Die aussergewöhnliche Geschichte unseres neuen Abfahrts-Stars
Vor Jahren fuhr Niels Hintermann noch für Slowenien!

Niels Hintermann fährt in Gröden als erster Zürcher seit Peter Müller aufs Podest einer Weltcup-Abfahrt. Was kaum jemand weiss: Seine ersten Erfolge hat der Bülacher im Slowenien-Dress realisiert.
Publiziert: 19.12.2021 um 12:46 Uhr
Marcel W. Perren (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Wie belastend ein Leben als heisser Siegesanwärter sein kann, erlebt Niels Hintermann erstmals am Freitagabend. Nach den zwei starken Leistungen in den beiden Trainings spürt der 26-Jährige vor dem Abfahrts-Ernstkampf auf der «Saslong» einen gewaltigen Erwartungsdruck. «Ich konnte nicht einschlafen, weil ich in meinem Kopf den eigenen Pulsschlag gehört habe.»

Im Endeffekt hilft ihm ein Ritual aus der Kindheit, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. «Ich wäre in diesem Moment gerne an die Hotel-Bar gegangen, um mich mit einem Schluck Rotwein zu beruhigen. Aber weil es dafür schon zu spät war, habe ich ganz klassisch Schäfchen gezählt. Das hat funktioniert.»

Deshalb ist der Zürcher Unterländer beim Start mit der Nummer 6 dann auch hellwach. Es gelingt ihm eine Fahrt ohne gravierenden Fehler. Euphorisiert ist Hintermann nach dem Traversieren der Ziellinie allerdings nicht. «Ich bin nicht so befreit gefahren, wie ich es hier im zweiten Trainingslauf getan habe. Ich war mir deshalb sicher, dass diese Leistung nicht für einen Platz auf dem Podest reichen würde.»

Trotz einer mühsamen Nacht erreicht Niels Hintermann bei der Abfahrt in Gröden sofort Betriebstemperatur.
Foto: Getty Images
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Viel wertvoller als der Lauberhorn-Sieg

Niels, der von seinen Kollegen «Cinghiale» (italienisch für Wildsau) genannt wird, irrt sich glücklicherweise. Als Dritter sichert sich der Sensation-Sieger der Lauberhorn-Kombination 2017 den ersten Podestplatz in einer Weltcup-Abfahrt. «Auch wenn ich in Wengen gewonnen habe, ist dieser dritte Rang sehr viel wertvoller. Die Lauberhorn-Kombi habe ich damals gewonnen, weil das Wetter verrückt gespielt hat. Aber diesen Podestplatz habe ich in einem fairen Rennen herausgefahren.»

Zur Belohnung bekommt der Draufgänger noch vor der Siegerehrung einen Kuss von seiner Freundin Lara, einer Bank-Direktors-Tochter aus Zürich. Danach wird er auch von seiner Mutter Sonja geherzt.

«Niels, der schnelle Slowene kommt!»

Mama Hintermann stammt aus der Region Kranjska Gora und deshalb hat auch Niels genau wie sein älterer Bruder Sven (30) die ersten Rennen mit einer slowenischen Lizenz bestritten. «Wenn ich früher bei den Junioren-Rennen Niels sah, habe ich zu meinen Kumpels gesagt: ‹Schaut her, da kommt wieder der schnelle Slowene›. Niels trug damals ja auch einen Rennanzug in den slowenischen Farben», erinnert sich Urs Kryenbühl.

Hintermann: «Ich bin für Slowenien gefahren, bis ich 13 war. Dann haben mein Bruder und ich gemerkt, dass wir vom slowenischen Verband nicht gut genug unterstützt werden. Deshalb haben wir uns dann für den Schweizer Weg entschieden.»

Obwohl Sven Hintermann seine Rennfahrer-Laufbahn 2010 nach dem 24. Rang bei den Schweizer Meisterschaften im Slalom beendet hat, interpretiert auch er eine wichtige Rolle im Schweizer Skisport – der Jurist ist bei Swiss Ski als Rechtsberater tätig.

Niels entwickelt sich derweil immer mehr zum kompletten Abfahrer. Dass der 1,90 Meter lange, fast 100 Kilo schwere «Züri-Bomber» nicht nur auf Strecken, welche wie die «Saslong» viele Gleitabschnitte beinhaltet, richtig schnell ist, hat er vor zwei Wochen mit dem siebten Rang auf der technisch anspruchsvollen «Birds of Prey» bewiesen.

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