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Rigling triumphiert an Heim-WM
Sie sammelt Medaillen wie andere Briefmarken

Schon wieder Gold an der Heim-WM! Nach Matile-Dörig zum Auftakt gewinnt Para-Radfahrerin Flurina Rigling (28) das Zeitfahren in ihrem Heimatkanton. Das Tüfteln an Velo und Material hat sie weit gebracht. Das ist ihre Geschichte.
Publiziert: 24.09.2024 um 15:09 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2024 um 15:44 Uhr
Die Freude muss raus bei Flurina Rigling. Jahrelang war diese Heim-WM im Kopf. Nun hat sie Gold.
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Simon StrimerReporter & Redaktor Sport

Die Freude über den Gold-Triumph bei der WM im Heimatkanton mischt sich bei Flurina Rigling (28) zuerst noch mit anderen Gefühlen. Im Zielraum sagt sie zu Blick: «Ich merke, dass sehr viel Druck von meinen Schultern gefallen ist. Überwiegend ist es natürlich Freude. Aber mir ist immer noch schlecht und ich sehe noch nicht so viel.»

Auch während des Kampfs gegen die Uhr hatte sie gar nicht so ein gutes Gefühl: «Ich hatte das Gefühl, dass es nicht mein Tag ist. Ich hatte schlechte Beine, es war brutal hart und ich wusste nicht, ob die Geschwindigkeit bis ins Ziel halten kann. Immer hatte ich das Gefühl, hinten zu sein. Das ist auch gut, dann pusht man, bis man nicht mehr kann.» Es reicht dann klar, 23 Sekunden Vorsprung hat sie im Ziel. Schon vor fünf Jahren war Zürich 2024 im Kopf – jetzt ist es geschafft. «Stimmt, so weit habe ich gar noch nicht zurückgeschaut, das macht mich so stolz.»

Vieles hat sie dem Nati-Coach zu verdanken – ihn will sie nun gleich umarmen

Beim Treffen mit Blick vor der WM verraten schon ihre Fingernägel, dass etwas Spezielles bevor steht. Para-Radfahrerin Flurina Rigling (28) hat das Zürich-Wappen und das Schweizer Kreuz aufgemalt. «Das mache ich sonst nie», sagt sie lachend. Extra für ihre Heim-WM also. Rigling ist in Hedingen ZH aufgewachsen und lebt immer noch da. Näher gelegen kann ein Grossanlass kaum sein.

Bereits seit fünf Jahren hat sie diese WM im Kopf. Nun ist Rigling direkt neben Seepromenade und Sechseläutenplatz ins Ziel gerast und sah ihre grüne Zeit aufleuchten. Als sie im Jahr 2019 den Schritt zu ambitioniertem Sporttreiben machen wollte, fand sie ihren Förderer in Nati-Coach Daniel Hirs. Dieser brachte sie zum Para-Radsport und warf bereits den Gedanken an Zürich 2024 als Fernziel in die Runde. Das habe sie enorm motiviert, den Weg zur Spitzensportlerin zu verfolgen, erzählt Rigling. Im Zielraum nach dem Gold-Coup erzält sie, dass sie ihn nun gleich umarmen wolle.

Seit der Geburt lebt Rigling ohne vier von fünf Strängen an den Händen und Füssen. Deshalb kann sie auf dem Rad nur auf die Pedale drücken und nicht ziehen, was besonders beim Beschleunigen am Start und bei Sprints ein Nachteil ist. Auch das Greifen und Abstützen mit dem Oberkörper auf dem Lenker ist dadurch anspruchsvoller. Dafür ist sie stark, wenn sie mal in Fahrt ist und erst recht, wenn es bergauf geht. Ein Motto hilft ihr: Selbst an der Tour de France gibt es Fahrerinnen, die bergauf stärker sind und andere, die dafür stärker sprinten.

Ihre Schuhe kommen aus dem 3D-Drucker

Rigling startete im Zeitfahren am Dienstag als Vizeweltmeisterin – nun ist sie Weltmeisterin. Diesen Titel hat sie im Strassenrennen schon letztes Jahr in Schottland geholt. So startetsie am Samstag als Titelverteidigerin! In den letzten Monaten hat sie Medaillen gesammelt, wie andere Briefmarken. Fünf räumte sie vor einem Jahr an der WM in Schottland ab, wo sie auch auf der Bahn fuhr. Im Frühling bei der Bahn-WM in Rio kamen nochmals fünf dazu. Und zuletzt an den Paralympics in Paris Silber und Bronze. Der Kampf um die Medaillen in Zürich war trotzdem hart: «In meiner Kategorie sind alle da, die Rang und Namen haben.»

