Das Buch mit den 30 Sport-Legenden
Die Geschichten hinter den Helden-Geschichten

In der Rubrik «Wir waren Helden» interviewen wir seit 2020 Schweizer Sportlegenden. Nun entstand daraus ein Buch. Was dort nicht drinsteht, die Geschichten hinter den Geschichten, erfährst du hier.
Publiziert: 05.10.2024 um 13:01 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2024 um 16:40 Uhr
Das Buch «Wir waren Helden» ist ab sofort erhältlich.
Foto: -
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Daniel LeuStv. Sportchef

Als am 2. Februar 2020 im Blick die erste Folge von «Wir waren Helden» erschien, beherrschte vor allem ein Thema die Welt: Corona. Seitdem leben wir mit dem Virus, und seitdem ist auch unsere Rubrik, in der wir uns einmal pro Monat mit einer Schweizer Sportlegende über deren Leben unterhalten, Teil des Blicks.

Von A(bderhalden) bis Z(weifel) – in den vergangenen gut viereinhalb Jahren erschienen mittlerweile 50 Teile von «Wir waren Helden». Der Inhalt? Mal unterhaltsam, mal nachdenklich, mal traurig. Eines aber (hoffentlich) nie: langweilig.

Nun gibt es «Wir waren Helden» auch als Buch. Darin zu lesen 30 Gespräche mit Sportlerinnen und Sportlern, die im Schweizer Sport in den letzten Jahrzehnten nachhaltig ihre Spuren hinterlassen haben.

Was im Buch und den anderen 20 Interviews nicht steht, erfahren Sie hier: die Geschichten hinter den Geschichten. 

Warten auf Paul Accola

(Schaden-)Freude herrscht: Paul Accola hilft dem Blick-Team zurück auf den Feldweg.
Foto: Daniel Leu

Wer mit der Ski-Legende ein Interview führen möchte, braucht Zeit und Geduld. «Kommt um 14 Uhr an die Hofstrasse in Davos. Ich bin dort am Heuen», hatte Accola mir morgens mitgeteilt. Doch um 14 Uhr weit und breit keine Spur von ihm. Neue Ansage per Telefon: «Es gibt wegen eines dringlichen Termins eine Planänderung. Ich fahre jetzt zum Sport-Gymnasium.» Als wir dort auftauchten, musste er mit seinem Bagger aber erst noch ein paar Arbeiten erledigen. Danach meinte er: «Jetzt fahren wir Richtung Jakobshorn. Folgt mir einfach.» Die Verfolgungsjagd begann. Auf engen, unasphaltierten Strassen ging es den Berg hoch. Doch oben auf 2000 Metern über Meer hatte er noch immer keine Zeit fürs Interview. Da der Hang kürzlich ins Rutschen gekommen war, musste er ihn nun mit seinem Bagger stabilisieren. Fast zwei Stunden lang konnte beziehungsweise musste ich ihm zuschauen. Nur Accola und sein Bagger – ein herrliches Bild. Dann sagte er endlich: «Fahrt mir nach. Jetzt gehts zur Clavadeleralp. Dort können wir miteinander reden.» Dass es dann noch einmal eine Verzögerung gab, lag an uns. Beim Rückwärtsfahren kam der Blick-Fotograf vom schmalen Feldweg ab. Kein Problem für Accola. Seilwinde auspacken, rausziehen, sich lustig machen über uns Unterländer, weiterfahren. Nach rund vier Stunden war Accola dann endlich bereit fürs Gespräch.

Jetzt gibt es unsere «Wir waren Helden»-Rubrik auch als Buch

Das 332-seitige Hardcover-Buch «Wir waren Helden» ist ab sofort im Fachhandel erhältlich. Es kostet 39 Franken, ISBN-Nummer 978-3-03875-567-8. Zu bestellen unter beobachter.ch/shop oder noch einfacher direkt via QR-Code.

Das 332-seitige Hardcover-Buch «Wir waren Helden» ist ab sofort im Fachhandel erhältlich. Es kostet 39 Franken, ISBN-Nummer 978-3-03875-567-8. Zu bestellen unter beobachter.ch/shop oder noch einfacher direkt via QR-Code.

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Weinen mit Gian Simmen

Nicht nur ein Sprücheklopfer: Gian Simmen.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Wer an Snowboard-Olympiasieger Gian Simmen denkt, der denkt vor allem an einen Spassvogel. Doch der Bündner kann auch anders. Wir trafen uns bei seinem Arbeitgeber, den Jungfraubahnen, und sassen wohlwollend formuliert in einem schmucklosen Raum, nicht wohlwollend formuliert in einer Grümpelkammer. Irgendwann sprachen wir auch über die Fehlgeburt seiner Frau Petra 2010. Simmen: «Meine Frau war im neunten Monat schwanger. Plötzlich sagte sie: ‹Irgendetwas stimmt nicht. Ich spüre mein Baby nicht mehr.› Wir fuhren dann gleich ins Spital. Dort wurde uns mitgeteilt, dass das Baby tot ist. Die Ärzte empfahlen dann, dass es sinnvoll wäre, das tote Baby trotzdem auf natürlichem Weg zu gebären, wenn man sich noch weitere Kinder wünsche. Deshalb leiteten die Ärzte die Geburt ein, und Petra brachte Jonina Natalina zur Welt. 2500 Gramm schwer und 45 Zentimeter gross. Es war wie eine normale Geburt. Ein perfektes, kleines Mädchen, nur war es totenstill. Ich durfte dann meine tote Tochter in den Arm nehmen. Sie war ganz kalt.» Noch heute kommen mir, der selbst zweifacher Vater ist, Tränen, wenn ich diese Textpassage lese. Und gleichzeitig bin ich noch immer beeindruckt, wie Simmen und seine Frau mit diesem Schicksalsschlag umgegangen sind.

