Das sagen Bencic und Golubic nach Doppel-Silber
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«11 Matches zehrten an mir»:Das sagen Bencic und Golubic nach Doppel-Silber

Bencic auf dem Tennis-Olymp
«Ungerecht, dass mich manche Leute abgeschrieben haben»

Sie ist die grösste Kämpferin von Tokio! Nach Gold und Silber steigt Belinda Bencic als erfolgreichste Athletin in den Flieger zurück in die Schweiz, wo sie aus ihrer Sicht nicht immer fair behandelt wurde.
Publiziert: 01.08.2021 um 17:39 Uhr
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Aktualisiert: 01.08.2021 um 18:37 Uhr
Silber-Kuss: Viktorija Golubic Belinda Bencic.
Foto: SRF
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Sebastian Rieder aus Tokio

Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Das Märchen von Belinda Bencic endet an diesem 1. August in Tokio mit einem Knall und führt in den Konjunktiv. Denn beinahe hätte sie sich Doppel-Olympiasiegerin nennen können und wäre so zur erfolgreichsten Schweizer Athletin an Sommerspielen aufgestiegen. «Es tut weh, aber es tut mir vor allem unendlich leid für Viktorija», sagt Bencic.

Der Traum von Doppel-Gold zerplatzt in einem Schockmoment, als Golubic beim vierten Matchball ausrutscht und hart zu Boden fällt. «Es war ein Missgeschick. Der Ball war zu extrem, da bin ich weggerutscht», sagt Golubic und bezeichnet den Unfall selbstironisch als Koordinationsstörung. «Verdammt schade, dass es dann vorbei war. Zum Glück ist mein Knie heil geblieben.»

Und zum Schluss noch einmal Tränen

Das sportliche Unheil beginnt, als das tschechische Spitzenduo Krejcikova/Siniakova im letzten Game des ersten Satzes das Break schafft. 7:5 und 6:1 heisst es am Ende und besiegelt Silber für «Viktolinda» – zum zweiten Mal in der Schweizer Olympia-Geschichte – fünf Jahre nach Martina Hingis und Timea Bacsinszky in Rio 2016. «Für Gold hätte ich frischer sein müssen», sagt Bencic und lobt Golubic. «Viki hat die ganze Arbeit erledigt. Ich selber konnte fast nicht mehr laufen.»

Es ist dann aber der Sturz von Golubic, der das Schicksal nach über einer Stunde besiegelt. Die Tschechinnen halten kurz die Luft an, jubeln dann aber umso lauter. Auf der anderen Seite nehmen sich Bencic und Golubic fest in den Arm und weinen. «Alles was sich bei uns in dieser Woche angestaut hat, musste raus. Es war schön, diesen Moment zu teilen», sagt Bencic.

Auch schlechte Momente sind wertvoll

Es ist für sie der langersehnte Lohn für eine Karriere, in der sie sich als Kind in die Weltspitze katapultierte, aber für ihren fulminanten Aufstieg immer wieder leiden musste. Mit ihrem Vater Ivan fliegt sie als Teenager um den Globus, bis sie mit 17 Jahren an den US Open tatsächlich in den Viertelfinal kommt – sie scheint auf den Spuren von «Swiss Miss» Martina Hingis. Der Vorstoss macht Lust auf mehr. Die Belastung schadet ihr und führt zu unzähligen Verletzungen.

Sie fliegt aus den Top 300 und wird in der Öffentlichkeit immer wieder hart kritisiert. «Ich möchte auch die schlechten Momente in meinen Leben nicht missen. Sie gehören zu mir und machen mich stärker. Aber es war manchmal schon ungerecht, dass mich manche Leute während der Krise abgeschrieben haben», sagt Bencic und versichert: «Ich habe immer hart gearbeitet und alles gemacht, was nötig war, um Erfolg zu haben.»

Entspannter in die Zukunft

Die Arbeit und Liebe mit ihrem neuen Fitnesstrainer Martin Hromkovic führt sie 2019 im Ranking auf Rang 4 und in die Halbfinals an den US Open. Seit zwei Jahren gehört sie konstant zu den Top 20 der Welt. Das grosse Ziel bleibt ein Major-Sieg. Der Gewinn der Goldmedaille in Tokio könnte nun neue Kräfte freisetzen. «Dieser Erfolg nimmt vielleicht den Druck. Es könnte sein, dass ich die kommende Turniere etwas entspannter angehe.»

Sie ist nun unsere neue «Swiss Miss» – hat einen für das Schweizer Tennis einmaligen Erfolg geschafft. Den neuen Status als Olympiasiegern versteht sie aber nicht als Ansage für höhere Aufgaben.

Denn für Bencic gibt es nach dieser Wahnsinns-Woche in Tokio nichts Grösseres. «Für mich ist mit diesem Titel ein Traum wahr geworden. Selbst wenn ich kein Turnier mehr gewinnen sollte, der Olympiasieg kann mir niemand mehr nehmen», sagt Bencic und scherzt: «Ich glaube, ich spiele jetzt sowieso nur noch zum Plausch.»

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