Rigling macht neben der Strecke alles, um immer weiterzukommen. Ihr Leben als Para-Radfahrerin? Hochprofessionell. «Ich bin ein eigenständiges Unternehmen», sagt sie. Ein Trainer-Team, Aeordynamik-Experten, Krafttrainer in Magglingen, Nati-Trainer, Sport-Psychologin, Ernährungsberatung, Orthopäden, Physio – alles ist dabei. Teile ihres Velos und die Schuhe kommen nun aus dem 3D-Drucker.

Das Tüfteln begleitet sowieso ihr Leben. Schon immer musste sie nach speziellen Lösungen suchen. Es begann beim Stricken, wo sie eine spezielle Halterung brauchte. So kann sie Pullover selber machen. Bei ihrem ersten Rennvelo musste sie den Lenker verändern, um sich besser abstützen zu können. Also testete sie mithilfe der Ausläufe verschiedener Spritzkannen geeignete Winkel und entwickelte zusammen mit ihrem Vater und ihrem Velomech Marc Nägeli Prototypen.

Zürich 2024: Programm Para-Rad-WM

Di, 24.9.
Zeitfahren Frauen C1-3, 11 Uhr (mit Rigling, C2, 12 Uhr)
Zeitfahren Frauen H3-5, 11 Uhr
Zeitfahren Männer C1-3, 11 Uhr
Zeitfahren Männer H1-5, 11 Uhr
Zeitfahren Frauen T1-2, 16 Uhr

Do, 26.9.
Strassenrennen Männer H1-2, 9 Uhr
Strassenrennen Frauen H1-5, 9 Uhr
Strassenrennen Männer C4-5, 12.15 Uhr

Fr, 27.9.
Strassenrennen Männer C2, 8.30 Uhr
Strassenrennen Frauen T1-2, 11 Uhr

Sa, 28.9.
Strassenrennen Männer H3, 8.15 Uhr
Strassenrennen Frauen C1-3, 10.45 Uhr (mit Rigling, C2)
Strassenrennen Frauen C4-5, 10.45 Uhr

So, 29.9.
Strassenrennen Männer H4, ab 9.45 Uhr

Di, 24.9.
Zeitfahren Frauen C1-3, 11 Uhr (mit Rigling, C2, 12 Uhr)
Zeitfahren Frauen H3-5, 11 Uhr
Zeitfahren Männer C1-3, 11 Uhr
Zeitfahren Männer H1-5, 11 Uhr
Zeitfahren Frauen T1-2, 16 Uhr

Do, 26.9.
Strassenrennen Männer H1-2, 9 Uhr
Strassenrennen Frauen H1-5, 9 Uhr
Strassenrennen Männer C4-5, 12.15 Uhr

Fr, 27.9.
Strassenrennen Männer C2, 8.30 Uhr
Strassenrennen Frauen T1-2, 11 Uhr

Sa, 28.9.
Strassenrennen Männer H3, 8.15 Uhr
Strassenrennen Frauen C1-3, 10.45 Uhr (mit Rigling, C2)
Strassenrennen Frauen C4-5, 10.45 Uhr

So, 29.9.
Strassenrennen Männer H4, ab 9.45 Uhr

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Direkt vor den Paralympics hat die Politik-Studentin auch noch die Masterarbeit eingereicht. Ein Mammutprogramm. Parallel war sie für Höhentrainings auf dem Bernina und wie regelmässig auch Rad-Stars wie Stefan Küng auf dem Säntis. «Im Bähnli nach unten habe ich erfahren, dass ich für Paris selektioniert bin», erzählt Rigling. So wurde der Sommer lanciert. Und nun endet er bei der Heim-WM mit mindestens einer Goldmedaille.

Dies ist eine aktualisierte Version nach der Gold-Fahrt von Rigling. Der Artikel erschien in einer ersten Fassung bereits vor dem Rennen. 

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