Irritiert sein mit Peter Müller

Beim Gespräch mit Blick zeigt sich: Es gibt zwei Peter Müller.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Typisch Pitsch. Als der Fotograf und ich im Winter 2021 mit der Ski-Legende in seinem Sportgeschäft Mythen Sport in Einsiedeln verabredet waren, liess er uns erst einmal warten. Und im Gespräch wirkte er kalt und genervt. Dabei liess er immer mal wieder durchblicken, dass er von Journalisten nicht allzu viel hält. Doch als ich auf seine Eltern zu sprechen kam, sass mir plötzlich ein ganz anderer Mensch gegenüber. «Es war sehr hart. Mein Vater hatte Krebs. An Weihnachten erzählte er mir, dass er mit Exit gehen werde. Seine Begründung: Er könne nicht mehr fischen, nicht mehr Velo fahren, keine Skitouren mehr machen, und all seine Freunde würden nach und nach wegsterben. Ein paar Wochen später kam dann meine kerngesunde Mutter und sagte, sie wolle auch nicht mehr leben. Sie wolle mit ihrem Mann gehen, denn nach 65 Jahren Liebe könne sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Sie umzustimmen, war nicht mehr möglich, die waren so im Tunnel, und es war ihr ausdrücklicher Wunsch. Ich habe dann versucht, mit meinen Töchtern sie noch regelmässig zu sehen. Das alles hat mich sehr beschäftigt. Ich konnte nicht mehr schlafen, das war krass.» Plötzlich stockte seine Stimme. Weiterreden konnte er da nicht mehr, denn ihm kamen die Tränen. Kurze Zeit später hatte er sich gefangen und gab sich wieder gewohnt mürrisch.

Mitleiden mit Beat Breu

Gezeichnet vom Leben: Beat Breu.
Foto: BENJAMIN SOLAND

In den letzten Jahren bin ich immer mal wieder dem einstigen Bergfloh und Helden meiner Kindheit begegnet. Ich hatte immer Freude daran, weil Breu anders ist. Offen sagt, was er denkt. Gleichzeitig war ich aber auch immer irritiert, weil es ihm oft nicht gut ging und gemäss ihm immer alle schuld waren, nur einer nicht: er. In diesem Winter traf ich ihn für «Wir waren Helden». Mir gegenüber sass ein frustrierter Mann, der mit allem und allen haderte. Doch sprach man mit ihm über früher, dann funkelten plötzlich wieder seine Augen. Dann war er wieder da, der einstige Rad-Liebling der Schweiz.

Trauern mit Erika Reymond-Hess

Beeindruckend, wie sie mit dem Tod ihrer grossen Liebe umging: Erika Reymond-Hess.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Als wir im Winter 2022 die Ski-Legende Erika Reymond-Hess zu Hause im Waadtland besuchten, war ihr 2020 an Corona verstorbener Mann Jacques Reymond allgegenwärtig. Überall hingen Fotos von ihm. Natürlich sprachen wir auch über den Tod ihrer grossen Liebe. Wie es war, ihn nicht mehr sehen zu dürfen. Wie sie ihm ein letztes Mal Danke gesagt hatte. Wie sie seine Asche im Lac de Joux verstreut hatte. Ein unglaublich emotionaler Moment, der mich zu Tränen rührte. Der mich aber auch beeindruckte, weil sie ihr Herz öffnete und bewies, wie stark sie ist.

Überrascht sein mit Albrecht Moser

Kult: Ex-Waffenläufer Albrecht Moser.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Schaute ich als Kind das «Sportpanorama», dann durfte er darin nicht fehlen: Waffenläufer Albrecht Moser. 2022 traf ich ihn in seinem Garten in Pieterlen. Ein kauziger Typ mit dem Herzen am rechten Fleck, den scheinbar nichts aus der Ruhe bringt. Doch als ich mit ihm über seine Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 in München sprach und wie er damals das Attentat erlebt hatte, fing er plötzlich an zu weinen. Auch über ein halbes Jahrhundert danach offenbar noch immer ein Thema, das ihn sehr berührt.

Perplex sein mit Baba Ganz  

Auf einmal nahm das Gespräch mit Baba Ganz einen überraschenden Verlauf.
Foto: Christian Merz

Ich weiss nicht mehr, wie wir auf das Thema zu sprechen kamen. Doch irgendwann gab es im Frühsommer 2024 am Tisch ihrer Praxis im Zürcher Oberland zwischen dem einstigen Rad-Ass Barbara Ganz, ihrer Freundin Bernadette und mir nur noch ein Thema: Corona. Plötzlich sagte Ganz Sätze wie: «Wenn Sie mich eine Covidiotin nennen wollen, dürfen Sie das gerne tun.» Oder: «Gäbe es einen Verein für Verschwörungstheoretiker, ich würde dem sofort beitreten.» Da war es wieder, das Thema, das im Februar 2020, als die erste Folge von «Wir waren Helden» erschien, die Welt beherrschte.

Die Interviews mit den Helden Paul Accola, Peter Müller und Barbara Ganz haben es aus Platzgründen leider nicht ins Buch geschafft. 

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