Thurnheers Rat an Turnfrau Steingruber
«Geh raus und geniesse es!»

Der Druck ist weg, jetzt kommt für Giulia die Kür. Die Vorhersage vom Schnurri der Nation: «Sie ist nicht auf Fehler der Konkurrenz angewiesen»
Publiziert: 16.08.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 17:29 Uhr
Konrad Staehelin aus Rio

Party verschoben: Im Moment ihres grössten Triumphs durfte Giulia Steingruber (22) am Sonntag nicht abfeiern. «Ich muss die Spannung hochhalten», sagte sie gleich nach dem Wettkampf. «Ich habe noch ein weiteres Ziel. Erst dann darf ich loslassen.»

Mit einer weiteren Medaille im Boden-Final würde sie zum Schweizer Star dieser Spiele werden, sagt Beni Thurnheer. Der Schnurri der Nation liefert seit Jahren fürs SRF den Turn-Kommentar in die Schweizer Stuben, auch heute wieder. Er weiss Bescheid: «Ich verfolge Giulia seit Beginn ihres Aufstiegs.»

Für den 67-Jährigen sind es die siebten und letzten Sommerspiele. Kaum zu glauben: Steingrubers Exploit war erst die zweite Medaille, die der Altmeister kommentiert hat. «Meine erste war 2004 Beachvolley-Bronze von Kobel/Heuscher. Ich hätte nicht erwartet, dass noch eine dazu kommt. Ich habe mitgefiebert, wie selten. Ich hatte ein rot-weisses T-Shirt und ein Chäppli von der Turn-EM in Bern angezogen. Weils Glück brachte, mache ich es heute gleich.»

2. Medaille: Giulia Steingruber kann auch heute im Boden-Final zuschlagen.
Foto: EQ Images
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Bronze im Sprung sei nicht hoch genug zu bewerten. Die Gründe dafür: «Es war nicht Giulias Paradedisziplin. Sie wird früher oder später von den Jüngeren überholt werden. Dort findet ein Wettrüsten statt, die Sprünge werden schwerer und schwerer. Giulias Zukunft liegt im Bodenturnen und im Mehrkampf. An Stufenbarren und Schwebebalken kann sie noch ein paar Schritte nach vorne machen. Zudem ist sie zwar fünffache Europameisterin. Doch selbst Europas Beste ist nicht selbstverständlich im Olympia-Final dabei. Das ist nicht wie im Fussball, wo der Beste Europas auch weltweit zu den Besten gehört. Darum ist diese erste Medaille auf Welt-Ebene extrem wertvoll.»

Der Coup am Sonntag war nicht eingeplant gewesen, die Gegnerinnen hatten mit Schnitzern mitgeholfen. «Heute liegt dagegen alles an ihr. Mein Tipp: Zeigt sie die perfekte Übung, holt sie nochmal Bronze.» Auf Gold oder Silber hat sie fast keine Chance. Die US-Girls Biles und Raisman werden wohl wieder einmal Performances von einem anderen Stern abliefern. Beni national: «Stürzen sie nicht, turnen sie der Konkurrenz locker davon. Aber hinter ihnen ist alles offen.» Steingruber selbst sagte am Sonntag: «Alles kann passieren.»

«Die Halle wird brodeln»

Wie gross ist die Chance, dass nach der Erleichterung über Medaille Nummer eins die nötige Spannung nicht mehr da ist? «Es ist Olympia. Die Halle wird brodeln», sagt Beni. «Giulia wird automatisch gespannt sein.» Vielleicht sogar verspannt? «Sie muss die negativen Gedanken ausblenden. Dass diese Chance nur alle vier Jahre kommt, wie wichtig Olympia ist. Wer daran denkt, hat schon verloren. Darum rate ich Giulia: Geh raus und geniesse es einfach!»

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