Mentale Gesundheit im Spitzensport
Psychologin fordert Verbände zum Handeln auf

BMX-Star Nikita Ducarroz ist eine von wenigen aktiven Athletinnen, die offen über ihre angeschlagene mentale Gesundheit spricht. Sie ist überzeugt – die Verbände könnten ihre Athleten viel stärker unterstützen. Mit dieser Meinung ist sie nicht allein.
Publiziert: 28.06.2023 um 14:00 Uhr
Nina Köpfer

Volkskrankheit Nummer eins: Depressionen und Angststörungen. Fast jede fünfte Person hierzulande ist im Verlauf ihres Lebens davon betroffen. Manche nur kurz, andere stürzen monatelang in ein dunkles Loch. Auch Spitzensportlerinnen sind davor nicht gefeit. Das zeigt eine Studie der eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen BE. Allerdings lässt sich die Zahl der Athletinnen und Athleten, welche offen über diese Probleme sprechen, an einer Hand abzählen.

BMX-Star Nikita Ducarroz (26) ist eine von ihnen. Mit ihrer Offenheit leistet sie einen enorm wichtigen Beitrag, findet die Sportpsychologin Cristina Baldasarre. Seit 30 Jahren beschäftigt sie sich mit der Psyche von Spitzensportlern. «Oftmals fehlt es betroffenen Sportlern an Vorbildern. Sie wissen nicht, was passieren wird, wenn sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gehen.» Denn die Gesellschaft hat ein ganz bestimmtes Bild von professionellen Athleten. Sie sind immer zur Stelle, immer leistungsfähig, immer erfolgreich. «Fast wie Superman», vergleicht die Psychologin. Niemand habe Lust auf depressive Spitzensportler.

Die Angst vor dem Karriereknick

Doch nicht nur die Angst vor den Reaktionen aus der Gesellschaft hält viele Athletinnen und Athleten zurück. Auch die Angst vor den sportlichen Konsequenzen spielt eine grosse Rolle. Besonders in Mannschaftssportarten. «Wenn der Trainer weiss, dass Athletin X psychisch labil ist, besteht die Gefahr, dass sie nicht aufgeboten wird. Dann behalten es die Sportler logischerweise für sich, wenn es ihnen mental nicht gut geht.»

Die zweifache BMX-Vizeweltmeisterin Nikita Ducarroz stösst das Thema mentale Gesundheit immer wieder an.
Foto: GABRIEL MONNET
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Genau solchen Fälle könnte man vorbeugen, indem Sportpsychologen mehr in den Alltag der Spitzensportler involviert werden. «So wie jemand zum Physiotherapeuten geht, wenn sich ein Muskel nicht ganz so geschmeidig anfühlt, sollte in jedem Team ein Sportpsychologe zur Verfügung stehen, wenn es im Kopf mal aneckt», findet Cristina Baldasarre.

Mittlerweile haben fast alle grossen Sportverbände Leitlinien zum Thema psychische Gesundheit erarbeitet. «Es ist aber nicht damit getan, die als PDF irgendwo auf der Homepage hochzuladen.» Mit der Umsetzung in die Tat hapere es oft, erzählt die Sportpsychologin. Häufig muss die Initiative immer noch vom Athleten aus kommen, wenn er psychologische Unterstützung braucht. Nicht alle wagen diesen Schritt. In einer idealen Welt würden die Verbände den Sportlern diese Sorgen abnehmen.

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