 m.
Foto: keystone-sda.ch
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4. Was bedeutet Del Pontes Leistungssprung für die Staffel?

«Das ist eine weitere gute Nachricht für uns», sagt Raphaël Monachon, Trainer der 4x100-m-Staffel der Frauen. An der WM 2019 schnupperte das Quartett mit Kambundji, Del Ponte, Salomé Kora und Sara Atcho als Vierter an einer Medaille. Reicht es nun dank Del Ponte für einen weiteren Sprung nach vorne? «Es ist schwierig zu sagen, was uns das zeitlich konkret bringt. Aber wir wollen natürlich einen Schritt nach vorne machen.» Für den Staffel-Coach besonders wertvoll: «Die Dichte, die wir im Sprint mittlerweile haben.» Mehrere Athletinnen mussten trotz erfüllter EM-Limite zu Hause bleiben, weil das Schweizer Kontingent schon ausgeschöpft war.

5. Apropos Kambundji. Mujingas jüngste Schwester Ditaji war über
60 m Hürden die beste EM-Schweizerin. Was ist von ihr zu erwarten?

«Sie lernt im Moment viel dazu», sagt Monachon, der beim Verband auch die Hürdensprinter betreut. Die 18-Jährige setzt erst seit einem Jahr voll auf die Hürden, «entsprechend hat sie technisch noch viel Verbesserungspotenzial. Sie lernt jedesmal etwas Neues – und so eine EM-Erfahrung ist für sie sehr wertvoll». Kambundji profitiert zudem von der Dichte im Schweizer Frauen-Team, das mit Noemi Zbären und Selina von Jackowski zu dritt in Polen auflief. Kambundjis Fokus gilt in dieser Saison hauptsächlich der U20- und U23-EM im Sommer.

6. Was ist eigentlich mit den Sprint-Männern los?

Die befinden sich nicht gerade im Winterschlaf, lassen es aber doch bedeutend ruhiger angehen. Alex Wilson (30) ist nach einer Hüft-OP im Aufbautraining, Silvan Wicki (26) sagte für die Hallen-EM angeschlagen ab. Und Hürdensprinter Jason Joseph (22) ist bis April in Florida bei Sprint-Guru Rana Reider im Trainingslager.

7. Angelica Mosers Goldmedaille kam überraschend. Kann sie dieses Niveau halten?

Nichts spricht dagegen. Die Zürcherin rief nach komplizierten letzten Jahren und mehreren Nachwuchstiteln ihr enormes Potenzial erstmals bei den Aktiven im grossen Stil ab. Und mit der Olympia-Quali in der Tasche kann sie sich nun voll auf den Saisonhöhepunkt in Tokio konzentrieren.

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