Leichtathletik-WM ohne Bolt
Welcher Star übernimmt jetzt die Show?

Mit 100-m-Bronze nach elf davorliegenden WM-Titeln hat Usain Bolt vor zwei Jahren in London den Leichtathletik-Thron geräumt. Gibt es in Doha einen neuen König? BLICK schaut in die Sterne.
Publiziert: 27.09.2019 um 01:32 Uhr
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Aktualisiert: 25.08.2020 um 10:13 Uhr

Die Leichtathletik sucht einen neuen Superstar. Eine Lichtfigur über den Rand der Laufbahn hinaus, wie das der heute 33-jährige Jamaika-Blitz Usain Bolt zehn Jahre lang war. Doch ist eine solche Ausnahme-Erscheinung bei den am Freitag beginnenden Weltmeisterschaften in Doha (Kat) überhaupt in Sicht?

Es reicht nicht, während der kommenden zehn Tage im Khalifa International Stadium einfach Gold zu holen. Für Bolts Fussstapfen braucht es mehr. Viel mehr.

Die Kandidaten

Wieso soll es keine Frau sein, die auf Usain folgt? Das wäre doch zeitgemäss – im muslimischen Katar gar revolutionär. Die 23-jährige Britin Dina Asher-Smith wäre sich das erst noch gewohnt, schliesslich trägt mit Queen Elizabeth II in ihrer Heimat auch eine Frau die Krone. Was also, wenn Asher-Smith nach ihrem letztjährigen EM-Beutezug von Berlin mit Gold über 100 m, 200 m und mit der Staffel jetzt am Rand der arabischen Wüste noch einen draufsetzt und den US-Amerikanerinnen und Jamaikanerinnen die jahrelange Herrschaft im Frauen-Sprint entreisst?

Wer bietet Unterhaltung an der Leichtathletik-WM?
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Eine dunkelhäutige junge Frau, die schon mal vom Cover der britischen Mode-Zeitschrift «Elle» lacht, die sich öffentlich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzt, die neben ultra-schnellen Beinen auch einen Abschluss des Geschichts-Studiums ihr Eigen nennt. Und die sich nicht bloss in Sport-Klamotten wohl fühlt, sondern sich gerne auch von Designern einkleiden lässt.

Dina Asher-Smith – das wäre sportliche Extraklasse, vereint mit Intelligenz und Glamour.

Oder wird es Karsten Warholm, der obercoole 400-m-Hürden-Überflieger aus Norwegen? Ende August bei «Weltklasse» im Letzigrund hat es der 23-Jährige mit der zweitschnellsten je gelaufenen Zeit von 46,92 Sekunden noch bei einem Weltrekord-Streifschuss belassen. Bei dieser WM kommt es auf der Hürden-Bahnrunde zum erstmaligen Showdown des Trio-Grande. Der einheimische Abderrahman Samba, gegen den US-Turbo Ray Benjamin und ebendiesen Karsten Warholm. Es wird vielleicht das Highlight der gesamten Titelkämpfe.

Warholm, der kämpferische Wikinger hat übrigens die Ehrenrunde in Doha bereits angekündigt: Nach den 400 m Hürden startet er auch über 400 m flach – und bekommt es dort erneut mit Samba zu tun.

Von wegen Bolt-Nachfolger – der Jamaika-Blitz hatte einst den Bogenschützen bei seinen Stadion-Auftritten zum Markenzeichen gemacht. Warholm hält mit dem Urschrei vor dem Start und Liegestützen nach dem Rennen im Ziel dagegen.

Und da wäre auch Noah Lyles. Mit 22 Lenzen sogar noch ein Jahr jünger als seine Konkurrenten um die Bolt-Nachfolge, Asher-Smith und Warholm. Mit 19,50 Sekunden ist der Ami Lyles bereits der schnellste 200-m-Tänzer der Gegenwart. Seit «Weltklasse Zürich» weiss man auch, dass Noah nicht nur aussergewöhnlich «zappelig» auf den Sprintstrecken ist. Sein professioneller Rap in Letzigrund mit der Band Baba Shrimps beweist, dass Lyles nicht auf den Mund gefallen ist. Ein geborener Entertainer, wie das auch Usain Bolt einst war.

