SRF-Expertin Weirather (34) spricht über ihre Schwangerschaft, verteidigt die FIS und wagt eine Prognose
«Eine Netflix-Doku? Da müssten einige die Hosen runterlassen»

Tina Weirather ist die bekannteste Stimme bei Frauen-Skirennen im SRF. Vor dem Winter spricht sie über sich, ihren Job und blickt auf die neue Saison voraus.
Publiziert: 21.10.2023 um 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2023 um 12:24 Uhr
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Mathias GermannReporter Sport

Blick: Tina Weirather, im nächsten Winter gibt es keine Ski-WM und keine Olympischen Spiele. Ein idealer Zeitpunkt, um ein Baby zu kriegen?
Tina Weirather (lacht): Hätten ich und mein Ehemann Fabio ein gutes Timing, würde unser Kind im Sommer und nicht im Winter zur Welt kommen. Aber es passt schon, wie es ist.

Sie kommentieren weiter und wollen sich Anfang Januar 2024, nach den Rennen in Kranjska Gora, vom SRF-Mikrofon zurückziehen.
Das ist der Plan.

Das ist Tina Weirather

Tina Weirather (34) ist die Tochter der Ski-Legenden Harti Weirather und Hanni Wenzel. Obwohl von vielen Knieverletzungen geplagt, legte die Doppel-Juniorenweltmeisterin (2006 und 2007) eine beachtliche Karriere hin. Sie gewann zweimal den Super-G-Weltcup (2017 und 2018) und insgesamt neun Weltcuprennen, dazu holte sie WM-Silber (2017) und Olympia-Bronze (2018) – immer im Super-G. Im März 2020 trat sie zurück und begann schon bald als Ski-Expertin beim SRF. Weirather ist auch Moderatorin, Unicef-Botschafterin und im Verwaltungsrat der Uhrenmarke Norqain. Sie lebt mit ihrem Ehemann Fabio in Vaduz. Im September 2023 gab sie bekannt, ihr erstes Kind zu erwarten.

Tina Weirather gewinnt 2018 die kleine Kristallkugel im Super-G-Weltcup.
AP

Tina Weirather (34) ist die Tochter der Ski-Legenden Harti Weirather und Hanni Wenzel. Obwohl von vielen Knieverletzungen geplagt, legte die Doppel-Juniorenweltmeisterin (2006 und 2007) eine beachtliche Karriere hin. Sie gewann zweimal den Super-G-Weltcup (2017 und 2018) und insgesamt neun Weltcuprennen, dazu holte sie WM-Silber (2017) und Olympia-Bronze (2018) – immer im Super-G. Im März 2020 trat sie zurück und begann schon bald als Ski-Expertin beim SRF. Weirather ist auch Moderatorin, Unicef-Botschafterin und im Verwaltungsrat der Uhrenmarke Norqain. Sie lebt mit ihrem Ehemann Fabio in Vaduz. Im September 2023 gab sie bekannt, ihr erstes Kind zu erwarten.

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Haben Sie davor keine Angst vor der Reiserei?
Respekt auf jeden Fall. Aber ich fliege nicht nach Finnland. Und Nordamerika kommentieren wir nicht vor Ort. Dazu kommt Val d’Isère, das fast sieben Autostunden entfernt ist – auch darauf verzichte ich. Ich bin sehr froh, dass mir SRF bei der Besprechung der Einsätze entgegengekommen ist.

Tina Weirather wird auch in der kommenden Saison als SRF-Expertin die Skirennen der Frauen analysieren.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Reden Sie mit anderen Müttern, lesen Sie Schwangerschafts-Bücher oder lassen Sie alles auf sich zukommen?
Meine Cousine hat drei Kinder, da konnte ich mir schon einiges abschauen. Mit Büchern bin ich vorsichtig, denn mal liest man dies, mal das. Es gibt so viele gut gemeinte Ratschläge, aber letztlich ist jede Schwangerschaft und jedes Kind anders. Spannend ist, dass ich seit Beginn meiner Schwangerschaft ganz anders auf Eltern mit kleinen Kindern blicke. Was machen sie in welcher Situation? Was tun sie, wenn das Kind weint? Oder quengelt? Ich bin viel achtsamer auf solche Dinge.

Sie steigen in den vierten Winter als SRF-Expertin und werden weitgehend mit Lob überschüttet. Würden Sie eigentlich auch gern mal Männer-Rennen kommentieren?
Das habe ich mir noch gar nie überlegt. Es wäre grundsätzlich nicht unmöglich. Aber es ist ein Teil meiner Expertise, dass ich die Athletinnen, aber auch ihre Trainer und Betreuer und nicht zuletzt die Pisten bei den Frauen besser kenne.

