Die neue Morgenroutine in Peking
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Blick-Reporter im Test:Die neue Morgenroutine in Peking

Corona-Tests, Sprachprobleme, Roboter
So erlebt das Blick-Team die Olympischen Spiele

Ein Schock zum Start. Ein chinesischer Anrufer, der sich als Marc Berthod entpuppt. Eine Mauer um das Hotel. Roboter an jeder Ecke. Das Blick-Reporter-Team schildert seine ganz persönlichen Eindrücke aus China.
Publiziert: 14.02.2022 um 19:33 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2022 um 09:26 Uhr
Nicole Vandenbrouck, Marcel W. Perren und Mathias Germann aus China

Nicole Vandenbrouck aus Peking

Mit welchen Erwartungen oder Befürchtungen reist man nach Peking, wenn sich im Vorfeld hauptsächlich negative, kritische und skeptische Schlagzeilen überschlagen? Am besten mit keinen, so habe ich es gemacht.

Es sind Athletinnen und Athleten hier, die dem Olympia-Ziel alles unterordnen. In manchen Sportarten während vier Jahren der Vorbereitung sogar das ganze Leben. Es sind ihre Träume, die sich erfüllen oder die zerplatzen. Wir erleben diese historischen und emotionalen Momente mit. Wir Journalisten werden bei diesen Winterspielen nach den unvergesslichsten Erlebnissen gefragt – gemeint sind bei dieser Austragung nicht primär die sportlichen.

Bist Du eingesperrt? In diesem Moment sitze ich in der tollen Trainingshalle und schaue der Schweizer Hockey-Nati zu – also nein. Wie schlimm ist das Hotelzimmer? Es gibt bestimmt Familien hier in Peking, deren Wohnung kleiner ist als mein Zimmer – also gar nicht schlimm. Statt darüber zu klagen, was ich bei Olympischen Spielen ohne Corona alles tun (oder lassen) könnte, schätze ich einfach, was hier möglich ist.

Sie berichten für Blick von den Olympischen Spielen: Nicole Vandenbrouck ist in Peking stationiert…
Foto: Nicole Vandenbrouck
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Ganz ehrlich, meine Gedanken kreisen nicht um die täglichen PCR-Tests (da drückt man einfach die Daumen) oder die Maskenpflicht. Sondern um die extremen Gegensätze, denen man täglich begegnet.

Im Restaurant des Medienzentrums wird jedes Essen von modernsten und hier entwickelten Maschinen zubereitet. Aber jeden Morgen fahren wir früh an mehreren Parkanlagen vorbei, in denen viele Menschen mit Leidenschaft Frühsport betreiben, Tai Chi oder bunte lange Bänder schwingen.

In der Nähe der Wettkampfstätten wird jede Kreuzung von Soldaten überwacht, auf die wiederum permanent und in zwei Meter Distanz eine Überwachungskamera gerichtet ist. Aber kaum einer der Volunteers in dieser Olympia-Bubble spricht Englisch, und einer, der es einigermassen tut, fragt, ob Fussball in Europa wirklich so toll ist wie er gehört habe (äh, nein). Es gibt Schlafkabinen aus Glas für die Journalisten im Medienzentrum. Aber ein Volunteer in der Trainingshalle hat zuvor noch nie einen Hockeyspieler gesehen.

Es gibt bestimmt berechtigte Kritik (aus der Ferne) an vielem hier in China. Aber wer nicht um sie herum kommt, gewinnt hoffentlich eine Erkenntnis daraus: Wie gut wir es haben. Und wie zufrieden wir sein sollten.

Mathias Germann aus Yanqing

Welchen Event habe ich bislang in China am häufigsten gesehen? Ganz klar: Die Eröffnungsfeier! Sie läuft im TV rauf und runter. Den Chinesen ist es offenbar egal, dass Beat Feuz gerade zu Gold rast oder Mikaela Shiffrin ein doppeltes Ausfall-Drama erlebt. Lieber werden schöne Bilder aus dem Vogelnest von Peking in Endlosschleife gezeigt.

Dabei pochte IOC-Präsident Thomas Bach auf die olympische Mission: Brücken bauen, nie Mauern errichten, alle in einem friedlichen Wettbewerb zusammenbringen. Schlicht: «Die Menschheit in aller Vielfalt zu vereinen.» Ein reichlich hoher Anspruch für Spiele in einem totalitären Staat und obendrauf noch während Corona.

