«Ich sehe wenig Sinn hinter Geister-Schwingfesten»
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König zurück im Sägemehl
«Ich sehe wenig Sinn hinter Geister-Schwingfesten»

Seit dieser Woche ist der König wieder im Schwung. Zumindest im Training. Es ist aber nicht der Gedanke an ein «Geister-Schwingfest», der Christian Stucki antreibt.
Publiziert: 11.06.2020 um 17:02 Uhr
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Aktualisiert: 11.06.2020 um 19:05 Uhr
Marcel W. Perren (Text) und Benjamin Soland (Fotos)

In der Bieler Longengasse spielen sich seit dem letzten Montagabend die vielleicht widersprüchlichsten Szenen in dieser Corona-Phase ab. Hier steht das Trainingslokal der Seeländer Schwinger, König Christian Stucki soll hier im Sägemehl erstmals seit März seine prominenten Verbands-Kollegen Florian Gnägi (32, 95 Kränze) und Dominik Roth (24, 20 Kränze) kompromisslos anpacken.

Auf den kameradschaftlichen Händedruck vor dem Training müssen die «Bösen» aber aufgrund der Bestimmungen vom Bundesamt für Gesundheit verzichten. Auch Stucki schüttelt deshalb sein kantiges Haupt: «Wenn man sich wie wir Schwinger im Zweikampf derart nahe kommt, wäre es meiner Meinung nach das kleinste Problem, wenn man sich zur Begrüssung auch die Hand schüttelt.»

Finger müssen sich zuerst wieder dran gewöhnen

Aber weil sich der 1,98 Meter lange Überschwinger seiner grossen Vorbildfunktion bewusst ist, streckt er seinen Kollegen zum Wiedersehen ganz BAG-like den Ellenbogen entgegen. Nach einem lockeren Fussball-Mätchli zum Aufwärmen greifen die Pranken vom stärksten Eidgenossen aber wieder richtig kräftig zu – der Roth Dominik, welcher letztes Jahr beim prestigeträchtigen Brünig-Schwinget einen Kranz ergatterte, ist im Duell mit dem «Chrigu» chancenlos.

Christian Stucki (l.) ist zurück im Training.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Während der Gnägi «Flöru» nach praktisch jedem Trainingskampf zum Wasserhahn eilt, um seine Hände von möglichen Viren zu befreien, erkennt Stucki nach seinen ersten wuchtigen «Churzzügen» bezüglich seinen Greifern ein kleines Defizit: «Es läuft noch nicht wie geschmiert, meine Finger müssen sich zuerst wieder an die Zwilchhosen gewöhnen.» Und noch etwas: «Nach einer so langen Sägemehl-Abstinenz reagiert der Körper auf eine solche Panade viel empfindlicher, es juckt mich gerade ziemlich. Ich bin trotzdem sehr glücklich und dankbar, dass ich endlich wieder Schwingen darf.»

Das die meisten Kranzfeste schon vor längerer Zeit abgesagt wurden, tut der Motivation vom 128-fachen Kranzgewinner keinen Abbruch: «Nun ist mein Fokus im Training halt bereits jetzt voll auf die Saison 2021 gerichtet.»

Überträgt SRF Geister-Schwingfeste?

Es ist aber durchaus möglich, dass auch in diesem Jahr noch einige bedeutende Wettkämpfe stattfinden. Der Berner Oberländer Verband will sein Kranzfest in Frutigen im Oktober durchführen, falls der Bundesrat bis dahin wieder mindestens Veranstaltungen mit mindestens 1000 Zuschauern zulässt. Und das Schweizer Fernsehen hat beim ESV gemäss BLICK-Recherchen sogar den Antrag für die Übertragung von einem Schwingfest ohne Zuschauer eingereicht.

Stucki begegnet diesem Vorschlag aber mit einer ordentlichen Portion Skepsis: «Ich kann wenig Sinn dahinter erkennen, wenn wir Schwinger vor leeren Rängen nur fürs TV eine grosse Show bieten sollen, quasi um den Pöbel zu belustigen. Man sollte nicht vergessen, dass dieser Sport stark vom einzigartig festlichen Ambiente lebt, welches das Publikum während eines Wettkampfs erzeugt.»

Gnägi ist nicht ganz mit dem König einverstanden

Wie denkt der neunfache Kranzfestsieger Florian Gnägi darüber? «Ich teile Chrigus Meinung, dass unser Sport stark vom festlichen Ambiente lebt. Aber in einem Jahr, wo die vielen Schwinger-Freunde keine Feste besuchen können, fände ich es nicht abwegig, wenn wir ihnen zumindest einen Wettkampf in die Fernseh-Stube liefern würden.»

Der Zentralvorstand vom Eidgenössischen Schwingerverband hat am Mittwoch erstmals über den Antrag vom Schweizer Fernsehen diskutiert. Ein ultimativer Entscheid ist in dieser Angelegenheit aber noch nicht gefallen.

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