«Seine Chancen waren noch nie so gut wie dieses Jahr»
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Fabian Cancellara über Küng:«Seine Chancen waren noch nie so gut wie dieses Jahr»

Olympiasieger Fabian Cancellara (41) analysiert die besten Schweizer Rad-Profis
So stehen die Chancen der Radgenossen

Sie sind unbekümmert und schnell: Stefan Küng (28), Marc Hirschi (23), Stefan Bissegger (23), Gino Mäder (25) und Mauro Schmid (22). Wozu sind sie 2022 fähig?
Publiziert: 02.04.2022 um 14:55 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2022 um 19:38 Uhr
Mathias Germann

Insgesamt 15 Rad-Profis stellt die Schweiz im Jahr 2022. Für die fünf hoffnungsvollsten unter ihnen wagt der zweifache Olympiasieger Fabian Cancellara (41) eine Saison-Prognose.

Stefan Küng (28): Zwischen Himmel und Hölle

An seinen Palmarès kommt in der Schweiz keiner ran: Stefan Küng ist mit 22 Profi-Siegen der aktuell erfolgreichste Radgenosse. Und er ist jener Fahrer, den man auch in den nächsten Wochen besonders im Auge haben sollte. «Ich bin so gut drauf wie noch nie zu dieser Zeit», sagt Küng vor den Frühjahrs-Klassikern. Flandern-Rundfahrt, Amstel Gold Race, Paris–Roubaix – Kopfsteinpflaster, Staub, Schlamm. Was für viele ein Albtraum ist, lässt Küngs Herz höher schlagen. Vor allem der berüchtigten «Hölle des Nordens» von Paris nach Roubaix (17. April) gilt seine Liebe. Und das, obwohl er hier 2016 von einem Auto überfahren wurde (Diagnose: Arm gequetscht) und 2018 derart heftig mit dem Gesicht auf den Asphalt knallte, dass sein Kiefer brach. 2020 wurde Küng Elfter – seither weiss er, dass ein Sieg keine Utopie ist, sondern Ziel sein darf. Bei Groupama-FDJ ist er zusammen mit Arnaud Démare (30, Fr) Leader. Küngs spätere Ziele sind die Tour de Suisse und Tour de France, dazu die EM und die WM. Überall dort will er vor allem eines: Zeitfahrsiege hamstern.

Cancellara meint: «Ich traue Stefan mehr zu als letztes Jahr, weil seine Vorbereitung gut war. Die Weichen sind gestellt, um vorne mitzufahren – nicht nur bei den Zeitfahren.»

Stefan Küng ist derzeit der erfolgreichste Schweizer Rad-Profi.
Foto: Getty Images
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Marc Hirschi (23): Endlich schmerzfrei

Im vergangenen Dezember hatte Marc Hirschi genug. Er legte sich im Kantonsspital Luzern unters Messer, um endlich schmerzfrei zu sein. «Dabei wurde während 90 Minuten ein Teil des Oberschenkelknochens abgeschliffen. Nun hat er mehr Platz, um sich zu bewegen», erklärt er. Drei Monate später gab der Rad-Diamant aus Ittigen BE sein Comeback. Und siegte beim Rennen «Per Sempre Alfredo» in der Toskana solo. Die Hoffnung ist gross, dass Hirschi an sein Glanz-Jahr 2020 (Tour-de-France-Etappensieg, Bronze bei der WM) anknüpfen kann. Aber es stellt sich die Frage: Bekommt er bei UAE Emirates, dem Team von Superstar Tadej Pogacar (23, Slo), genügend Freiheiten? «Ich muss meine Ambitionen nicht zurückstellen», ist Hirschi überzeugt. Er fühlt sich jedenfalls wieder wohl auf dem Rad: «Die Operation war eine Befreiung.»

Cancellara meint: «Marc ist definitiv angekommen in seinem neuen Team. Klar, Pogacar ist die Nummer 1. Aber die Mannschaft hat einen Plan für alle, das beweisen die 22 Siege in diesem Jahr eindrücklich.»

Stefan Bissegger (23): Er schlägt auch den Weltmeister

Der «Muni» aus dem Thurgau zeigte in dieser Saison schon früh seine Hörner. Ende Februar schlug Bissegger beim Zeitfahren der UAE-Tour den zweifachen Weltmeister Filippo Ganna (25, It) und den zweifachen Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar (23, Sln). «Ich wusste, dass ich zwäg bin. Und dass das Material passte. Es war ein super Tag», so Bissegger. Das Problem: Es ging nicht im gleichen Stil weiter. Das Jungtalent von EF Education-EasyPost war immer wieder krank – auch jetzt, weshalb er die Flandern-Rundfahrt verpassen wird. «Ich hatte nie Corona, aber durch das ständige Tragen der Maske, den Abstand zu anderen und das Desinfizieren ist mein Körper nicht mehr darauf trainiert, andere Viren abzuwehren. Bei harten Rennen wird unser Immunsystem geschwächt – da braucht es nicht viel, und man wird krank», so Bissegger.

Cancellara meint: «Stefan ist für mich der unberechenbarste aller Schweizer Rad-Profis. Er kann an drei Fronten glänzen: bei den Zeitfahren, Prologen und bei Klassikern. Er bringt ein gutes Selbstvertrauen mit.»

Gino Mäder (25): Träumen ist endlich erlaubt

Im letzten Jahr gelang dem Wahlzürcher endgültig den Durchbruch: Mäder hamsterte je eine Etappe beim Giro d’Italia (Solosieg bei Bergankunft) und bei der Tour de Suisse (Bergzeitfahren in Andermatt). Vor allem aber wurde er Gesamt-Fünfter bei der Vuelta, obwohl er beim Team Bahrain-Victorious nur Helfer war. Mäder war der erste Schweizer seit Alex Zülle im Jahr 1999, der eine grosse Rundfahrt in den Top 5 beendete. «Zu einem Rundfahrten-Spezialisten fehlt mir noch einiges. Aber klar, dieses Resultat gibt mir Kraft», so Mäder. Gut möglich, dass er bei der Tour de Suisse auf eigene Faust fahren darf.

Cancellara meint: «Es wäre der Hammer, wenn Gino die Tour de Suisse gewinnen könnte. Klar, die Erwartungshaltung ist jetzt grösser. Aber ich glaube an ihn.»

Mauro Schmid (22): Neues Umfeld, nächster Sieg

«Mauro wer?», fragte sich manch einer vor knapp einem Jahr. Damals gewann Mauro Schmid die 11. Etappe des Giro in Montalcino. Nie zuvor hatte der Bülacher eine Grand-Tour bestritten. Und auch 2022 schlug Schmid bereits einmal zu, bei der Settimana Internazionale Coppi e Bartali siegte er für sein neues Team (Quick-Step). «Ich fühle mich sehr wohl in der Mannschaft. Und wenn ich Freiheiten bekomme, nehme ich sie mir auch», sagt er. Gut möglich, dass der Mann mit dem guten Renninstinkt die Favoriten weiterhin ärgern wird.

Cancellara meint: «In dieser neuen, grossen Equipe wird Mauro viel lernen. Er ist bodenständig, hat aber keine Angst, sondern fährt drauflos. Die Ardennen-Klassiker könnten ihm besonders gut liegen.»

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