Mutprobe für Schwingerkönig
Nöldi auf der Streif

Nöldi Forrer hat mit den Ski-Stars schon böse Trainings im Sägemehl absolviert. Jetzt traut sich der Schwingerkönig auf die gefährlichste Abfahrt der Welt!
Publiziert: 20.01.2015 um 22:25 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:35 Uhr
Ausnahmekönner: Schwingerkönig Forrer trifft bei der Besichtigung der Hahnenkamm-Abfahrt die Ski-Stars...
Foto: Sven Thomas
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Von Marcel W. Perren (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Auf einmal fühlt sich dieser 1,94-Meter-Riese wie ein mickriges, hilfloses Würstchen. Die Beine, die regelmässig die stämmigsten Eidgenossen zu Fall bringen, zittern. Grund: Nöldi Forrer steht mit Carlo Janka im Starthaus der Hahnenkamm-Abfahrt. Vor drei Jahren hat Nöldi den Iceman anlässlich eines Schwingtrainings auf Mallorca regelrecht im Sand vergraben. Doch jetzt ist es der Bündner, der dem Toggenburger mit der Einladung zur Strecken-Besichtigung auf der Streif die Grenzen aufzeigt.

Das steile Startstück ist komplett vereist. «Derart eisig war der Starthang seit Jahren nicht mehr», hält Carlo fest. Auch die Worte von Gesamtweltcup-Leader Kjetil Jansrud machen dem 120-Kilo-Mann nicht wirklich Mut: «Es ist jedes Jahr derselbe Scheiss in Kitzbühel: Der erste Blick auf die Strecke fährt mir schrecklich ein!»

Am allermeisten gibt Nöldi jetzt aber die Tatsache zu denken, dass er die Kanten seiner Ski seit mehr als einem Jahr nicht mehr hat schleifen lassen. Kitzbühels Ski-Legende und Schlagerstar Hansi Hinterseer gibt dem Schwingerkönig von 2001 deshalb einen gut gemeinten Ratschlag: «Mit deinen unscharfen Kanten solltest du das Startstück umfahren und erst unterhalb der Mausefalle auf die Rennpiste zurückkehren.»

«Bist du der Schweizer Swinger-König?»

Doch weil Nöldi der ganzen Ski-Welt zeigen will, dass er nun wirklich kein Schlappschwanz ist, kommt für ihn Hansis kastrierte Streif-Variante nicht in die Tüte. Er nimmt sein grosses Herz in beide Hände und rutscht zum Starttor hinaus. Bis zur Mausefalle, die ein Gefälle von 85 Prozent aufweist, zittert er sich regelrecht hinunter. Aber während neben ihm ein Funktionär wegrutscht und Gröden-Sieger Steven Nyman ummäht (der Ami bleibt unverletzt), bleibt Nöldi standhaft.

Und nachdem er auch den Steilhang ordentlich gemeistert hat, packt Nöldi bis zur gefürchteten Hausbergkante ein paar richtig filigrane Carving-Schwünge aus. Dort macht Forrer Bekanntschaft mit Christof Innerhofer. «Bist du der Schweizer Swinger-König?», fragt Italiens Ski-Casanova. «Schwingerkönig», präzisiert Nöldi. Innerhofers Konter: «Beim Schwingen geht es doch ums Gleiche wie im Swinger-Club: Eine Person legt die andere flach, und einer von beiden ist früher fertig.»

Am Hausberg trifft Forrer auch auf den Schweizer Abfahrtschef Sepp Brunner.

«Nöldi, wegen dir hätte ich vor ein paar Jahren fast ein Training abbrechen müssen», erzählt der gebürtige Österreicher und liefert die Details: «Als du 2010 am Eidgenössischen Schwingfest im Einsatz warst, waren wir im Trainingslager in Argentinien. Weil sich vor allem Janka und Feuz mehr auf den Liveticker auf ihren Handys als auf das Training konzentrierten, musste ich ziemlich laut werden.»

«Was die leisten, ist wirklich Wahnsinn»

Trotzdem zeigt Brunner dem Forrer Nöldi jetzt gerne die ideale Linie bis ins Ziel. Dieser hört genau zu und meistert auch die Traverse und das Schlussstück souverän. Im Ziel angekommen, reisst der 45-fache Kranzfestsieger die Arme hoch wie nach einem gewonnenen Schlussgang, obwohl er für seine Besichtigungsfahrt rund zwanzig Minuten länger gebraucht hat als Carlo Janka. «Das war richtig geil! Am Start hatte ich wirklich Schiss, aber als ich einmal auf der Piste war, habe ich schnell gemerkt, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie mir Hansi Hinterseer prophezeit hat. Am liebsten würde ich gleich noch einmal hier runterfahren.» Etwas bleibt für Nöldi aber unvorstellbar: «Ich stehe seit meiner Kindheit regelmässig auf den Ski, und trotzdem bin ich hier schon im Besichtigungstempo an meine Grenzen gestossen. Darum muss ich sagen, dass die Burschen, die mit 120 km/h in die Mausefalle stechen, nicht ganz normal sind. Was die leisten, ist wirklich Wahnsinn.»

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