Tessin bringt keine Fahrer hin
Ex-Star Bertogliati (43) erklärt das Phänomen

Die fünfte Etappe der Tour de Suisse führt von Ambri nach Novazzano. Sicher ist: Ein Tessiner wird nicht gewinnen. Denn: Es ist keiner am Start.
Publiziert: 16.06.2022 um 10:03 Uhr
Mathias Germann

Viel Sonne, hohe Temperaturen und herrliche Landschaften: Das Tessin ist fürs Velofahren prädestiniert. Und trotzdem spielt unser südlichster Kanton im Rad-Zirkus keine Rolle. Die aktuell 15 Schweizer Profis stammen aus Zürich, Bern, Graubünden, Thurgau, Luzern, St. Gallen oder dem Wallis. Der letzte Tessiner, der eine Etappe der Tour de Suisse gewinnen konnte, war Attilio Moresi (1933-1995) vor 59 Jahren.

Ist das nur Zufall? Rubens Bertogliati (43) glaubt nicht daran. Zumindest in der jüngeren Vergangenheit sieht der letzte Ex-Profi aus Lugano einige Versäumnisse. «In den letzten zwei Jahrzehnten hatten wir im Tessin grosse Probleme mit dem Verkehr. Es gibt zu viele Autos und das Veloweg-Netz ist zu klein», sagt der Mann, der 2002 die erste Etappe der Tour de France gewann und das Maillot Jaune trug.

Das Tessiner Rad-Problem ist für Bertogliati tiefgreifend. Es fehle auch ein Velodrome wie beispielsweise in Grenchen SO oder Aigle VD, wo man in Ruhe auf der Bahn trainieren könne, findet Bertogliati. «Radfahren ist ein super Sport, aber man braucht die richtige Umgebung, um ihn auszuüben.» Die Folge sei, dass geschätzt 80 Prozent aller Tessiner lieber Mountainbike fahren würden – in sicherer Umgebung.

Rubens Bertogliati war der letzte Tessiner, der ein World-Tour-Rennen für die Schweiz gewann.
Foto: AP
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«Die Eltern haben Angst»

Auch Marcello Albasini (64) meint, dass die Infrastruktur im Tessin ungenügend sei. Der Ex-Nationaltrainer führt aus: «Früher war das Tessin eine goldene Ecke der Schweiz. Aber der Verkehr ist mittlerweile so katastrophal, dass die Eltern haben Angst, ihre Kinder mit dem Rad in die Schule zu schicken. Sie bringen sie darum mit dem Auto und vergrössern das Problem. Gleichzeitig kommen ihre Sprösslinge so zu wenig auf den Geschmack, später Rad zu fahren.»

Immerhin: Mit Linda Zanetti (20) steht derzeit eine Frau bei einem Profi-Team unter Vertrag. Genauer: Beim UAE Team ADQ, also jener Equipe, bei der Bertogliati als Team-Boss amtet. Und: Mit Filippo Colombo (24) hat es einer bis an die Weltspitze geschafft – allerdings im Mountainbike. «Er wäre auch auf der Strasse ein riesiges Talent. Das zeigte er zuletzt an der Tour de Romandie», so Ex-Profi Mathias Frank (35).

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