Schlaflosigkeit, massive Erschöpfung, Schiess-Pause
Olympia-Depression trifft Gold-Heldin Christen hart

Das grelle Rampenlicht des Olympia-Triumphs hat unangenehme Folgen für Nina Christen. Nach dem mit Abstand grössten Erfolg ihrer Karriere leidet die Schützin an einer «post-olympischen Depression».
Publiziert: 08.09.2021 um 10:51 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2021 um 14:23 Uhr

Bei Olympia in Tokio wurde sie quasi aus dem Nichts zur Schweizer Heldin. Schützin Nina Christen eröffnete die Spiele für die Schweizer Delegation mit Bronze. Eine Woche später liess sie Gold folgen – und bewies Nerven wie Drahtseile.

Diese Frau kann nichts erschüttern, so meinte man nach dem Final-Krimi. Weit gefehlt. Nach dem Tokio-Hochgefühl stürzte die 27-Jährige in ein tiefes Loch.

Christen fehlt diese Woche darum an den Schweizer Meisterschaften in Thun. In einem emotionalen Post auf Instagram erklärt sie, warum sie fehlt: «Die ‹post-olympische Depression› hat mich hart erwischt. Viele Olympia-Teilnehmer erleben das irgendwann in ihrer Karriere», schreibt sie.

Nina Christen öffnet sich auf Instagram über ihre mentalen Probleme.
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Auch Warholm verspürt Leere

Nina Christen ist nicht die einzige Olympiasiegerin von Tokio, die nach den Spielen in ein Loch fällt. Auch der Weltrekordler und Gold-Gewinner über 400-m-Hürden Karsten Warholm erzählt im Rahmen von Weltklasse Zürich von seinen Problemen.

«Ich war so konzentriert auf die Spiele. Wenn du alles erreichst, wovon du geträumt hast, bist du glücklich, aber auch leer. Alles, wofür du trainiert hast, ist vorbei. Es ist eine andere Welt jetzt. Ich muss mich daran gewöhnen», sagt Warholm an der Pressekonferenz.

Es sei ein mentaler Prozess. «Du erreichst alle Ziele und musst das System neu starten. In Sachen Wettkämpfe ist es schwierig, nach so einem Moment wieder einzusteigen. Du schaffst schliesslich nicht immer einen Weltrekord.» Warholm habe diesem die letzten Jahre immer nachgejagt. «Ich muss jetzt neue Ziele stecken. Das wird ein Prozess. Was mir hilft: Ich liebe das Training. Ich war schnell wieder im Training, nicht nur, weil wir auch nach den Spielen wieder Wettkämpfen habe, sondern weil ich es so gerne tue.»

Aus Schweizer Sicht hat etwa auch Fabian Cancellara schon über ähnliche Probleme gesprochen. «Nach meiner Rückkehr aus Peking fiel ich in ein Loch – es ging mir gar nicht gut», sagte er 2008 gegenüber «Sonntag». Er verglich seinen Zustand «am ehesten mit dem einer Frau, die nach der Geburt den Baby-Blues hat».

Nina Christen ist nicht die einzige Olympiasiegerin von Tokio, die nach den Spielen in ein Loch fällt. Auch der Weltrekordler und Gold-Gewinner über 400-m-Hürden Karsten Warholm erzählt im Rahmen von Weltklasse Zürich von seinen Problemen.

«Ich war so konzentriert auf die Spiele. Wenn du alles erreichst, wovon du geträumt hast, bist du glücklich, aber auch leer. Alles, wofür du trainiert hast, ist vorbei. Es ist eine andere Welt jetzt. Ich muss mich daran gewöhnen», sagt Warholm an der Pressekonferenz.

Es sei ein mentaler Prozess. «Du erreichst alle Ziele und musst das System neu starten. In Sachen Wettkämpfe ist es schwierig, nach so einem Moment wieder einzusteigen. Du schaffst schliesslich nicht immer einen Weltrekord.» Warholm habe diesem die letzten Jahre immer nachgejagt. «Ich muss jetzt neue Ziele stecken. Das wird ein Prozess. Was mir hilft: Ich liebe das Training. Ich war schnell wieder im Training, nicht nur, weil wir auch nach den Spielen wieder Wettkämpfen habe, sondern weil ich es so gerne tue.»

Aus Schweizer Sicht hat etwa auch Fabian Cancellara schon über ähnliche Probleme gesprochen. «Nach meiner Rückkehr aus Peking fiel ich in ein Loch – es ging mir gar nicht gut», sagte er 2008 gegenüber «Sonntag». Er verglich seinen Zustand «am ehesten mit dem einer Frau, die nach der Geburt den Baby-Blues hat».

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Die Auswirkungen sind vielfältig. Sie leide an Schlaflosigkeit, massiver Erschöpfung, Konzentrations- und Motivationsproblemen, Stimmungsschwankungen, schlimmer Migräne und Nackenschmerzen. «Ganz zu schweigen von all den Gedanken, die dafür sorgen, dass mir ständig der Kopf dreht», so Christen weiter.

Die Nidwaldnerin ist gewillt, diese schwierige Phase zu akzeptieren und durchzustehen. «Ich erwarte nicht, dass ich die ganze Zeit stark bin und ich habe einfach nicht das Gefühl, dass ich jetzt schon wieder schiessen kann.»

Christen findet Halt bei Michael Phelps

Sie orientiert sich in der schwierigen Phase an Michael Phelps. Der US-Olympia-Gigant (23 Goldmedaillen) spricht offen über seine Depressionen. Christen teilt ein Zitat von ihm in ihren Instagram-Storys: «Ich weiss, dass ich nicht alleine bin und ich verstehe, dass es für mich okay ist, wenn es mir nicht okay geht.»

Und tatsächlich zeigt sich sofort, dass Christen nicht allein ist. Viele Konkurrentinnen und Fans sprechen ihr Mut zu. Darunter US-Olympiasiegerin Ginny Thrasher: «Lass mich wissen, wenn du reden willst – du bist nicht allein, und es wird besser!» (sme)

So werden unsere Olympia-Helden am Flughafen empfangen
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Acht Medaillen sind gelandet:So werden unsere Olympia-Helden am Flughafen empfangen
Nina Christen eröffnete die Schweizer Medaillenhatz in Tokio am 24. Juli 2021: Bronze im Schiessen (Luftgewehr 10 m).
Foto: keystone-sda.ch
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