Cancellara über das Drama von Nizza
«Es sind Horror-Tage!»

Trotz Terror rollt die Tour de France weiter. Der Sport aber kann nicht alles vergessen machen. Altmeister Fabian Cancellara (35) gewährt BLICK Einblicke in sein Seelenleben.
Publiziert: 16.07.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 02:21 Uhr
Fabian Cancellara fährt seine elfte und letzte Tour de France.
Foto: Tim De Waele / Freshfocus
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Hans-Peter Hildbrand

Das erste Zeitfahren dieser Tour de France nach Caverne de Pont (37,5 km) gewinnt Tom Dumoulin. Der Holländer knöpft Tour-Leader Chris Froome mehr als eine Minute ab. Trotzdem: Der Brite ist der grosse Gewinner – er baut seinen Vorsprung als Leader deutlich aus. Fabian Cancellara fährt nur auf Platz 23 mit 3 Minuten Rückstand. Der Berner erlebt keinen guten Tag.

Es ist 16.25 Uhr. Auf dem Parkplatz vor dem Hotel «Domaine des Oliviers» steht nur der Lastwagen des Trek-Teams. Ein Mechaniker reinigt die Zeitfahr-Maschinen. Ein Team-Auto bringt Fabian Cancellara (35) ins Hotel. Seit seinem Start sind knapp viereinhalb Stunden vergangen.

Man sieht es ihm an. Er ist angeschlagen. Der sonst so stämmige Berner steht im fürchterlichen Mistral wacklig auf den Beinen. «Ich muss endlich unter die Dusche», sagt er. So, als müsste er nicht nur Staub und Dreck wegspülen.

«Es hat mir abgelöscht»

Am späteren Nachmittag, nach einer langen Massage, sieht der Berner wieder frischer aus. Doch die letzten 48 Stunden haben ihn ausgelaugt. «Es sind einfach Horror-Tage» sagt er mit gedämpfter Stimme. «Was soll ich zu dem Attentat in Nizza sagen? In was für einer Welt leben wir – mir fehlen einfach die Worte.»

Fabian Cancellara fährt seine elfte und letzte Tour de France. Und eigentlich ist er nur hier, weil sich das Rennen am Montag und Dienstag in seiner Heimatstadt Bern präsentiert. Ob er nun will oder nicht, er muss sich durchbeissen. Sich mit dem Moloch Tour herumschlagen.

Für ihn ist es nicht einfach. «Ich bin motiviert in dieses Zeitfahren gestartet», erzählt er. «Dann sehe ich plötzlich meinen belgischen Teamkollegen Edward Theuns am Boden liegen. Er hat eine Halskrause an, wie Stefan Küng an den Meisterschaften in Martigny. Dann hat es mir abgelöscht, die Beine abgeschnitten.»

Der vierfache Zeitfahr-Weltmeister ist geschlagen. Es ist eine Niederlage, die ihn nicht ärgert. «Sie macht mir keine Angst», sagt er. «Ich weiss, was ich im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Rio tun muss.»

Dann erzählt er weiter, wie hilflos er am Mont Ventoux gewesen sei. «Die Fans standen alle auf der Strasse, machten einen fürchterlichen Lärm. Es gab kein Durchkommen. Ja, ich hatte Panik.»

Er habe so eine halbe Minute gebraucht, um sich zu fassen und irgendwie ins Ziel zu fahren. «Zum Glück muss ich das nicht mehr erleben. Und mich nicht mehr über die Tour-Organisation ärgern. Ich hoffe nur, so ein Chaos passiert nicht in Bern.»

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