Ludmila Engquist gewinnt Olympiagold in Atlanta 1996
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Über 110 m Hürden:Ludmila Engquist gewinnt Olympiagold in Atlanta 1996

Medaillen, Doping und Krebs
Der tiefe Fall von Leichtathletin Engquist

Ludmila Engquist hat in ihrem Leben viele Erfolge gefeiert. Die einstige Weltklasse-Leichtathletin ist aber auch tief gefallen. Nun blickt sie auf ihr bewegtes Leben zurück. Und veröffentlicht eine Biografie.
Publiziert: 12.09.2024 um 16:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2024 um 16:42 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Ludmila Engquist blickt in ihrer Biografie auf ihr Leben zurück
  • Die Schwedin gibt zu, dass sie die Leichtathletik nie geliebt hat
  • Zudem offenbart die Hürden-Olympiasiegerin sexuellen Missbrauch
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ramona BieriRedaktorin Sport

«Ich habe die Leichtathletik nie geliebt», schreibt die ehemalige Hürdenläuferin Ludmila Engquist (60) in ihrer Biografie «Ludmila – Svenskare kan ingen vara». Nicht nur mit dieser Aussage lässt sie tief blicken.

Ihr Leben ist geprägt von Höhen und Tiefen – privat wie sportlich. In ihrem Buch offenbart sie etwa, wie schwer ihre Kindheit war. In der Sowjetunion als Ludmila Leonowa geboren, erlebt sie früh Gewalt. Wenn ihr Vater betrunken ist, schlägt er ihre Mutter. Auch sie selber erfährt Gewalt – von einem 14-jährigen Jungen. Er vergewaltigt Engquist mehrfach, als sie gerade mal fünf Jahre alt ist. Bevor er anfängt, drückt er ihr eine Münze in die Hand, erinnert sie sich. «Er brauchte mich nicht zu halten. Ich lag ganz still und ballte meine Hand fest um die Kupfermünze, als es anfing, weh zu tun.» Davon erzählt hat Engquist niemandem, zu sehr wird sie von dem Jungen eingeschüchtert. Später wird sie auch von ihrem Trainer missbraucht.

Ein Leichtathletik-Coach entdeckt ihr Talent. Mit 15 Jahren zieht Engquist von zu Hause aus, lernt den zehn Jahre älteren Trainer Nikolaj Naroschilenko kennen und lieben. Drei Jahre später heiratet sie ihn und wird Mutter einer Tochter. Dem Sport kehrt sie den Rücken trotzdem nicht. Denn der Sport beschert ihr ein besseres Leben. «Der Wettkampf war immer ein Mittel, der Weg, der für mich existierte, um aus schwierigen privaten Umständen heraus voranzukommen.» Als sie 1989 an der Hallen-WM über 60 Meter Hürden Silber gewinnt, wird ihre Familie mit einer neuen Wohnung belohnt.

Ludmila Engquist blickt in ihrer Biografie auf ihr Leben zurück.
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Doping durch Ehemann?

Für Engquist ist es die erste von vielen Medaillen. Zwei Jahre später holt sie ihren ersten WM-Titel. Auf den Jubel folgt das erste Tief. 1993 wird die Leichtathletin positiv getestet und wegen Dopings für vier Jahre gesperrt. «Mein russischer Mann hat mir aus Eifersucht Dopingmittel ins Essen gemixt», stellt sie sich selber als Opfer dar. Nach zwei Jahren wird Engquist begnadigt und darf wieder starten. Sie trennt sich von ihrem Mann und flüchtet mit der gemeinsamen Tochter nach Schweden.

Der Grund: ihr Manager Johan Engquist. Er wird zu ihrem zweiten Ehemann, sie erlangt rechtzeitig vor den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta die schwedische Staatsbürgerschaft. Und wird zur neuen Heldin des Landes. Mit Gold über 100 m Hürden kehrt sie aus den USA zurück.

Doch dann folgt der gesundheitliche Schock. Im April 1999 erhält Engquist die Diagnose Brustkrebs. OP und Chemo sind nötig, sie bricht die Therapie allerdings ab und holt nur wenige Monate nach der Diagnose WM-Bronze. Aus der sportlichen Heldin wird auch ein Vorbild für andere Lebenslagen. Dass sie diesen Status inzwischen wieder verloren hat, daran ist Engquist selber schuld. Nachdem sie von einer Knöchelverletzung zum Rücktritt gezwungen wird, will sie 2002 als Bobpilotin eine Olympiamedaille gewinnen. Und greift absichtlich zu Doping.

Bobsport als Albtraum

Ein halbes Jahr vor den Spielen wird sie positiv getestet. Unter Tränen gesteht sie und beendet ihre Karriere. «Ich habe das Bobfahren gehasst», gibt Engquist in ihrer Biografie zu. «Es war ein absoluter Albtraum. Ständige Beschwerden, vor, während und nach dem Training – Tag und Nacht.» Im Doping hat sie den einzigen Ausweg gesehen, diesen Qualen zu entkommen.

Nach der erneuten Dopingüberführung zieht sich Engquist aus der Öffentlichkeit zurück. Heute lebt sie getrennt von ihrem zweiten Ehemann in Spanien. Mit ihrer Biografie will sie ihre Geschichte noch einmal erzählen. Und scheinbar damit abschliessen. Denn ihr Buch endet mit einer Art Abschied vom Leben. Engquist hat Krebs, und die Ärzte wissen nicht, wie lange sie noch zu leben hat.

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