Chancen auf fünf WM-Medaillen
Loïc Meillard von der Liebe beflügelt

Loïc Meillard hat sich in den letzten Wochen von Odermatts Schattenmann zum potenziellen WM-Superstar entwickelt.
Publiziert: 07.02.2023 um 08:35 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2023 um 23:59 Uhr
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Marcel W. PerrenSki-Reporter

Ist Loïc Meillard ein Fall für den Psychiater? Diese Frage haben sich bis vor wenigen Tagen viele Ski-Experten gestellt. Ganz einfach deshalb, weil der 26-Jährige seinem ersten grossen Sieg bis am 25. Januar trotz seiner genialen Ski-Technik lange hinterhergefahren ist. Auch Blick-Experte Bernhard Russi (74) hat zeitweise an den mentalen Fähigkeiten des im Kanton Neuenburg geborenen Wallisers gezweifelt.

«Weil ihm vor allem im letzten Winter im Gegensatz zu einem Marco Odermatt die Coolness fehlte, um an einer kritischen Stelle auch einmal etwas taktisch zu fahren, ist Loïc oft in Führung liegend ausgeschieden», analysiert der Abfahrtsweltmeister von 1970.

Die gewinnbringenden O-Beine

Doch vor elf Tagen hat Meillard mit seinem Triumph beim Nacht-Riesenslalom in Schladming den Beweis erbracht, dass er auch in besonders nervenaufreibenden Situationen einen kühlen Kopf bewahren kann. «Loïc hat eine beeindruckende Reifeprüfung abgeliefert», schwärmt Russi. «Nach seiner sackstarken Bestzeit im ersten Lauf musste er das Finale auf einer immer schlechter werdenden Piste als Letzter in Angriff nehmen. Die Gefahr eines neuerlichen Scheiterns war gross. Aber Loïc hat zwischen den Läufen offensichtlich ganz cool analysiert, dass er auf diesem steilen Hang ganz klar der Beste ist.»

Am 25. Januar feiert Loïc Meillard seinen bislang grössten Triumph.
Foto: keystone-sda.ch
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Dem Olympiasieger von 1972 ist bei der Analyse von Meillards erstem Weltcupsieg im Riesenslalom ein technisches Detail ins Auge gestochen: «Durch seine O-Bein-Stellung auf den Ski ist der Input auf die Kanten während der Kippbewegung des Körpers stärker, als wenn die Beine gerade sind. Das ist auf steilem, eisigem Gelände wie in Schladming ein Vorteil, auf flachem Terrain aber bremst das.» Das sah man auch wieder im Slalom von Chamonix, als Meillard im 1. Lauf 1,29 Sekunden Rückstand kassierte, im zweiten dann ausschied.

«Loïc ist eine Maschine!»

Bei der WM in Courchevel ist der Rennhang mittelsteil. Meillard, der bei der letzten WM in Cortina zwei Bronzemedaillen (Kombi und Parallel) gewonnen hat, gehört deshalb in der Kombination, im Riesen, im Slalom und im Parallel-Riesenslalom zu den heissesten Medaillenanwärtern. Dass er auch im Super-G eine sehr gute Rolle spielen kann, hat der Edeltechniker in der Altjahreswoche mit dem dritten Rang in Bormio bewiesen.

Benjamin Soland
Alle Infos zur Ski-WM 2023

In Courchevel und Méribel findet das Ski-Highlight des Winters statt. Hier findest du alles, was du über die Ski-WM 2023 wissen musst.

Benjamin Soland

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Dass der gelernte Bankkaufmann auch wirklich genügend Energie für sein Mammutprogramm besitzt, weiss der Waadtländer Slalomspezialist Marc Rochat, der sich im Skizirkus öfter das Zimmer mit Meillard teilt. «Loïc ist eine absolute Maschine! Während ich am Morgen oft nur schwer in die Gänge komme und mich mit verklebten Augen noch ein paar Mal im Bett hin und her drehe, schiesst Meillard um sechs Uhr wie eine Rakete aus den Federn. Er ist für uns nicht nur ein wichtiger Trainings-Gradmesser, sein Optimismus wirkt sich auch enorm positiv auf die Stimmung in unserem Team aus.»

Einsame Experimente

Im Privatleben sucht der Top-Athlet, der seit dem neunten Lebensjahr in Hérémence unweit der Staumauer Grande Dixence lebt, aber oft die Einsamkeit. «Vor ein paar Jahren habe ich nach der Weltcupsaison eine mehrwöchige Skitour gemacht. Es dauerte acht Tage, bis mir ein Mensch begegnet ist. Das war wunderschön.»

Fast immer dabei hat Meillard auf seinen Touren seine Fotokamera. «Fotografieren gehört zu meinen grössten Hobbys.» Mit viel Leidenschaft sammelt er aber auch alte Uhren. «Mit seinen Raritäten hat Loïc sogar einen der renommiertesten Uhrenhersteller beeindruckt», erzählt Meillards Manager Ralf Krieger. «Wir hatten ein Meeting mit Longines. Dabei hat sich herausgestellt, dass Loïc in seiner Sammlung eine Longines mit Jahrgang 1956 besitzt, von der die jetzigen Macher der ältesten Uhrenmarke der Welt nicht einmal wussten, dass es dieses Modell gibt.»

(K)eine verbotene Liebe

Für Diskussionen sorgte zwischenzeitlich Meillards Liebesleben. Nach einer längeren Liaison mit der ehemaligen norwegischen Skirennfahrerin Rikke Tviberg (Schwester der Alpin-Allrounderin Maria Therese) verliebte er sich im vorletzten Frühling in die ehemalige Ski-Crosserin Zoé Chastan. Weil die Bündnerin mit französischen Wurzeln bei Swiss-Ski als Kommunikationsfrau und Teamsupporterin tätig ist, wurde diese Beziehung anfänglich nicht von allen im Umfeld gutgeheissen.

In der Zwischenzeit haben Zoé und Loïc der Mannschaftsführung aber bewiesen, dass sie Privatleben und Beruf gekonnt trennen können. «Zoé behandelt Loïc in der Kommunikationsarbeit genau gleich wie alle anderen Teammitglieder. Sie macht wirklich einen sehr guten Job», lobt Swiss-Ski-Kommunikationschef Christian Stahl. Und Meillard scheint die Liebe zu beflügeln.

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