Werner Günthörs Frau litt an Krebs
«Nadjas Erkrankung hat unsere Liebe noch stärker gemacht»

Ab dem 26. Juli wird um Medaillen gekämpft. Dann packt auch Kugel-Werni wieder das Olympiafieber. Er ist der letzte Schweizer Leichtathlet, der eine Olympia-Medaille gewonnen hat. Gattin Nadja wird ebenfalls mit Begeisterung zuschauen.
Publiziert: 11.07.2024 um 14:56 Uhr
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Aktualisiert: 11.07.2024 um 17:10 Uhr
Thomas Wälti, GlücksPost
Glückspost

«Die Eröffnungsfeier in Paris wird bei mir Gänsehaut auslösen – und Erinnerungen wecken», prophezeit Werner Günthör (63). Die Schweizer Kugelstosslegende freut sich schon jetzt auf den aussergewöhnlichen Einmarsch der 10'500 Athletinnen und Athleten am 26. Juli in Frankreichs Hauptstadt. Zum ersten Mal in der Geschichte sollen die Olympioniken nicht in einem Stadion begrüsst werden, sondern in Booten auf der Seine. Kugel-Werni sitzt dannzumal mit seiner Frau Nadja (59) daheim vor dem Fernseher, in einem Einfamilienhaus-Quartier in Erlach BE, direkt am Bielersee. «Grillen, chillen und Olympia schauen – das nenne ich Lebensqualität», sagt der Zwei-Meter-Riese mit sanfter Stimme beim Treffen mit der GlücksPost.

Werner Günthör hat dreimal an Olympischen Sommerspielen teilgenommen. An der Schlussfeier in Barcelona 1992 trug er die Schweizer Fahne. «Stärkere Emotionen als diese Zeremonien kann nur der Gewinn einer Medaille auslösen. Als ich in Seoul auf dem Podest stand, hat es mich durchgeschüttelt», sagt der Olympia-Dritte von 1988 (21,99 m). Der Thurgauer ist der letzte Schweizer Leichtathlet, der eine Olympia-Medaille gewonnen hat. Das ist nun 36 Jahre her.

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Der dreifache Kugelstoss-Weltmeister (1987, 1991 und 1993) kann sich vorstellen, dass die Abgesandten von Swiss Athletics in Paris mit beherzten Auftritten in Medaillennähe kommen. Stabhochspringerin Angelica Moser (26), Hürdenläuferin Ditaji Kambundji (22) und Siebenkämpferin Annik Kälin (24) traut er zu, mit einem Exploit, sprich neuem Schweizer Rekord, aufs Podest zu steigen.

Werner Günthör hat heute noch Gänsehaut, wenn er an die Olympischen Spiele denkt.
Foto: Daniel Kellenberger
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Es grenzte fast an Sabotage

Seine grösste Enttäuschung erlebt Werner Günthör an den Olympischen Sommerspielen 1992. Er reist als Favorit nach Barcelona. Viele halten ihn für fähig, erstmals für die Schweizer Leichtathletik eine Olympia-Goldmedaille zu gewinnen. Er wird Vierter. Die Vorbereitung gerät zum Desaster: Der Buschauffeur verfährt sich auf dem Weg ins Stadion. «Das Ganze grenzte schon fast an Sabotage. Ich schaffte es gerade noch an den Wettkampf. Mir blieben nur 20 Minuten und zwei Versuche beim Einstossen», erzählt der Leidgeplagte. Um anzufügen: «Ich war nicht in der Lage, diese Störfaktoren auszublenden. Ich konnte meinen Tunnelblick nie schärfen.» Nadja Günthör hört aufmerksam zu, dann sagt sie: «Die Enttäuschung von Barcelona hat unsere Beziehung gestärkt. Uns wurde bewusst, dass es im Leben auch solche Phasen zu meistern gilt.»

Nach dem Rücktritt 1993 erwirbt Werner Günthör das Diplom zum Sportlehrer und Spitzensporttrainer von Swiss Olympic. Heute bildet der dreimalige Schweizer Sportler des Jahres beim Bundesamt für Sport (Baspo) Sportlehrer in der Leichtathletik aus. In Magglingen fungiert er auch als Gästeführer und organisiert Kundenanlässe.

