Para-Athlet verweigert Unterschrift bei Schweizer Verband und flüchtet nach Ghana
«Das ist ein Knebelvertrag!»

Eine verweigerte Unterschrift steht am Anfang des verrückten Traums von Patrik Ifanger. Der Para-Athlet aus Obwalden sorgt in Ghana für Furore – mit einem klaren Ziel. Doch die Zeit drängt.
Publiziert: 03.09.2023 um 20:18 Uhr
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Aktualisiert: 07.09.2023 um 21:34 Uhr
Dank seinem pinken Bein und Hinterrad ist Patrik Ifanger in der Behindertensport-Szene weltweit bekannt.
Foto: Siggi Bucher
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Nicola AbtReporter Sport

Drei Tage war Patrik Ifanger (51) in Ghana. Seither kennt ihn das ganze Land. «Unser Plan scheint aufzugehen», sagt der Schweizer Para-Athlet. Der Bahnfahrer ohne rechtes Bein träumt von den Paralympischen Spielen 2024 in Paris. Gerne würde er für die Schweiz starten, wäre da nicht der Zoff mit dem Behindertensportverband (Plusport).

Zum Eklat kam es im Herbst 2022. Wie jedes Jahr erhielt Ifanger den Sponsoringvertrag für das Nachwuchs- und Förderkader zugeschickt. In Absprache mit seinem neuen Manager Simon von Allmen (36), der eine Sportmarketing- und Kommunikationsagentur betreibt, verweigerte er die Unterschrift. Der Grund? «Das ist ein Knebelvertrag!», tobt Ifanger.

Sein Manager doppelt nach: «Dieser Vertrag bringt ihm nichts, ausser Einschränkung. Es werden ihm Dinge vorgeschrieben, die ihn für neue Sponsoren unattraktiv machen und viel Geld kosten.» Der Vertrag, den heute jeder Plusport-Athlet jährlich erhält, liegt SonntagsBlick vor.

Verband kontrolliert Sponsoren-Einnahmen

Sucht sich ein Athlet Sponsoren, um gewisse Kosten zu decken, nimmt sich Plusport das Recht heraus, ihre Unterstützungsgelder zu kürzen. So steht es im Vertrag: «Falls andere finanziell wichtige Partner existieren, kann in Absprache mit Plusport die Partnerschaft zurückgestuft werden. Dies kann in Konsequenz Auswirkungen auf unsere Leistungen gegenüber dem Athleten haben (reduzierte/keine Subventionen für Trainings und Wettkämpfe usw.).»

Die Sponsoren-Einnahmen müssen die Athleten dem Verband «unmittelbar und unaufgefordert» offenlegen. «So werden die Anreize des Athleten gehemmt, selbst Sponsoren zu finden», moniert von Allmen. Der Vertrag hält zudem fest, dass Plusport Sponsoren, die einen Athleten unterstützen möchten, ablehnen kann.

Ärger über Kleider-Vorschrift

Für Ifanger-Coach Matthias Minder, der selbst ein Bahnteam hat, ist klar: «Ich würde meinen Athleten nie einen solchen Vertrag vorlegen. Er ist sehr einseitig. Die Fahrer müssen viel geben, erhalten aber kaum etwas.» So schreibt der Verband vor, dass der Athlet mit ihren Kleidern fahren muss. «Als Sponsor will ich aber, dass er meine Sachen trägt», sagt Minder.

Der Verband hält dagegen: «Von Athletenseite wurde nie eine Anfrage zur Genehmigung von Sponsoren gestellt. Plusport befürwortet die Suche nach Sponsoren, unterstützt auch phasenweise Athleten und Athletinnen dabei und würde nie zum Nachteil eines Athleten handeln.»

Eine wegweisende Begegnung

Nach der Unterschrifts-Verweigerung kam Ifanger eine Idee: Wieso nicht für eine andere Nation starten? Sein Lotto-Sechser war die Begegnung mit Carlos Mäder (44), der Generalsekretär des ghanaischen Skiverbandes.

Ghana-Kenner Mäder überzeugte den Schweizer zu einem Afrika-Wechsel. Doch wie erhält ein Obwaldner ohne jeglichen Ghana-Bezug in der Schnelle einen Pass? «Wir entwickelten einen Masterplan», erklärt Mäder schmunzelnd. Diesen mussten sie jedoch gleich mehrfach anpassen. «In Ghana läuft alles ein wenig anders.» Sie suchten den Kontakt zu den einflussreichsten Personen im Land.

Rekord-Fahrt als Revanche

Dank unzähligen Gesprächen konnten sie die Verantwortlichen überzeugen. «Pädi ist ein Vorbild, ein Türöffner für Sponsoren», sagt Mäder. Der wohl entscheidende Schachzug war die Reise nach Ghana vor wenigen Wochen. «Jetzt wissen sie, wer Pädi ist. Die grössten Medien berichteten über den Fall.»

Ende Jahr wird in Ghana ein Velodrom für 60 Millionen Dollar eröffnet. Dass Afrika keine offiziellen Bahnrekorde hat, will Ifanger zu seinem Vorteil nützen. «Pro Kontinentalrekord erhält Ghana eine Stange Geld. So kann ich mich für die Einbürgerung revanchieren.» 

Noch immer wartet er auf den ghanaischen Pass. Sobald er ihn hat, muss er sich in einer landesinternen Qualifikation durchsetzen. Ghana besitzt einen Startplatz auf der Bahn. Eine Alibi-Übung. «Ihnen fehlen anständiges Material und gute Trainingsbedingungen.» Beim Besuch in Ghana durfte er mit dem «besten» ghanaischen Rennvelo fahren. Die Bremsen waren kaputt und die Schaltung funktionierte kaum.

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