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Mit zehn Jahren hat er sein Elternhaus verlassen
Hintermanns harter Weg vom Lausbub zum Abfahrts-Star

Niels Hintermann gewinnt in Kvitfjell (No) als erster Zürcher seit Peter Müller eine Weltcup-Abfahrt. Auf dem Weg zur Spitze hat der 26-Jährige einen besonders beschwerlichen Weg auf sich genommen.
Publiziert: 05.03.2022 um 08:52 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2022 um 10:07 Uhr

August 1999

Niels Hintermann ist ein 4-jähriger Lausbub, als er auf einem Gletscher im Tirol vom Rennfieber gepackt wird. Er absolviert im Kaunertal einen Kurs in der Skirennschule von Florian Raich, dem älteren Bruder von Österreichs Superstar Benjamin Raich.

September 2005

Niels verlässt wenige Monate nach seinem zehnten Geburtstag sein Elternhaus im Zürcher Unterland und übersiedelt nach Österreich, wo er in Schruns-Tschagguns die Ski-Hauptschule besucht. «Das war ein brutal harter Weg für mich», meint der Bülacher rückblickend. «Es ist oft vorgekommen, dass ich vor lauter Heimweh weinend nach Hause telefoniert habe. Ich war der einzige Schweizer unter Österreichern, die mir einige gemeine Streiche gespielt haben. Aber das hat mich sicher abgehärtet.»

März 2008

Weil seine Mama Sonja aus der Region von Kranjska Gora stammt, geht Niels genau wie sein vier Jahre älterer Bruder Sven zu Beginn seiner Rennfahrer-Laufbahn mit einer slowenischen Lizenz an den Start. Doch mit 13 spürt Hintermann, dass er vom slowenischen Verband nur mässig unterstützt wird. «Deshalb habe ich mich mit meinem Bruder für den Schweizer Weg entschieden.» Niels macht aber noch einmal einen Abstecher nach Österreich, schreibt sich am Ski-Gymnasium in Stams ein. Doch diese Zeit würde er am liebsten aus seinem Gedächtnis streichen: «Ich habe mich dort wie in einem Gefängnis gefühlt. Essen, schlafen, trainieren, lernen – sonst nichts. Und da waren damals Top-Stars wie der Skispringer Gregor Schlierenzauer, der mich nie gegrüsst hatte. Es war alles ziemlich asozial.» Hintermann kehrt deshalb nach einem Jahr in die Schweiz zurück und besucht wie Marco Odermatt die Sportmittelschule in Engelberg.

Niels Hintermann ist im Zürcher Unterland aufgewachsen. Wegen dem Skirennsport hat er sein Elternhaus aber bereits mit 10 verlassen.
Foto: zVg
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November 2015

Nach dem Gewinn von Abfahrts-Bronze bei der Junioren-WM darf das Talent mit dem Übernamen Cinghiale (Wildsau) in Lake Louise erstmals ein Weltcuprennen bestreiten. Hintermann verliert auf Sieger Aksel Lund Svindal zweieinhalb Sekunden und landet auf dem 40. Schlussrang. Drei Wochen danach sammelt «Cinghi» mit Platz 29 in Gröden seine ersten Weltcup-Punkte.

Januar 2017

Weil bei der Lauberhorn-Kombination das Wetter komplett verrücktspielt, steht der Mann vom Ski-Club Hausen am Albis erstmals ganz oben! Nach dem Slalom liegt er mit 3,23 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit von Justin Murisier auf Rang 23, aber dann erwischt er in der Abfahrt ein ideales Wetterfenster und siegt. Mit Abstand betrachtet, kann Niels seinem ersten Weltcup-Triumph aber wenig Positives abgewinnen. «Mir hat zu diesem Zeitpunkt die menschliche Reife gefehlt, um mit der Bekanntheit, die ich durch diesen Sieg erlangt habe, umgehen zu können.»

August 2017

Hintermann absolviert mit Marco Odermatt die Sportler-RS in Magglingen. Nachdem er in der Armee auch im konditionellen Bereich einen Schritt nach vorne gemacht hat, folgt auf dem Gletscher in Zermatt der grosse Rückschlag – bei einem Trainingssturz erleidet der grosse Formel-1-Fan eine schwere Schulterverletzung. Niels fällt für die folgende Saison aus!

Sommer 2018

Weil in der Verletzungspause auch noch der Hauptsponsor abspringt, denkt Hintermann ernsthaft über den Rücktritt nach. «Weil ich nur noch wenig Geld auf dem Konto hatte, konnte ich mir kein Fleisch mehr leisten.» Zum Glück beisst sich der 100-Kilo-Brocken dennoch durch.

Dezember 2019

Nachdem Hintermann einen Sponsoring-Deal mit einem Finanz-Unternehmen ausgehandelt hat, ist der Skifahrer plötzlich auch sportlich wieder richtig gut im Geschäft. Bei der Abfahrt in Bormio wird er Sechster.

Dezember 2020

Es ist eine besonders feine Pointe des Schicksals. Bei der Val-d’Isère-Abfahrt im Dezember 2020 gehörten Niels Hintermann und Cameron Alexander zu den tragischen Figuren. Der Schweizer stürzte damals mit Bestzeit kurz vor dem Ziel, der Kanadier hat durch einen Horror-Crash Totalschaden im Knie erlitten. Nun teilen sich ausgerechnet die beiden den Abfahrts-Sieg in Kvitfjell. Der 24-jährige Alexander egalisierte Hintermanns Zeit mit Startnummer 39.

Dezember 2021

Niels gelingt in Gröden als Dritter erstmals der Sprung auf das Abfahrts-Podium im Weltcup. Dritter wird er zehn Tage später auch in Bormio. Und jetzt ist Hintermann in Kvitfjell an der Spitze angekommen.

Mit dieser Fahrt gewinnt Hintermann die Abfahrt in Kvitfjell
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Alle Favoriten düpiert:Mit dieser Fahrt gewinnt Hintermann die Abfahrt in Kvitfjell


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