Erst die Schwägalp, dann die Krone
Darum fährt Giger bis zuletzt noch Lastwagen

Der August soll Samuel Gigers (21) Monat werden: Erst der Schwägalp-Sieg, dann die Königs-Krone. Zu Besuch beim Spitzen-Schwinger zuhause.
Publiziert: 10.08.2019 um 20:02 Uhr
|
Aktualisiert: 12.08.2019 um 11:00 Uhr
Schwinger Samuel Giger im Portrait.
Foto: BENJAMIN SOLAND
1/8
Emanuel Gisi (Text) und 
Benjamin Soland (Fotos)

Das kann nicht jeder von sich behaupten: Samuel Giger hat eine Bushaltestelle fast nur für sich. Die Postauto-Linie 838 von Frauenfeld über Dingenhart, Lustdorf, Strohwilen, Wolfikon und Fimmelsberg nach Weinfelden hält direkt vor dem Haus des Schwingers. Stundentakt im Thurgau.

Wir sind auf dem Hof von Gigers Stiefvater, zwei Nachbarhäuser gibts in unmittelbarer Nähe. Sonst nur das freie Feld. «Ich mag es hier», sagt der 21-Jährige, als er BLICK auf dem Hof begrüsst. Er scheint gerade allein zuhause zu sein. Sein Stiefvater ist noch bei der Arbeit, Schwester Andrea, die ebenfalls hier lebt, ist im Handball-Training. Die 20-Jährige steht beim St. Galler Klub LC Brühl im Tor.

Giger kennt die Gegend wie seine Hosentasche

Ganz ohne Begleitung ist Giger dann doch nicht. Hündin Bianca hat den Hauseingang vom Vorplatz aus im Blick. «Unser Wachhund», sagt er schmunzelnd, bevor er vor dem einzigen Apfelbaum auf dem Grundstück für ein Foto posiert.

Die Gegend kennt er wie seine Hosentasche. «Diese Mischung aus Hügeln und Flachland gefällt mir. Es ist ruhig hier und trotzdem ist man nicht ab vom Schuss. Das passt mir», sagt er. «Ich bin hier verwurzelt. Man weiss ja nie, aber ich kann mir im Moment nicht vorstellen, an einem anderen Ort zu leben. Ich war schon immer hier. Das ist mein Daheim.»

Das gilt auch für den Hof. «Während der Schulzeit und in der Stifti habe ich hier viel ausgeholfen», erzählt er. «Heuballen gestapelt oder ausgeliefert. Jetzt arbeite ich Vollzeit, darum kommt das nicht mehr ganz so oft vor. Dafür packe ich am Samstag manchmal mit an. Aber nicht, weil der Laden ohne mich nicht laufen würde. Ich mache es einfach gerne.»

«Man muss über mich nicht alles wissen»

Es passiert nicht oft, dass der Mann, der letzte Saison auf den Schwingplätzen alles dominierte, einen Einblick gewährt in seine vier Wände. «Ich bin lieber für mich», sagt er. «Man muss über mich wirklich nicht alles wissen.»

Mit seinen starken Auftritten im Sägemehl hat er sich diesbezüglich etwas in die Bredouille gebracht. Je stärker er schwingt, desto grösser wird die öffentliche Aufmerksamkeit. Sogar die Klatsch-Postille «Glückspost» nahm die Königs-Kandidaten zuletzt näher unter die Lupe.

Auf dem Weissenstein bewies er bei seinem überlegenen Festsieg zuletzt, dass er nach seiner Schulterverletzung, die ihn länger ausser Gefecht setzte, wieder voll da ist.

Auf der Schwägalp ist Giger Titelverteidiger

«Damit hat er sich nach schwierigem Saisonbeginn als Topfavorit fürs Eidgenössische definitiv zurückgemeldet», sagt der dreifache König Jörg Abderhalden (39). Für den letzten Nordostschweizer Schwingerkönig hat Giger alle ­Fragen beantwortet. «Auf dem Weissenstein war er so dominant, er scheint rechtzeitig in Bestform zu sein.» 

Abderhaldens Berner Königs-Kollege Adrian Käser (48) spricht auf dem Weissenstein gar von einer «Machtdemonstration» des Thurgauers. Offensichtlich: Der Weg zuf Krone führt 2019 über Giger.

Zunächst steht am Sonntag aber der Auftritt auf der Schwäg­alp an, bei Gigers Heim-Bergfest, das er letzte Saison gewann. In zwei Wochen dann das Eidgenössische in Zug, der Anlass, auf den Giger dieses Jahr alles ausgerichtet hat. 

Auch in der Vorbereitung geht der Mitfavorit auf die Krone eigene Wege. Wo die Kollegen Christian Stucki oder Pirmin Reichmuth ­Anfang August mit ihrer Trainingsgruppe mal rasch in ein Kurz-Trainingslager ins Wallis fahren, bleibt er daheim. «Natürlich war aber auch bei uns die Intensität in den letzten Wochen höher», sagt Giger, der den Grossteil der Einheiten mit seinen Thurgauer Kollegen absolviert.

Giger arbeitet zu 100 Prozent

In den Tagen vor Zug wird die Trainingsintensität sinken. Nicht aber die am Arbeitsplatz. Giger, zu 100 Prozent bei einer Abbruch-Firma als Lastwagenfahrer angestellt, wird auch in der Woche des Eidgenössischen am Steuer sitzen. «Man kann auch zu viel frei haben», sagt er. «Dann hat man zu viel Zeit, um nachzudenken. Bei mir ist es jedenfalls so. Darum fahre ich wahrscheinlich bis Donnerstag LKW. So wie immer.»

Am Freitag dann die Reise nach Zug, bevor es tags darauf ernst gilt im Kampf um die Krone. Für einmal wird das samstägliche Aushelfen auf dem Hof also ausfallen. Gut, dass der Laden auch ohne ihn läuft.

Spitzenpaarungen 11. August

Schwägalp-Schwinget

Armon Orlik – Mike Müllestein
Samuel Giger – Reto Nötzli
Daniel Bösch – Marcel Mathis
Michael Bless – Michael Gwerder
Lario Kramer – Dominik Oertig

Berner Kantonales in Münsingen

Matthias Glarner – Tobias Krähenbühl
Christian Stucki – Matthias Herger
Bernhard Kämpf – Vincent Roch
Simon Anderegg – Pirmin Gmür
Matthias Aeschbacher – Mickael Matthey
Remo Käser – Jonas Lengacher

Schwägalp-Schwinget

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