Elf internationale Medaillen, 19 Schweizermeistertitel und 20 Rekorde haben Ruhm und Ehre gebracht. So gibt es seit 1987 in Uttwil TG, wo der erfolgreichste Schweizer Leichtathlet der Geschichte aufgewachsen ist, eine Werner-Günthör-Strasse. Die Post der Republik Mauretanien druckte Günthörs Konterfei 1988 auf eine Sonderbriefmarke. Auf die Frage, weshalb das afrikanische Land ihm die Briefmarke gewidmet habe, antwortet Werner Günthör: «Weil ich so schön bin!» Um nachzuschieben, dass er den Hintergrund dieser Anerkennung nicht kenne. «Es macht mich aber schon stolz, dass ich diese Auszeichnungen erhalten habe», sagt der Wahl-Berner.

Noch immer in der Weltbestenliste

Und ja: Werner Günthör figuriert in der Weltbestenliste mit 22,75 Metern nach wie vor in den Top 10. Nur acht Athleten stiessen die 7,257 Kilogramm schwere Kugel bis heute weiter als Günthör am 23. August 1988 bei seinem Schweizer Rekord in Bern. Den Weltrekord hält Ryan Crouser (31, USA) mit 23,56 Metern.

Seit 31 Jahren sind Nadja und Werner Günthör verheiratet. Das Geheimnis ihrer glücklichen Ehe? «Wir sind tolerant und vertrauensvoll, pflegen einen respektvollen Umgang miteinander und lassen uns genügend Freiraum», sagt die SVP-Grossrätin. «Die gemeinsamen Hobbys helfen auch, die Beziehung frisch zu halten», wirft Werner Günthör mit einem Schmunzeln ein. Beide machen gerne Motorradausflüge – die ehemalige Coiffeuse, die später das Projektmanagement- und Coaching-Diplom erworben hat, auf einer Honda CB 1000 R; der gelernte Sanitärinstallateur auf einer Geländemaschine Yamaha Ténéré 700. «Wenn wir durch den französischen Jura fahren, wo weit und breit kein Haus auftaucht, wo wir niemanden stören und wo wir die Natur riechen können, ja, dann geniessen wir die pure Freiheit», sagt der Motorrad-Freak. Aber auch Politik am Familientisch, Velo fahren oder Spielabende mit Freunden gehören zu Nadja und Werner Günthörs Freizeitvergnügen.

2010 erkrankt Nadja Günthör an Brustkrebs. Dieser Schicksalsschlag macht Werner Günthör, diesem sanftmütigen Riesen, enorm zu schaffen: «Ich bin völlig hilflos gewesen, urplötzlich haben sich meine Prioritäten verschoben. Und obwohl ich mir im Spitzensport eine hohe Resilienz angeeignet hatte, hat mir das gar nichts geholfen. Es war vielmehr Nadja, die mich mit ihrem grenzenlosen Optimismus erstaunte und ein ums andere Mal aufbaute. Ihre Erkrankung hat unsere Liebe noch stärker gemacht.»

Zum Glück gehe es ihr heute wieder gut. «So abgedroschen es tönen mag: Zeit heilt Wunden. Wir haben diesen Vorfall aus unserem Gedächtnis gestrichen.» Nadja Günthör ergänzt: «Ich geniesse mein Leben jeden Tag.»

Signierte Gitarre ersteigert

Ein Lebenstraum von Nadja und Werner Günthör ist ein ausgedehnter Aufenthalt in Australien. «So zwei, drei Monate dürften es schon sein», sagt das immer noch fitte Kraftpaket, das im Vergleich zum Wettkampfgewicht (135 Kilo) fünf Kilogramm leichter geworden ist. «Das Wichtigste sind ohnehin die Gesundheit und die Lebensfreude.» Nach der Pensionierung möchte Günthör Gitarre spielen lernen. Das Instrument hat er bereits gekauft respektive ersteigert. «Anlässlich einer FC-Thun-Night habe ich die signierte Gitarre von Stephan Eicher für 1000 Franken erwerben können.»

Werner Günthör wird dereinst im stillen Kämmerlein, also ganz ohne «Hemmige», in die Gitarre greifen. Vermutlich hat er ein nächstes Ziel vor Augen – den Evergreen seiner Lieblingsband Pink Floyd: «The Dark Side of the Moon».

Wir wünschen uns für Paris 2024, dass es die Gegner der Schweizer Olympioniken sein werden, die uns am liebsten auf den Mond schiessen werden.

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