Schneider: «Die Kühe geben leider nicht mehr Milch»
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Als König der Herzen:Schneider: «Die Kühe geben leider nicht mehr Milch»

Domenic Schneider will den ganz grossen Wurf schaffen
Der Apfelkönig in Zwilchhosen

Domenic Schneider ist bei den Fans der König der Herzen. Ein Besuch auf dem Bauernhof des Thurgauer Spektakelschwingers.
Publiziert: 05.05.2023 um 20:14 Uhr
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Felix BingesserReporter Sport

«Hier wohnt das Glück». So steht es an der Haustüre von Domenic Schneider auf seinem Bauernhof im thurgauischen Weiler Friltschen. Schneider steht vor dem Haus und schmunzelt verschmitzt. So wie es der schwere Brocken mit dem Lausbubengesicht meistens tut. Seine zwei Töchter packen noch einen Apfel ein, bevor sie von Mutter Olivia in die Spielgruppe gefahren werden. Die Landidylle ist perfekt.

Auch die Eltern von Domenic sind im Generationenhaushalt involviert. Seine Mutter hilft im Hofladen, sein Vater und sein Onkel unterstützen ihn im Stall und auf dem Feld. Und wenn Not am Mann ist, packt Bruder Mario, Spitzenschwinger wie Domenic, ebenfalls mit an. Auch die Grossmutter ist noch aktiv. Sie giesst die Blumen rund ums Haus.

Emotionen auf dem Festgelände

Schneider gehört mit seinen 145 Kilogramm verteilt auf 1,79 Meter nicht zu den absoluten Topathleten der Szene. Aber er ist mit seiner attraktiven und angriffigen Schwingweise spätestens seit dem Eidgenössischen in Pratteln zum König der Herzen geworden. Seine emotionalen Jubelstürme quer übers Festgelände sind legendär. Diese ansteckende Emotionalität ist für ihn aber eher untypisch. Denn eigentlich ist Schneider ein in sich ruhender Mensch. Lieber etwas zurückhaltend sein, lieber ein Wort weniger als ein falsches zu viel.

Domenic Schneider vor seinem Hofladen.
Foto: Pius Koller
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«Dodo» nennen sie ihn in Friltschen und auch auf den Schwingplätzen. «Den Namen habe ich seit der Zeit im Kindergarten», so Schneider. Irgendeiner der Buben wird mit der Aussprache Mühe gehabt haben. Aus Domenic wurde Dodo. Der Spitzname war geboren. Und Domenic war schon in Kindergartenzeiten wie sein Bruder Mario ein stattliches Bürschchen. «Leichtgewichte waren wir nie», lacht Schneider.

40 Kühe im Stall

Seit einigen Jahren führt der Familienvater und Spitzensportler nun den Bauernhof, der seit 101 Jahren in Familienbesitz ist. Sein Tag ist lang. «Um fünf Uhr beginne ich mit dem Melken.» Mehr als 40 Kühe stehen im Stall, unter anderem auch «Melina», die er im vergangenen Jahr vom Glarner-Bündner-Schwingfest als Lebendpreis mit nach Hause genommen hat. Wenn er dann am späteren Vormittag die Herde auf die Weide begleitet, sitzt er auf seinem vierradgetriebenen «Quad», das er beim Eidgenössischen in Zug mit aus dem Gabentempel genommen hat.

Zu tun hat er immer. Jetzt kommt die Heusaison. Dann sitzt er oft auf seinem Traktor. «Zwei starke Typen», steht da an der Seitentüre. Und die grosse Apfelplantage steht in Vollblüte. Sechzig Tonnen Mostobst werden da geerntet. Schneider macht Mostindien alle Ehre. Im Thurgau wird jedes Jahr die Apfelkönigin gewählt. Dodo ist das Pendant. Der Apfelkönig in Zwilchhosen. Vor dem TV-Gerät sitzt er nur ganz selten. Mal ein Skirennen, mal ein Eishockeymatch. Aber um einen Hof mit fast vierzig Hektar zu führen, bleibt für Netflix und Kaffeekränzchen keine Zeit. Um 22 Uhr ist im Haus Schneider Nachtruhe.

Dreimal pro Woche im Schwingklub

Und neben Familie und viel Arbeit gibt es noch das Schwingen. Dreimal in der Woche ist er im Training beim Schwingklub am Ottenberg. Dort, wo auch Sämi Giger schwingt. Im Training greifen sie oft zusammen. «Acht von zehn Gängen gewinnt Sämi», sagt Schneider.

Giger ist nicht nur ein Klubkollege, sondern auch ein Freund. Dass der Überschwinger der vergangenen Saison beim Eidgenössischen seiner Favoritenrolle nicht gerecht geworden ist und jetzt auch beim Thurgauer Kantonalen verhalten in die Saison gestartet ist, mag Schneider nicht gross kommentieren. «Der kommt schon noch», sagt er nur.

Neben dem Schwingtraining ist Schneider dreimal im Kraftraum. «Aber wenn es zeitlich eng wird, dann lasse ich das Krafttraining und nicht das Schwingtraining mal weg», sagt er. Im Sägemehl holt er sich auch die Kondition. «Und der Körper gewöhnt sich an die grossen Kräfte, die da einwirken.» Schneider ist einer der ganz wenigen Topschwinger, der noch nie ernsthaft verletzt war.

Der grosse Coup fehlt noch

Seit Pratteln und seinen herzerwärmenden Auftritten hat Schneider nicht nur vermehrte Interviewanfragen und muss die Fanpost erledigen. Er hat auch zwei neue Sponsoren. Trotzdem könnte er vom Schwingsport nicht leben. Auch, weil ihm der ganz grosse Coup bis jetzt noch nicht gelungen ist. Er war schon in 15 Schlussgängen, hat aber «nur» drei Kranzfeste gewonnen. In Unspunnen winkt die Chance, ein ganz Grosser zu werden.

Am Samstag gastiert er mit dem Schwingklub Ottenberg beim Basellandschaftlichen. Sämi Giger und die Brüder Schneider werden den Nordwestschweizern auf den Zahn fühlen.

Und sollte es auf dem Schwingplatz nicht wie gewünscht laufen, dann hat Schneider keine Zeit, um Trübsaal zu blasen. Der Bauernhof ruft. Nicht nur die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz sorgen für neue Jobs. Die jüngste WEF-Studie zeigt, dass der Beruf des Landwirts eine rosige Zukunft hat und in diesem Bereich in den nächsten Jahren weltweit Millionen neuer Arbeitsstellen entstehen. «Irgendwer muss die vielen Leute ja füttern», sagt Schneider dazu. Fehlt nur noch, dass er sich bei diesen Worten über den Bauch streichelt. Wo Schneider ist, da ist das Glück zu Hause.

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