«Muni» war das erste Wort von Baby Sempach
Die Königs-Karriere in 10 Akten

Von seinem ersten Wort bis zu seinem grössten Sieg – zehn Momente aus Matthias Sempachs grosser Karriere.
Publiziert: 10.08.2018 um 16:34 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:38 Uhr
Marcel W. Perren

Sein erstes Mal

Matthias war knapp ein Jahr alt, als er zu sprechen begann. Sein Vater Daniel erinnert sich: «Muni war sein erstes Wort.» Im Frühling 1992 träumt der «Mätteli» vor seiner ersten Teilnahme an einem Schwingfest, dass er alle sechs Gänge gewinnen wird. Weil der sechsjährige Knirps in Realität bei seinem ersten Ernstkampf gegen zehnjährige Buben antreten muss, geht er an diesem Tag vier Mal als Verlierer vom Platz.

zVg
Foto: Der junge Matthias Sempach.

Sein grosser Schock nach dem ersten Sieg

Im Juni 2006 zeigt der junge Sempach erstmals den ganz Bösen den Meister – der Metzger-Stift triumphiert beim Berg-Klassiker auf dem Schwarzsee ex aequo mit Hanspeter Pellet. Wenige Tage später muss der Überflieger um sein Leben zittern, nachdem er auf der Nase einen Buckel entdeckt, der sich als Tumor entpuppt. Zum Glück erweist sich dieses Gewebe beim Labor-Test als gutartig. Sempach fährt danach erleichtert und beflügelt zugleich auf den Weissenstein, wo er nach Erfolgen gegen Schwingerkönig Nöldi Forrer und den bösen Bündner Stefan Fausch sein zweites Kranzfest innert drei Wochen gewinnt.

Seine Kampfansage an Abderhalden

Sempach posiert als Sägemehl-Gladiator.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Nach seinen ersten Kranzfestsiegen posierte Sempach für den Sonntagsblick als Sägemehl-Gladiator. Spektakuläre Inszenierungen gefielen ihm damals besonders gut und manchmal nahm er dabei den Mund für das konservative Schwingervolk zu voll. Vor allem mit der Kampfansage an Jörg Abderhalden hat sich Sempach vor zwölf Jahren keinen Gefallen getan: «Wenn Abderhalden der Roger Federer des Schwingsports ist, bin ich Rafael Nadal – sein gefährlichster Herausforderer!» Weil Sempach danach im Vergleich mit dem dreifachen Schwingerkönig mehrmals böse auf die Schnauze gefallen ist, wurde er in Schwingerkreisen als «Grossmaul» oder «selbsternannter Königsanwärter» bezeichnet. Deshalb zeigte der Alchenstorfer ab diesem Zeitpunkt der Öffentlichkeit nur noch seine bescheidene, demütige Seite.

Seine grosse Liebe

Matthias Sempach mit seiner Heidi.
Foto: KATHI BETTELS

Bis am 11. Juni 2006 hatte die Entlebucher PR-Fachfrau Heidi Jenny kein Herz für den Schwingsport. Aber dann besuchte sie mit einer Freundin das Luzerner Kantonale «weil ich an diesem Sonntag gerade nichts besseres zu tun hatte.» Erstmals am Sägemehlrand sitzend blieb Heidis Blick schnell an der imposanten Erscheinung des Berner Gästeschwingers Matthias Sempach kleben. «Er hat mir auf Anhieb extrem gut gefallen. Zu einem richtigen Gespräch kam es an diesem Tag allerdings nicht, weil ich mich nach dem Fest nicht getraut habe, ihn anzusprechen.» Der Rest von dieser Geschichte ist dem grössten Teil der Schwingergemeinde bekannt – Heidi und Matthias sind zwar immer noch nicht verheiratet, dafür hat sie ihm mit Henry (4) und Paula (1) bereits zwei Kinder geschenkt.

