Spirig: «Weiss noch nicht, was das für meine Zukunft bedeutet»
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Sportler zum Olympia-Ende:Spirig: «Weiss noch nicht, was das für meine Zukunft bedeutet»

Jürg Stahl, Präsident von Swiss Olympic, zur Verschiebung der Spiele in Tokio
«Die einzig richtige Entscheidung»

Die Olympischen Spiele in Tokio werden auf 2021 verschoben. «Das tut weh. Aber alles andere wäre unvernünftig und nicht vermittelbar gewesen», sagt Jürg Stahl, Präsident von Swiss Olympic.
Publiziert: 24.03.2020 um 20:48 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2020 um 08:27 Uhr
Jürg Stahl: «Das ist bitter, vor allem für alle Sportler und natürlich für Tokio und Japan.»
Foto: Keystone
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Felix Bingesser

Der Traum vieler Sportler ist geplatzt. Ist die Verschiebung der Olympischen Spiele richtig?

Jürg Stahl: Absolut. Es gibt aufgrund der Entwicklung keine Alternative zu diesem Entscheid. Das ist bitter, vor allem für alle Sportler und natürlich für Tokio und Japan.

Der Druck der Öffentlichkeit war gross. Kanada und Australien haben ihren Boykott schon vorgängig publik gemacht.

Wenn Australien und Kanada hier vorgeprescht sind, empfinde ich das nicht als sehr zielführend. Es geht darum, gemeinsam die beste Lösung zu finden. Und die hat man jetzt gefunden.

In der Schweiz gibt es mittlerweile rund acht Millionen Hobby-Virologen, die schon lange nach einer Absage schreien. Hat das IOC zu spät reagiert?

Nein. Trotz der schwierigen Lage darf man sich nicht hetzen lassen und muss alles analysieren und abwägen. Das ist man dem Veranstalter und allen involvierten Partnern schuldig. Und wissen sie: Das Image des Internationalen Olympischen Komitees ist nicht das Beste. Darum gibt es schon seit Wochen laute Forderungen nach einer Absage oder einer Verschiebung. Die tauchten schon auf, bevor man mit allen Partnern reden und gemeinsam eine Lösung suchen konnte.

Und was, wenn sich die Lage in den nächsten Monaten massiv entspannt?

Auch dann ist es ausgeschlossen, dass sich Sportler aus aller Welt mit Freude und unbelastet in Tokio treffen. Weltumspannende und faire Spiele sind nicht möglich. Ich hoffe, dass wir im Juli 2021 eine tolle Eröffnungsfeier in Tokio haben.

Haben Sie eine definitive Absage statt einer Verschiebung befürchtet?

Nein. Wir haben uns ja auch explizit für eine Verschiebung ausgesprochen. Irgendwann wird Normalität einkehren. Und dann brauchen wir Ziele. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Olympischen Spiele 1948 in St. Moritz einen Beitrag zur Normalität geleistet. Der Sport als verbindendes Element war immer zur Stelle. Und auch wenn man das IOC und die Olympischen Spiele wegen ihrem Gigantismus immer wieder kritisiert lebt der olympische Gedanke und Geist weiter.

Können die Spiele 2021 in diesen Zeiten tatsächlich zum Projekt der Hoffnung werden?

Unbedingt, da bin ich überzeugt. Ich glaube an die Kraft des Sports. Wenige Monate nach den Anschlägen vom 11. September in New York fanden die Spiele 2002 in Salt Lake City unter grossen Sicherheitsvorkehrungen statt. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München gab es einen Terroranschlag auf die israelische Delegation. Es waren israelische Sportler, die trotzdem an den Start gehen wollten. Sie wollten sich dem Terror nicht beugen. Mir ist klar, dass man das eine nicht mit dem anderen und vor allem nicht mit der jetzigen Situation vergleichen kann. Trotzdem: Der Sport kann als Symbol auch in der jetzigen Phase Hoffnung geben.

Der Schweizer Sport hält in Magglingen und Tenero Trainingsstandorte offen. Das sorgt für Kritik.

Die Leute können nicht mehr in den Turnverein, nicht mehr zum Fussball, sie können ihre Hobbys nicht mehr ausüben. Das ist hart, aber denken sie an die vielen KMU’s in unserem Land, Unsicherheiten in allen Gesellschaftsbereichen – es trifft alle. Wenige Sportler sind in Tenero und Magglingen an einem gemeinsamen Ort unter rigorosen Auflagen und halten sich fit; andere tun das zu Hause. Aber der Sport ist ihr Beruf. Es braucht ein gewisses Mass an Infrastruktur, die man aufrecht erhalten kann.

Auch Hürdenläufer Kariem Hussein hat Kritik geübt.

Das nehmen wir zur Kenntnis. Aber glauben sie mir: Es ist auch für die Sportler nicht angenehm in Magglingen mit all den angeordneten Verhaltensregeln. Der Betrieb dort ist mit dem Bundesamt für Gesundheit und der kantonalen Regierung abgesprochen.

Die Unsicherheit ist Gift. Jetzt hat man Klarheit. Erleichtert das auch Ihren Job?

Ja, was Tokio 2020 betrifft. Aber eigentlich geht es nicht darum, wie ich mich fühle, sondern meine Aufgabe ist es – zusammen mit ganz vielen Menschen – den Schweizer Sport wieder auf ein gesundes Fundament zu stellen. Gemeinsam viel bewegen – gemeinsam viel erleben; das möchte ich wieder für unsere Leidenschaft, den Sport. Vor den Spielen 1980 in Moskau gab es den Boykott des Westens. In der Schweiz hat man es den Verbänden freigestellt, ob sie teilnehmen oder nicht. Die Turner, Schützen und die Reiter gingen nicht, der Rest hat teilgenommen. Ich war damals Kunstturner und zwölf Jahre alt. Und habe die Enttäuschung, Unsicherheit und den Ärger von vielen Sportlern miterlebt. Jetzt ist es eine Verschiebung und keine Absage.

Auch Sie als Präsident von Swiss Olympic haben wohl eine belastende Zeit hinter sich.

Ich bin am 23. Januar von Lausanne nach Hause gefahren. Es waren wunderbare Olympische Jugend-Winterspiele. Damals war Corona erstmals ein mediales Hauptthema. Und ich habe am Abend zu meiner Frau gesagt: Hoffentlich läuft das glimpflich ab. Es ist anders gekommen.

1940 wurden die Sommerspiele in Tokio und 1944 die Winterspiele in Sapporo wegen dem Zweiten Weltkrieg abgesagt. Olympische Spiele und Japan, diese Kombination scheint unter einem schlechten Stern zu stehen.

Ja, es scheint so. Auch darum wünsche ich mir tolle Sommerspiele 2021 – sie sind eine grosse Chance.

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