Afrika dreht am Rad – auch die Schweiz drehte mit
Das ist die eritreische Rad-Sensation Biniam Girmay

Früher schaute er sie im Kino, heute schaut ihm seine Familie dort zu: Biniam Girmay. Der eritreische Radstar gewann schon drei Tour-de-France-Etappen und schreibt so weiter an seinem eigenen Märchen – in dem auch die Schweiz mitspielt.
Publiziert: 12.07.2024 um 15:42 Uhr
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Nicolas HorniSportredaktor

«Ich will der erste Afrikaner sein, der eine Giro-Etappe gewinnt», sagt Biniam Girmay (24) im Mai 2022. Nur fünf Tage danach macht er seinen Traum wahr. Er sprintet in der 10. Etappe zum ersten Etappensieg – und knallt sich dann den Korken des Jubel-Proseccos in die Augen. 

Auch zwei Jahre später lässt es Girmay noch immer knallen – und wie! Nach 12 absolvierten Tour-de-France-Etappen stand der Eritreer schon drei Mal ganz oben. «Du hast Geschichte geschrieben. Du hast verdammt noch mal Geschichte geschrieben. Für Afrika. Für Intermarché. Wir sind so stolz auf dich», schrie Teamkollege Mike Teunissen schon nach Girmays erstem Podium. Seither schreibt er weiter an seinem Märchen.

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Die Tour de France im Kino geschaut

Eines, das seinen Ursprung, in der Hauptstadt eines der ärmsten Länder Afrikas hat. Asmara, die Stadt am Horn von Afrika. Seit der italienischen Kolonialherrschaft bis in die 30er-Jahre und wegen der klimatischen Bedingungen als Radsportmekka bekannt.

Das Auge zugekniffen: Biniam Girmay bejubelt im 2022 seinen ersten Etappensieg an der Giro d'Italia.
Foto: keystone-sda.ch
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In Girmays Leben steht früh aber nicht das runde Gummi, sondern das runde Leder im Fokus. «Das Beste war, dass wir in Asmara auf der Strasse spielen konnten, es gibt nicht so viele Autos. Nach der Schule konnten wir stundenlang Fussball spielen», erzählt er dem Radsportmagazin «Velo».

Die grosse Leidenschaft wird trotzdem der Radsport – wegen seines Vaters. Dieser kauft ihm ein gebrauchtes Velo. Mit 13 versucht er sich zwei Jahre lang im Mountainbike, geht dann auf die Strasse – und wird schnell der beste Junior des Landes. «Wenn im Fernsehen eine grosse Rundfahrt lief, schauten wir sie uns in Cafés an, oder manchmal gingen wir ins Kino, um die Tour de France anzuschauen», erzählt er.

Er trainierte mehrere Monate in der Schweiz

Genau dort, wo heute auch Girmays Familie ihrem Helden zujubelt. Zwar war der Plan, dass die Familie ihn vom Strassenrand aus anfeuert, die Ankunft verschob sich aber. «Die Stimmung zu Hause ist so wahnsinnig, dass meine Familie vielleicht auch gern da bleibt», erzählt er der «L’Equipe». Auf das Tour-Ende in Nizza hin soll sie aber doch noch kommen. 

Und dort dem 24-Jährigen vielleicht dabei zuschauen, wie er zum besten Sprinter der Tour de France gekürt wird. Bei einem Rennen, von dem er früher gedacht hatte, dass es nur für Weisse wäre, wie er «Eurosport» erzählte.

Ob Kür oder nicht, schon jetzt schreibt Girmay Geschichte – eine, in der auch die Schweiz vorkommt. 2018 und 2019 kommt Girmay für mehrere Monate in die Schweiz. Im World Cycling Centre des Weltradsportverbands in Aigle VD wird Girmay gefördert. «Ich kann mir gut vorstellen, dass Biniam auch bei anderen Klassikern wie dem Amstel Gold Race oder der Flèche Wallonne glänzt. Wer weiss, wo seine Grenzen liegen», sagt sein Trainer Jean-Jacques Henry damals.

Es ist noch mehr als das geworden: Korkenknallen auf den Podien des Giro und der Tour de France, als erster Afrikaner überhaupt.

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