Carapaz gewinnt als erster Ecuadorianer den Giro
Der stille Held aus den Anden

Richard Löwenherz? Nein, Richard Carapaz! Der 25-Jährige aus Ecuador gewinnt den Giro sensationell – auch, weil man ihn unterschätzt hat.
Publiziert: 02.06.2019 um 17:29 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2019 um 09:17 Uhr
Mathias Germann

Zu Beginn eine Frage: Haben Sie vor drei Wochen auf 10 Franken auf Richard Carapaz als Giro-Sieger gewettet? Wenn ja, herzliche Gratulation! Dann hatten Sie Insider-Kentnisse, ein super Gespür oder einfach Glück. Fakt ist: Sie sacken nun, je nach Wettbüro, etwa 800 Franken ein. Eine schöne Rendite. 

Der Erfolg des Equadorianers Carapaz ist eine kleine Sensation. Einer guter Hand voll anderer Fahrer (Roglic, Nibali, Dumoulin, Lopez, Landa, Zakarin) wurden bessere Sieg-Chancen eingeräumt. Sie alle blieben auf der Strecke – auch, weil sie Carapaz unterschätzt haben und auf der 14. Etappe hinauf nach Courmayeur ziehen liessen. Ein fataler Fehler. Der 25-Jährige Carapaz, im Vorjahr immerhin Giro-Vierter, schlug gnadenlos zu. Und behielt Rosa bis heute. «Meine Freude ist unbeschreiblich», sagt er.

Carapaz war letztlich ein Wolf im Schafspelz. Unscheinbar, aber immer auf der Höhe. Und gierig. Carapaz, Giro-Sieger 2019. Tönt verrückt. Nie zuvor gewann ein Mann aus dem 17 Millionen Menschen zählenden Anden-Land eine grosse Rundfahrt. Bis heute. Beim abschliessenden Zeitfahren in Verona lässt Carapaz nichts mehr anbrennen, er verteidigt seinen Vorsprung souverän. Und darf sich nun auf eine Heiligsprechung in seinem Heimatland gefasst machen. Präsident Lenin Moreno meinte bereits vor einigen Tagen: «Danke für die Freude, die Sie uns machst. Das ganze Land ist in Feststimmung. Wir werden Ihnen jene Anerkennung geben, die Sie verdienen.»

Der Erfolg des Equadorianers Carapaz ist eine kleine Sensation.
Foto: AFP
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Die harte Jugend sorgt für den Erfolg

Vielleicht wird dann auch Carapaz, der fast nie lächelt und nur langsam spricht, richtig feiern. Er hat es verdient. Schon in jungen Jahren musste die «Lokomotive aus Carchi», einem Städtchen auf 3000 Meter Höhe, hart für seinen Traum arbeiten. Als er 15 Jahre alt war, erkrankte seine Mutter an Krebs. Der Bauern-Sohn musste fortan zusammen mit seinem Grossvater den Milchbetrieb in Schwung behalten. Sein Tagesablauf: Aufstehen um 4 Uhr, die Kühe melken, zur Schule fahren, zurückkommen, Essen machen, mit dem Rad trainieren gehen, zurückfahren, die Kühe füttern, Wasser geben, misten, essen, ins Bett gehen. «So habe ich gelernt, Verantwortung zu übernehmen», erzählt Carapaz.

Ende Februar stellte Carapaz ein beeindruckendes Bild auf Instagram. Er mit seinem ersten Rad, einer Art BMX-Maschine. Uralt, verrostet, ohne Reifen. «Wenn ich daran denke, dass alles so begann», schrieb er dazu. War es eine Vorahnung? Sicher ist: Der stille Held ist ganz oben angelangt.

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