«So einen wie mich gäbe es heute nicht mehr»
Hollenstein ist unser Rad-Dino

Reto Hollenstein ist mit seinen 38 Jahren der Schweizer Rad-Dino. Besonders ist dabei sein Werdegang: Er fand erst spät zum Radsport – zu einem Dauerbrenner wurde er dennoch.
Publiziert: 01.10.2023 um 11:36 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2023 um 21:16 Uhr

Er fährt und fährt und wird nicht müde. «Der Radsport ist meine Leidenschaft. Ich liebe, was ich tue», sagt Reto Hollenstein (38). Der Thurgauer aus Sirnach macht dies schon seit 15 Jahren auf höchstem Niveau. Rechnet man allein die Rennkilometer zusammen, umrundete er fast viermal die Erde. «Daran habe ich nie gedacht. Aber es ist schon krass, dies so zu hören. Es zeigt, wozu der menschliche Körper fähig ist.»

Hollenstein ist mit 38 Jahren der älteste Schweizer in der World Tour. Er ist unser Rad-Dino! Ihn stört die Bezeichnung nicht. Im Gegenteil: «Ich bin stolz, dass ich so viele Jahre dabei bin. Längst nicht alle haben mir das zugetraut, aber ich habe immer weitergekämpft. Und offensichtlich bin ich auch mit 38 noch immer gut genug», sagt der Profi des Teams Israel-Premier Tech schmunzelnd. 

Er schuftet für andere – und tut es gern

Betrachtet man die Zahlen von Hollensteins Karriere, kann man sich schnell in ihnen verlieren – es sind enorm viele. Eine fällt aber sofort auf – da steht eine Null. Kein einziges der 1052 Rennen konnte der Rad-Riese (1,97 m) für sich entscheiden. 2016 fehlten vier Sekunden zum Sieg der Belgien-Rundfahrt, zweimal wurde er Vize-Schweizer-Meister im Zeitfahren, bei der WM 2016 in Doha im Kampf gegen die Uhr Neunter. 

Reto Hollenstein (38) ist der älteste Schweizer in der World Tour. Wir treffen den Thurgauer im Sauriermuseum Aathal ZH.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Zeitfahr-SM ohne Küng und Reusser

Eigentlich hätte die Schweizer Meisterschaft im Zeitfahren am 22. Juni über die Bühne gehen sollen. Weil wenige Tage davor Radprofi Gino Mäder (†26) nach seinem Sturz bei der Tour de Suisse starb, wurden die Rennen verlegt. Sie finden am Sonntag in Gansingen AG statt. Männer und Frauen der Kategorie Elite absolvieren einen Parcours über 31,2 Kilometer – ein Grossteil der Strecke führt dem Rhein entlang. Der ganze Event dauert von 8 Uhr bis 14.15 Uhr. Stefan Küng (29) fehlt nach seinem Sturz bei der EM ebenso wie Marlen Reusser (32) – sie hat ihre Saison beendet.

Stefan Bissegger ist der Top-Favorit bei den Herren. Er holte zuletzt bei der EM Zeitfahr-Silber.
keystone-sda.ch

Eigentlich hätte die Schweizer Meisterschaft im Zeitfahren am 22. Juni über die Bühne gehen sollen. Weil wenige Tage davor Radprofi Gino Mäder (†26) nach seinem Sturz bei der Tour de Suisse starb, wurden die Rennen verlegt. Sie finden am Sonntag in Gansingen AG statt. Männer und Frauen der Kategorie Elite absolvieren einen Parcours über 31,2 Kilometer – ein Grossteil der Strecke führt dem Rhein entlang. Der ganze Event dauert von 8 Uhr bis 14.15 Uhr. Stefan Küng (29) fehlt nach seinem Sturz bei der EM ebenso wie Marlen Reusser (32) – sie hat ihre Saison beendet.

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«Ich bin in vielen Bereichen des Radsports ziemlich gut, aber nirgends überragend. Das wurde mir früh bewusst.» Die Folge? Er entschied sich dafür, der bestmögliche Helfer zu werden. «Andere wollten sich nicht in den Dienst ihrer Captains stellen, sondern machten ihr Ding. Viele von ihnen sind nicht mehr dabei.» 

«Das finde ich schade»

Hollensteins Arbeitsmoral, Akribie und Treue wurden und werden im Profi-Zirkus geschätzt. Immer wieder erhielt er Verträge – auch dann, als sich seine Teams in Luft auflösten (2016 IAM, 2019 Katusha). Sein Ruf eilte ihm voraus – wer Hollenstein holte, wusste genau, was er bekommen würde. 

Besonders war auch Hollensteins Einstieg in den Sport: Er machte eine Ausbildung zum Elektromonteur, fuhr daneben Velo, war Kunstturner und ging ins Militär. Noch mit 23 arbeitete er zu 50 Prozent. «Heute setzt man fast nur noch auf junge Fahrer. Ich finde das schade. So einen wie mich, mit meinem Lebensweg, gibt es heute jedenfalls nicht mehr.»

Zuletzt stürzte Hollenstein beim EM-Strassenrennen, die Rippen und der Daumen schmerzen. «Ist nicht so schlimm», sagt er. Statt die Schweizer Zeitfahrmeisterschaft in Gansingen AG wird er mehrere Rennen in Italien fahren.

Und dann? Noch hat Hollenstein keinen Vertrag für nächstes Jahr. «Dabei habe ich meine Leistung auch dieses Jahr gebracht», ist er überzeugt. «Aber leider wird immer mehr darauf geschaut, wie alt jemand ist, anstatt seine Arbeit zu analysieren. Ich würde jedenfalls gern weiterfahren.»

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