Mehr Privatsphäre statt mehr Kohle
Darum pfeift Gut-Behrami auf leicht verdientes Geld

Instagram? Nichts. Twitter? Nichts. Facebook? Fast nichts. Lara Gut-Behrami (29) ist auf Social Media fast inexistent. Dabei zahlen Sponsoren genau dafür gutes Geld.
Publiziert: 18.02.2021 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 18.02.2021 um 13:15 Uhr
Mathias Germann (Text) und Sven Thomann (Fotos) aus Cortina d'Ampezzo

Hier ein Foto von der Piste, dort eins vom Znacht, dazu ein Selfie vor dem Schlafengehen und ein Video mit dem Liebsten. Darunter einige Sätze und lustige Emojis. Ob Instagram, Facebook oder Twitter: Skifahrerinnen nutzen Social Media intensiv. Nicht so Lara Gut-Behrami (29). Die Super-G-Weltmeisterin ist seit Herbst 2018 vom Netz verschwunden. Einzige Ausnahme: Facebook (sechs Posts im letzten Jahr). «Ich definiere mich nicht mehr über die vielen Bildern und Postings im Netz, sondern durch mein Leben», sagt sie.

Alles fing mit dem Duell Neymar vs. Behrami an

Die Ski-Fans gucken darum auch bei der WM in die Social-Media-Röhre, wenn sie im Netz nach den neuesten Insider-News von Gut-Behrami suchen. Aber: Warum entschied sich die Tessinerin vor zweieinhalb Jahren eigentlich, Knall auf Fall Schluss zu machen? Früher lobte diese Form der Interaktion in den höchsten Tönen. «Es ist der ehrlichste, weil direkteste Weg, um mit meinen Fans zu kommunizieren», sagte sie.

Entscheidend für ihre Kehrtwendung ist die Fussball-WM 2018 in Russland. Damals stand ihr Ehemann Valon Behrami (35) beim Spiel gegen Brasilien Superstar Neymar des Öfteren auf den Socken. Die heissblütigen Seleçao-Fans liefen Amok – zumindest verbal. Sie fanden rasch heraus, wer Valons Ehefrau war und deckten sie auf Instagram mit Beleidigungen ein. Ein Shitstorm fegte über die Super-G-Weltmeisterin hinweg – die Hasskommentare schmerzten sie sehr.

Lara Gut-Behrami verzichtet fast gänzlich auf Social Media.
Foto: Sven Thomann
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Die Fussball-WM war aber nicht der einzige Grund, warum die Super-G-Weltmeisterin wohl nie mehr auf Instagram zu finden sein wird. Nein, auch die Kuschel- und Knutschbilder mit ihrem Ehemann, die sie selbst gepostet hatte, waren ihr mit der Zeit nicht mehr geheuer. Zu privat, zu intim. «Mir passt es nicht, wie unsere Posts von den Usern kommentiert werden», so Gut-Behrami.

Sponsoren fordern Posts von ihren Athleten

Der fast gänzliche Verzicht auf Social Media hat Folgen. Konkret: Gut-Behrami verdient seither wohl deutlich weniger, als sie könnte. Denn: Oft bewerben Spitzensportler in ihren Posts Produkte von Sponsoren und kassieren dafür gutes Geld. In einigen Verträgen ist gar festgeschrieben, wie viel Kohle jeder «Like» wert ist oder wie häufig ein Athlet das Produkt im Jahr bewerben muss.

Stört sich Gut-Behramis Kopfsponsor Ragusa nicht an ihrem Dornröschenschlaf? Camille-Bloch-Mediensprecherin Jessica Herschkowitz schreibt: «Wir haben dieses Thema mit Frau Gut-Behrami besprochen. Sie hat uns erklärt, dass sie sich noch mehr auf ihre sportlichen Leistungen konzentrieren möchte. Wir verstehen diese Haltung sehr gut und drücken ihr die Daumen.» Bei ihren anderen Sponsoren tönt es ähnlich.

«Gut-Behrami vergibt eine Chance»

Lars Stegelmann ist Vermarktungsexperte vom Forschungs- und Beratungsunternehmen Nielsen Sports. Er findet: «Wenn Lara Gut-Behrami auf Social Media verzichtet, vergibt sie sich die Chance, ihre eigene Marke zu positionieren. Mit einer gesteuerten Marke ist sie für mehr Partner einsetzbarer und kann ihre wirtschaftliche Situation verbessern. Das ist sicherlich nicht unwichtig, denn Sportler sind auch Einzelunternehmer, die sich selber finanzieren.»

Gut-Behrami verzichtet also auf leicht verdientes Geld. Am Hungertuch muss sie deswegen nicht nagen – vor allem nicht, wenn sie so fährt wie in Cortina.

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