Ich haben keinen Kontakt zur Bevölkerung, um mein Hotel wurde eine Mauer errichtet, davor steht ein Polizeiauto. Dennoch bin ich weit davon entfernt, zu klagen. Es ist, wie es ist. Auch die Athleten betonen, in den olympischen Dörfer gehe es ihnen gut. Doch auch sie müssen – viele wollen es auch – Masken tragen, Abstand halten, getrennt essen. Letztlich leben die meisten Olympia-Besucher nach dem Kredo: So lange wie notwendig bleiben, so schnell wie möglich abreisen.

Völkerverbindende Spiele in China? Das ist eine Mär. Die Entwicklungen von Jahren oder Jahrzehnten werden nicht innert zwei Wochen umgestossen. Das wäre wohl auch ohne Corona nicht anders. Wobei man sich die Frage muss: Soll sich die Welt wirklich verschmelzen? Respekt, Friede, im besten Fall Freundschaft – gerne. Hält man diese Werte ein, finde ich es jedoch in Ordnung, anders zu sein.

Es sind banale Unterschiede, die mir in Yanqing begegnen. Ich sehe, wie Fischsuppe zum Zmorge geschlürft wird. Ich erlebe, wie ein Roboter das Essen bringt. Ich fahre alleine in einem Bus ohne Heizung (4 Grad) nach Peking und warte zwei Stunden auf den Anschluss. Ich sehe, wie ein Militär eine Bergflanke bewacht. Aber ist das alles schlimm? Es wurde – oft berechtigterweise – viel Schlechtes über Olympia in China geschrieben. In meinem Alltag (und meiner Bubble) beeinträchtigt mich nichts. Aber ich habe auch nicht Anspruch, die Welt zu vereinen.

Marcel W. Perren aus Yanqing

Mein Olympia-Abenteuer beginnt mit einem echten Schocker! Vor meinem Hotel haben sich vier Frauen in Ganzkörperschutzanzügen positioniert, die auf die Ankunft des Pekinger Flughafen-Shuttles warten. Eine der Damen hält ein Schild in die Höhe, auf dem in fetten Lettern Mr. Birbaumer drauf steht. Damit ist klar, dass es die Covid-Polizistinnen auf meinen langjährigen Weggefährten, Christof Birbaumer, Fotograf von Österreichs Kronen-Zeitung, abgesehen haben.

Sein Problem: Obwohl Christof vor dem Abflug ins Reich der Mitte zweimal negativ auf Corona getestet wurde, war sein CT-Wert bei der Einreise nach den lokalen Massstäben zu tief. Deshalb kommt sich der in Wahrheit besonders liebenswürdige Tiroler bei der Hotelankunft nun wie ein Verbrecher vor. Denn kaum hat der Shuttle-Chauffeur die Türen seines in die Jahre gekommen Vehikels geöffnet, stürmen die vier «Michelin-Frauen» den Bus. Sie stürzen sich auf Birbaumer und führen ihn zur Isolation ins Zimmer ab. Und damit er ja nicht auf falsche Gedanken kommt, wird ihm der Reisepass entzogen.

Kurz darauf geht auf meinem Hosentelefon ein Anruf mit chinesischer Nummer ein. Ich zucke innerlich zusammen, weil ich befürchte, dass man nun auch mir mitteilen wird, dass mein jüngster Covid-Test Mängel aufweise. Ich spreche mit ängstlicher Stimme. Doch nach ein paar Momenten atme ich erleichtert auf.

Beim Anrufer handelt es sich nämlich nicht um eine Person der Gesundheitsbehörde, sondern um Marc Berthod, der vom SRF mit einem chinesischen Miethandy ausgestattet wurde.

Im Gegensatz zur ersten Woche mache ich mir mittlerweile vor dem alltäglichen Covid-Test nicht mehr in die Hose. Das liegt auch am putzigen Hotel-Roboter, der mit seinem Desinfektionsmittel-Versprüher die bösen Viren rund um die Uhr bekämpft.

Die mechanischen Menschen werden hier aber auch für besonders süsse Angelegenheiten steil geschickt. Im Speisesaal feierte kürzlich ein französischer Journalist mit ein paar Kollegen seinen Geburtstag. Zur Feier des Tages servierte ihm ein Roboter eine Früchte-Torte.

Sie fragen sich jetzt sicher noch, wie es meinem Ösi-Kumpel Christof Birbaumer geht? Der wurde nach 48 Stunden aus der Isolation entlassen und hat in der Zwischenzeit viele scharfe Bilder dieser ganz besonderen Olympischen Spielen geschossen.

Olympische Winterspiele in Peking

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