Oder kommt der neue Superstar der Welt-Leichtathletik in Doha vielleicht sogar geflogen? Nach dem Beispiel von Mike Powell 1991 in Tokio, als der Ami mit 8,95 m im Weitsprung nach 23 Jahren Bob Beamen den Sensations-Weltrekord von Olympia 1968 in Mexiko um fünf Zentimeter entriss. Oder bei der WM 1995 in Göteborg, als Jonathan Edwards (Gb) im Dreisprung-Final gleich zweimal den Weltrekord auf heute noch gültige 18,29 m verbesserte.

Es sind ein Frauen-Duo und ein Mann, die aktuell mit Sprung-Federn in den Beinen gegen den Leichtathletik-Himmel abheben: Die Russin Maria Lasizkjene hat den ebenfalls bei Weltmeisterschaften erzielten Hochsprung-Weltrekord schon länger im Visier. Die 2,09 m von Stefka Kostadinova bei der WM 1987 in Rom. Im Dreisprung kommt der neue Stern aus einem Land mit wenig Leichtathletik-Tradition: Yulimar Rojas aus Venezuela ist nicht bloss wegen ihrer kürzlich gesprungenen 15,41 m – 9 cm am 24-jährigen Weltrekord von Inessa Krawets vorbei – eine Wucht. Ihre blondgefärbte Kurzhaar-Frisur und die stattliche Grösse von 1,92 m mit unendlich langen Beinen macht sie in jedem Stadion unübersehbar.

Ladies first – jetzt kommt ein Mann! Armand «Mondo» Duplantis. Als der in den USA lebende 19-jährige Schwede letztes Jahr bei der EM in Berlin erstmals so richtig ins internationale Rampenlicht tritt, schlägt er gleich ein wie eine Bombe. Mit 6,05 m holt er nicht nur EM-Gold, sondern ist mit seinem jungen Alter unter den erfahrenen Stabhochsprung-Cracks auch gleich der kaltblütigste Gambler.

Warum nicht Duplantis in der Rolle des Bolt-Nachfolgers? Ein Stabhochspringer als Lichtfigur. Das hat es doch auch schon gegeben – mit Sputnik Sergei Bubka oder Überfliegerin Jelena Isinbajewa.

Wir sind also gespannt, was uns Doha bringt.

Die Schweizer an der WM in Doha: Alex Wilson (100 Meter/200 Meter).
Foto: keystone-sda.ch
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Weitere Kuriositäten zur Leichtathletik-WM

Der Oldie

Jesus Angel Garcia (49)

Als Garcia 1993 erstmals an einer WM teilnahm, war Mujinga Kambundji gerade mal ein Jahr alt. Jetzt startet der spanische Geher bereits zu seinen 13. Welttitelkämpfen. Seine letzte Medaille liegt allerdings schon ein paar Jahre zurück: 2009 holte er in Berlin über 50 km WM-Silber.

Der Ex-Verkäufer

Altobeli da Silva (28)

Dass der Brasilianer, der nach dem Fussballer Alessandro Altobelli benannt wurde, in Doha startet, ist ein Wunder. Früher verteilte er für einen Supermarkt Prospekte. Der Legende nach soll er an einem 10-km-Lauf teilgenommen haben, um ein Mofa zu gewinnen und beim Austeilen Zeit zu sparen. Gewonnen hat er nicht, dafür aber seine Lauf-Leidenschaft. In Doha startet er über 5000 m.

Das Kriegsopfer

Majd Eddin Ghazal (32)

Der Syrer Ghazal trainierte in den letzten Jahren trotz des Krieges stets in seiner Heimat Damaskus. Dass dies gefährlich ist, zeigte sich 2012, als ein Geschoss neben dem Trainingsgelände explodierte. In Doha ist der Hochspringer Aussenseiter im Medaillenkampf. 2017 in London gewann er WM-Bronze.

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