«Es sind Tränen geflossen»
So lief Ehammers Olympia-Tag

Starker Vierter, aber kein Edelmetall-Exploit: Der bislang wichtigste Wettkampftag in Simon Ehammers Laufbahn wird am Ende nicht mit einer Medaille belohnt.
Publiziert: 07.08.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 07.08.2024 um 07:09 Uhr
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Marco PescioReporter Sport

Nix wirds mit dem Riesensatz, der Edelmetall hätte bringen sollen. Simon Ehammer verpasst an den Olympischen Spielen in Paris den ganz grossen Coup im Weitsprung. Der 24-jährige Appenzeller landet auf Rang vier – und wird so bei seiner Olympia-Premiere wenigstens mit einem Diplom belohnt.

Es war ein schwieriger, enger Wettkampf – mit einer grossen Breite an Wundertüten-Rivalen. Das Protokoll des grössten Tages in der Karriere von Ehammer, der absolut beachtlich, aber für den Top-Athleten nicht wunschgemäss endete: 

8 Uhr: In seinem Zimmer im Olympischen Dorf klingelt der Wecker. Der Tag der Entscheidung ist da, heute will Ehammer «einen raushauen», wie er es nennt.

Es hat nicht ganz gereicht: Simon Ehammer beendet den Weitsprung-Wettkampf als Vierter.
Foto: keystone-sda.ch
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9 Uhr: Frühstück. Eine erste Stärkung – auch für das, was direkt nach dem Zmorge folgt. Dann stehen nämlich zwei Runden Yatzy an. Ehammers Gegner? Trainer Karl Wyler. Die beiden liefern sich im Würfelspiel stets heisse Duelle – es ist die grosse Leidenschaft dieses Duos an Grossanlässen.

11 Uhr: Durchatmen im Zimmer. Vom Yatzy, vom Trubel im Dorf, vom ganzen Wettkampfstress. Zwei Stunden hat Ehammer nur für sich. Wichtig: Beine hochlagern.

15 Uhr: Jetzt steht das verspätete Mittagessen an, damit die Energie auch bis und mit Wettkampf hält. Danach gibts wieder eine Runde Yatzy mit Coach Wyler.

17.30 Uhr: Die Anspannung nimmt zu. Ehammer steigt in den Bus Richtung Stadion. Die Fahrt dauert nicht lange. Das Dorf und das Stade de France liegen Luftlinie nur rund 1,6 km auseinander. Dass es bald ernst gilt, ist auch an den Scharen Zuschauern zu sehen, die die Strassen um die Arena säumen.

19.00 Uhr: Es wird ein erstes Mal richtig laut im Stadion. Über 70’000 Leichtathletik-Fans sind gekommen – und bejubeln Armand Duplantis, den Schweden, der am Vortag im Stabhochspringen einen neuen Weltrekord aufgestellt hat. Ehammer ist derweil für die vielen Schweizer Fans, die auf alle Tribünen verteilt und mit Fahnen, Mützen und Shirts ausgerüstet sind, noch nicht in Sicht. Er macht im Aufwärmareal hinter dem Stadion ein paar Aufwärmsprints – mit fetten Kopfhörern auf den Ohren.

19.45 Uhr: Jetzt ist auch Ehammer im Stadion. Gemeinsam mit seinen Rivalen macht er sich mit den Gegebenheiten auf der Bahn und im Sandkasten vertraut. Übungssprünge stehen an.

20.14 Uhr: Ehammer wird im Stadion aufgerufen! Los gehts. Wettkampfbeginn! 

20.22 Uhr: Uff, Fehlstart! Der erste Versuch von Ehammer ist ungültig, er übertritt den Balken um 5,7 Zentimeter. Noch gibts keinen Eintrag in die Wertung für den Schweizer.

20.38 Uhr: Jetzt sind wir im Geschäft! Ehammer fliegt auf 8,20 Meter und meldet seinen Ambitionen an. Zwischenrang vier. Er schafft den Cut der besten acht souverän.

21.09 Uhr: Ehammer fordert das Publikum zum Klatschen auf. 8,11 Meter waren es in seinem dritten Versuch, jetzt springt er auf 7,92 Meter. Klar ist: Für Edelmetall muss eine Steigerung her.

21.20 Uhr: Aiaiai, jetzt wirds dramatisch. Ehammer, immer noch Vierter, fabriziert einen ungültigen fünften Sprung. Jetzt bleibt ihm noch ein Versuch, um sich auf einen Medaillenrang zu hieven.

21.31 Uhr: Nein! Ehammer legt wieder einen Fehlversuch hin. Damit ist der Medaillentraum geplatzt – und der Appenzeller bleibt geschockt zurück, setzt sich im Schneidersitz auf den Boden und guckt leer in die Weite. Mit seiner Weite von 8,20 Meter wird Ehammer Vierter. Hinter dem drittplatzierten Italiener Mattia Furlani (8,34), dem Jamaikaner Wayne Pinnock (8,36) und dem griechischen Überflieger Miltiadis Tentoglou (8,48). Und trotzdem ist Ehammers Performance bärenstark. Er liefert das beste Leichtathletik-Resultat seit Kugelstosser Werner Günthör 1992 in Barcelona.

22.02 Uhr: Ehammer erscheint in der Mixed-Zone im Bauch des Stade de France: «Ja, es sind Tränen geflossen. Und es werden auch nicht die Letzten gewesen sein.» Dann resümiert er: «Ein vierter Platz ist immer Mist. Aber ärgern darf ich mich darüber nicht, auch einen vierten Rang braucht es. Enttäuscht sein darf ich aber – und es wird auch noch ein paar Tage gehen, bis ich alles verarbeitet habe. Dann werde ich stolz sein!»

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