Sein bester Freund war letzter toter GP-Schweizer vor Dupasquier
«Es kommt auch nach 38 Jahren wieder alles hoch»

Vor Jason Dupasquier († 19) ist der St. Galler Peter Huber der letzte verunglückte GP-Schweizer. Zweirad-Händler Marcel Büchler war 1983 Hubers Mechaniker. Trotz des Tods seines besten Freunds hat ihn die Töff-Leidenschaft bis heute nicht losgelassen.
Publiziert: 06.06.2021 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 06.06.2021 um 09:45 Uhr
Matthias Dubach (Text) und Benjamin Soland (Fotos)

Und dann sind plötzlich die schlimmen Erinnerungen wieder präsent. Als Marcel Büchler (63) letzten Sonntag vom Tod des Schweizer Talents Jason Dupasquier (†19) erfährt, fühlt sich das Töff-Urgestein aus Lütisburg SG ins Jahr 1983 zurückversetzt. «Ich musste leer schlucken. Da ich selber gerade auch auf einer Rennstrecke war, musste ich mich zuerst sammeln, bevor ich wieder Gas geben konnte», sagt Büchler, der in der Horror-Saison vor 38 Jahren als Mechaniker alles hautnah miterlebt.

1983 sterben gleich drei Schweizer WM-Piloten innerhalb von vier Monaten an einem GP-Wochenende. Michel Frutschi (†30) in Le Mans, Rolf Rüttimann (†27) in Rijeka und Peter Huber (†29), Büchlers bester Freund, in Silverstone.

Das Unfassbare: Nicht nur Huber, den vor Dupasquier letzten verstorbenen WM-Piloten aus der Schweiz, muss Büchler tot nach Hause bringen. 49 Tage vor Hubers verheerendem Unfall bringen Büchler und Huber Rüttimanns Sarg zurück in die Schweiz. Im 125-ccm-Rennen prallt der Zuger in die Leitplanken und überlebt nicht. Büchler: «Damals waren noch viele Schweizer Piloten in der WM, aber wir hatten den grössten Bus und haben darum den Sarg mitgenommen.»

Töff-Urgestein aus dem Toggenburg: In Marcel Büchlers Leben dreht sich alles ums Motorradfahren.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Der Sarg des toten Kollegen im Teambus

Der von Huber und Büchler zu einem Wohnmobil umgebauten Reisebus war im Fahrerlager aber auch sonst Anlaufstelle. «Wir waren die Einzigen mit eingebautem Backofen. Deshalb gabs immer am Sonntagmorgen Frischback-Zopf, alle Schweizer kamen zu uns», sprudeln die Anekdoten nur so aus dem Zweirad-Händler heraus, «es war früher alles sehr familiär. Auch Rüttimann hatte am Morgen vor dem Rennen noch bei uns Zmorge gegessen.»

Doch am Abend müssen sie den toten Kollegen aus dem damaligen Jugoslawien heimfahren. Das gibt Pilot Huber und Mechaniker Büchler zu denken. «Wir hatten viel Zeit zum Reden, wir waren teilweise ja wochenlang gemeinsam unterwegs. Es waren auch nachdenkliche Gespräche dabei, wenn wieder etwas Schlimmes passiert ist. Aber am Ende haben wir doch wieder nächtelang darüber gebrütet, wie wir den Töff schneller machen können», sagt Büchler.

Die Schattenseiten des damals noch viel gefährlicheren Sports können die Leidenschaft nicht verdrängen. Jeder Franken wird ins Rennfahren investiert. Huber arbeitet stundenweise auf einem Schrottplatz, um sich die GPs zu finanzieren.

Als Andenken ein Lederkombi von damals

Dann kommt der verhängnisvolle Grand Prix in Silverstone. Hubers Suzuki ist so schnell wie nie, er liegt im 500-ccm-Rennen auf Platz 10. Doch der St. Galler aus dem Winkeln-Quartier erkennt zu spät, dass Norman Brown mit Defekt ausrollt und knallt dem Nordiren ins Heck. Brown ist sofort tot, Huber verstirbt im Krankenhaus.

Betäubt vom Schock muss Büchler die Schwester des toten Freundes nach England beordern, weil nur Familienangehörigen die Identifikation erlaubt ist. Und Huber muss eingeäschert werden, weil der Zoll die Ausfuhr einer Leiche nicht gestattet. «Also sind wir am Mittwoch mit seiner Urne heimgeflogen», sagt Büchler traurig, als er SonntagsBlick in eine Ecke seines Töffgeschäfts «Zweiradcenter Toggenburg» führt.

Dort hängt eines von Hubers damaligen WM-Lederkombis. «Es ist mir wichtig, dass ich dieses Andenken an ihn habe.» Und Büchler sagt auch, dass selbst 38 Jahre nicht reichen, die Wunden ganz zu schliessen. «Bei Ereignissen wie nun mit Jason kommt alles wieder hoch», sagt das Toggenburger Töff-Urgestein. Auch die eigene Familie erinnert ihn an Huber. «Er war dabei, als ich in Hockenheim meine Frau kennenlernte, mit der ich 26 Jahre verheiratet war und die Randys Mutter ist.»

Das schnelle Fahren bleibt eine Sucht

Büchlers Sohn ist nach der US-Töff-Legende Randy Mamola (61) benannt und arbeitet im Töffgeschäft der Familie. Auch Büchlers neunjährige Tochter fährt schon Motocross. Mehr Benzin im Blut wie bei Büchlers geht nicht. In seinem Töffgeschäft stehen rund 2000 Zweiräder, es ist viel mehr als nur ein Arbeitsplatz: «Das ist unsere Stube.»

Sein riesiges Töffli-Museum ist die grösste Mofa-Sammlung Europas, Büchler organisiert Events wie das Töfflitreffen in Ebnat-Kappel – und fährt mit 63 Jahren wie letzten Sonntag weiterhin aus Spass mit 280 km/h ab und zu über verschiedene Rennstrecken im Ausland.

Woher stammt diese unstillbare Töff-Leidenschaft, die auch die aktuellen WM-Piloten trotz Dupasquiers Tod heute wieder zum nächsten GP starten lässt? Büchler sagt: «Nach dem Tod von Peter hatte ich schon Mühe, bin dann eine Zeitlang nur Kart gefahren. Aber es ist eine Sucht. Ich habe einfach immer noch riesig den Plausch, auf der Rennstrecke zu fahren.»

Das sind Worte, die auch Peter Huber und Jason Dupasquier zu Lebzeiten sofort bestätigt hätten.

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