Früher wurde sie belächelt, jetzt jubelt sie über Siege
Reusser ist längst keine Aussenseiterin mehr

Marlen Reusser (31) ist ausgebildete Ärztin und Rad-Quereinsteigerin. Viele trauten ihr deshalb wenig zu. Doch die Bernerin siegt und jubelt. Wie hat sie das geschafft?
Publiziert: 30.05.2023 um 20:29 Uhr
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Mathias GermannReporter Sport

Sie wurde lange unterschätzt und oft belächelt: Marlen Reusser (31). Die Bernerin aus Hindelbank, eine ausgebildete Ärztin, ja. Aber eine Radrennfahrerin? Als sie 2017 ihre erste Rad-Lizenz löste, war sie bereits 25 Jahre alt. Ihr Talent im Zeitfahren war offensichtlich, aber in Strassenrennen würde sie sich nicht behaupten können, dachten viele. «Ich fand immer, dass dies keine sehr schlaue Ansicht ist», sagt sie.

Längst hat Reusser bewiesen, dass sie sich nicht nur im Kampf gegen die Uhr, sondern auch im Peloton behaupten kann. Vor vier Jahren wurde sie Profi und arbeitete sich stets nach oben. In dieser Saison gewann sie den belgischen Klassiker Gent-Wevelgem, wurde Dritte bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und erreichte beim Etappenrennen Itzulia Woman einen Etappen- und den Gesamtsieg. «Ich musste zuerst checken, wie Strassenrennen laufen. Das hat seine Zeit gebraucht. Aber dass ich einen grossen Motor habe, sah man schon vor vielen Jahren», sagt sie.

32 Erfolge – Reussers Team ist fast unbesiegbar

Entscheidend für Reussers Durchbruch in die Weltelite war 2022 der Wechsel zum holländischen Spitzenteam SD Worx. «Das war ein grosser Sprung, alles wurde auf einen Schlag viel professioneller, einfach besser.» Die überragende Bilanz von Reussers Team in diesem Jahr: 32 Siege. Das sind 23 Erfolge mehr als die zweitbeste Mannschaft FDJ-Suez (9 Siege). «Ich weiss nicht, ob es so etwas schon einmal gab.»

Marlen Reusser kommt aus dem Jubeln nicht mehr heraus. Nun geniesst sie einige ruhige Tage zu Hause in Hindelbank.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Reusser ist mittlerweile in der UCI-Weltrangliste auf Rang 2 geklettert – nur ihre Teamkollegin und Seriensiegerin Demi Vollering (26, Ho), die auch in der Schweiz wohnt, ist noch besser. Wie schafft man es, dass das Team zusammenhält?

Sieg bei der Tour de Suisse?

Reusser erzählt von ihren ersten Gesprächen mit dem Team: «Die erste Frage war nicht, welche Ziele ich habe und was ich gewinnen will. Nein, man fragte mich, wie ich in einer Gruppe funktioniere.» Das sei typisch für die Teamleitung. «Wir verstehen uns zwischenmenschlich sehr gut, jede gönnt der anderen den Erfolg und ist sich nicht zu schade, für sie zu arbeiten.»

Reussers nächstes grosses Ziel ist die Tour de Suisse (17. bis 20. Juni). Die Rundfahrt hat erstmals World-Tour-Status. Dort zählt Reusser zu den Favoritinnen auf den Gesamtsieg. «Wenn alles gut läuft, kann ich es schaffen!»

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