Sein grösster Sieg

Der Druck hätte grösser nicht sein können. Nachdem Sempach bei den Eidgenössischen 2007 und 2010 den hohen Erwartungen nicht gerecht werden konnte, musste er am letzten Augustwochenende 2013 zwanzig Minuten von seiner Haustüre entfernt in Burgdorf den Beweis erbringen, dass er auch Mental stark genug für die Krone ist. Sempach zeigte unter diesen extrem schwierigen Bedingungen den stärksten Wettkampf seiner Karriere, gewann alle acht Kämpfe mit acht verschiedenen Schwüngen. Von seinem Schlussgang-Kontrahenten Chrigu Stucki gab es zur Belohnung einen zünftigen Berner «Muntsch» auf die Stirn.

Sempach gewinnt gegen Stucki und bekommt von diesem einen zünftigen Berner «Muntsch» auf die Stirn.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Sein Spezial-Schwung

Zu Beginn seiner Karriere hat der Edeltechniker seine Gegner häufig mit dem klassischen Brienzer vorwärts und rückwärts gebodigt. «Doch weil ich mit dieser Waffe ab einem gewissen Zeitpunkt immer weniger durchgekommen war, habe ich mich an einen Schwung erinnert, den früher bereits Dani Lüthi und Christian Dick beherrscht haben – den freien Brienzer!» Sempach hat diesen spektakulären Schwung perfektioniert. Bei seinem zweiten Eidgenössischen Erfolg 2014 in Kilchberg hat er damit im Schlussgang nach wenigen Sekunden Philipp Laimbacher aufs Kreuz gelegt.

Sempach hat seinen spektakulären Schwung perfektioniert.
Foto: Keystone

Sein tierischer Spitzname

Sempach posiert mit einem Tigerpython.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Obwohl Sempach ein äusserst geradliniger Zeitgenosse ist, wurde er von einigen Kollegen als «Schlange» bezeichnet. Die Erklärung liegt auf der Hand: Im Sägemehl war er extrem wendig und konnte zupacken wie eine Python.

Seine Anschieber

Nachdem er 2008 am Kilchberg-Schwinget 2008 hinter Stucki Zweiter wurde, heuerte Sempach bei Trainer-Legende Jean-Pierre Egger an. Weil der Ex-Coach von Werner Günthör auch Neuseelands Kugelstoss-Gigantin Valerie Adams betreute, absolvierten die zweifache Olympiasiegerin und der Schwingerkönig viele Trainingseinheiten zusammen. «Die Zusammenarbeit mit Jean-Pierre und Valerie gehört zum allerbesten in meiner Karriere, die beiden haben mich noch stärker gemacht.»

Sempach mit Fitnesstrainer Jean-Pierre Egger 2014.
Foto: Sven Thomann

Seine schmerzlichste Niederlage

Sempach wird verletzt weggetragen.
Foto: Keystone

Im Mai 2015 präsentiert sich Sempach vor allem bei seinem Sieg am Emmentalischen in beneidenswerter Frühform. Doch sieben Tage später wird am Oberaargauischen der Anfang vom Ende der grossen Ära-Sempach eingeleitet – im fünften Gang verdreht sich Mättu gegen den Frutigtaler Reto Schmid beim Kurzversuch den Fuss und erleidet Bänderrisse am Knöchel. Sempach fällt für den Rest der Saison aus. 2016 kehrte er zwar mit einem Sieg am Schwarzsee zurück, weil sein einst so gefürchteter Kurz-Zug nach der Verletzung nie mehr richtig funktionierte, musste er am Eidgenössischen in Estavayer den Platz auf dem Thron Matthias Glarner überlassen.

Sein letzter Gegner

Am 14. Juni absolvierte Sempach in Fankhaus im Emmental einen Härtetest für den Brünig. Nach dem Startsieg gegen Heinz Habegger musste er seinen Thron-Vorgänger Kilian Wenger und die Mittelschwinger Gustav Steffen, Adrian Schenk und Adrian Gäggeler stehen lassen. Dank dem 24-jährigen Emmentaler Thomas Ramseier gab es für den angeschlagenen König dann doch noch einen versöhnlichen Abschluss – Sempach hat den dreifachen Kranzer im sechsten Gang platt auf den Rücken gelegt. Weil Mättu aber auch in diesem Zweikampf gemerkt hat, dass ihm der letzte «Pupf» fehlt, verzichtete er danach nicht nur auf die Brünig-Teilnahme. In Fankhaus ist auch der Entscheid für seinen Rücktritt gereift.

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