Mäder über historischen Vuelta-Ritt
«Kurz vor Schluss wollte ich aufgeben»

Zum ersten Mal in diesem Jahrtausend fährt ein Schweizer in die vorderen Ränge einer grossen Rundfahrt: Gino Mäder wird Fünfter an der Vuelta. Im Interview mit Blick sagt er, wie brutal die letzten Tage der Spanien-Rundfahrt waren.
Publiziert: 06.09.2021 um 19:10 Uhr
Gino Mäder sorgt bei der Vuelta für starke Schweizer Leistungen.
Foto: Getty Images
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Mathias Germann

Blick: Gino Mäder, mit Platz 5 bei der Vuelta beenden Sie eine lange Schweizer Durststrecke. Wissen Sie, welche?
Gino Mäder: Es lag wohl schon lange keiner mehr am Ende einer grossen Rundfahrt so weit vorne.

Genau. Wer war der letzte?
Tony Rominger?

Fast. Alex Zülle wurde 1999 bei der Vuelta Zweiter. Seither fuhr nie mehr jemand in die Top 5.
Die sporthistorische Komponente ist mir momentan noch nicht bewusst. Ich bin einfach zufrieden, wie gut die letzten drei Wochen liefen.

Sie waren der Edelhelfer von Jack Haig, der Dritter wurde. Auch das ist ein grosser Erfolg. Wie war die Party danach?
Ganz ehrlich? Ich weiss es nicht, denn ich war einer der ersten, der nach dem Abendessen ins Zimmer ging. Ich war schlicht zu müde, um zu feiern.

Wie ist es am Tag danach?
Ähnlich. Ich bin ausgelaugt, der Kopf ist komplett durch – einfach kaputt.

Wie macht sich das bemerkbar?
Physisch war es zwar eine harte Rundfahrt, aber ich könnte wohl noch eine Woche weiterfahren. Es ist vielmehr der psychische Stress, der mir zu schaffen macht. Das war schon in den letzten Tagen so. Da merkte ich, dass ich in Gesprächen auf Englisch oder Französisch plötzlich geistig ausstieg. Ohne Grund. Oder ich wusste nicht mehr, wo ich mein Handy hingelegt hatte.

Im Rennen war es aber kein Problem?
Weniger. Aber ich muss zugeben, dass ich wenige Etappen vor Schluss eigentlich aufgeben wollte.

Warum taten Sie es nicht?
Es war ein Schlussanstieg, ich war am Hinterrad meines Teamkollegen Jack Haig und dachte auf einmal: Nein, du darfst ihn nicht im Stich lassen. Ich fuhr also weiter – es lohnte sich.

Sind Sie nun der in der Schweiz so ersehnte Rundfahrt-Spezialist?
Um das zu sagen, ist es noch zu früh. Zu einem Spezialisten fehlt mir noch einiges. Im Zeitfahren zum Beispiel. Aber auch im Seitenwind bin ich zu anfällig.

Sie gehen wie immer hart mit sich ins Gericht.
Der Weg, den ich eingeschlagen habe, ist richtig. Diese Bestätigung gibt mir Kraft. Aber es fehlt noch viel, um ganz vorne zu landen.

Sie holten das Trikot des besten Jungprofis und schlugen dabei Stars wie Egan Bernal. Was bedeutet Ihnen das?
Ich hatte auch Glück, dass Bernal bei einer windigen Etappe viel Zeit verlor. Aber klar, es ist eine schöne Auszeichnung.

Werden Sie wenigstens zu Hause feiern?
Zuerst will ich mal daheim ankommen. Nächste Woche ist die Europameisterschaft, meine Freundin hat Geburtstag. Wer weiss, vielleicht kann sie mitkommen.

Was ist mit der Weltmeisterschaft?
Die Strecke kommt meinen Fähigkeiten nicht entgegen. Aber ich werde mit Michael Albasini, dem Nationaltrainer, reden. Mal schauen – wenn ich wirklich helfen kann, bin ich dabei.

Sie gewannen in diesem Jahr eine Etappe des Giro, die Königsetappe der Tour de Suisse und wurden Fünfter bei der Vuelta. Ein Traum?
Wenn ich mal einen Moment Ruhe habe, werde ich es sicher geniessen, zurückzuschauen. Noch ist aber immer das nächste Rennen das Wichtigste.

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