Die klassische Kombination gibt es nicht mehr. Und nun wurde auch das Experiment Team-Kombi von der FIS auf Eis gelegt. Zu Recht?
Seit Jahrzehnten bereitet die fünfte Disziplin Kopfzerbrechen. Vielleicht sollte man es bei Abfahrt, Super-G, Riesenslalom und Slalom belassen. Anderseits will die FIS bei den Olympischen Spielen nicht auf einen fünften Medaillensatz verzichten, was ich ebenfalls verstehe. Da geht es auch um viel Geld.

Griechenlands Slalom-Ass AJ Ginnis hatte reklamiert, weil er bei der Team-Kombi gar keinen Partner gehabt habe und nicht habe starten können. Bei Ihnen wäre es früher ähnlich gewesen, oder?
Zu meiner Zeit gab es tatsächlich keine Slalomfahrerin aus Liechtenstein, mit der ich hätte starten können. Ich finde die Team-Kombi eine gute Idee, verstehe aber AJ Ginnis’ Kritik, dass die erzielten Punkte nicht für die Disziplinenwertung zählen sollten.

Da hätte er im Slalom einen Nuller kassiert.
Würde man aber gar keine Weltcuppunkte vergeben, würden wohl mehrere Stars auf die Team-Kombi verzichten. Das wollen wir auch nicht. Vielleicht müsste man einen Mittelweg finden.

Welchen?
Das Rennen könnte für den Nationencup und den Gesamtweltcup zählen, nicht aber für die einzelnen Disziplinen.

Die Slowakin Petra Vlhova hätte auch keine Kombi-Partnerin und keine Freude daran, schliesslich zählt sie im Kampf um die grosse Kristallkugel zu den Besten.
Einverstanden. Es ist eine verzwickte Situation und sicher richtig, dass man sich das Ganze nochmals genau überlegen will.

Ab dem kommenden Winter ist fluorhaltiger Wachs verboten, er darf nicht mehr auf die Ski aufgetragen werden. Es gibt Zweifel wegen Genauigkeit der Messgeräte und sogar Angst vor Sabotagen. Ist sie begründet?
Als Erstes muss ich sagen, dass mich in der ganzen Thematik etwas stört.

Was?
Dass man dabei wie fast immer die FIS kritisiert. Dabei kann sie nichts dafür, schliesslich wurde ihr das Gesetz aufgedrückt. Die FIS muss es anwenden – ob sie will oder nicht.

Und was ist mit den Zweifeln und Ängsten von Athleten, Verbänden und Ski-Firmen?
Ich verstehe die Unsicherheit. Entscheidend ist der Grenzwert an Fluor, den ein Ski nach dem Rennen aufweist – dieser liegt derzeit bei 0,99. Und da kann ich bestimmt sagen: Sollte ein Fahrer im Rennen, warum auch immer, über fluorhaltigen Schnee fahren, muss er nichts befürchten. Da erreicht er nie und nimmer 0,99. Wie gross das Thema Fluor uns im alpinen Skirennsport noch bewegen wird, kann ich nicht sagen – ich gehe aber nicht von grossen Problemen aus.

Die Klimadebatte rund um den Skisport wird ebenfalls heiss geführt. Auch Sie plädieren für einen späteren Einstieg in den Winter.
Der Auftakt in Sölden wurde schon um eine Woche nach hinten verschoben. Man könnte noch ein oder zwei Wochen zusätzlich nach hinten.

Bilder von Baggern, die am Rettenbachgletscher arbeiteten, sorgten im Sommer für grosse Empörung. Ex-Slalom-Ass Felix Neureuther sprach von einer Katastrophe für den Skisport. Gehen Sie mit?
Ich kann nicht beurteilen, ob alles richtig gemacht wurde. Da bin ich keine Expertin.

Aber?
Ich bewundere Felix für sein Engagement für den Sport. Kritik anbringen ist in Ordnung, aber sie sollte konstruktiv sein und Lösungsvorschläge enthalten.

Netflix hat es mit seinen Dokus über die Formel 1 und der Tour de France geschafft, die Sportarten an ein jüngeres Publikum heranzuführen. Das hätte auch der Skisport nötig, und er wäre prädestiniert für neue Einblicke. Einverstanden?
Ich finde diese Dokus mega cool. Aber dafür müssten Verbände, Teams und vor allem die Athletinnen und Athleten bereit sein, im übertragenen Sinn die Hosen runterzulassen. Ich denke nicht, dass sie dafür zu haben sind.

Können Sie das ausführen?
In der Formel-1-Netflix-Doku zum Beispiel geht es oft um sehr private Geschichten innerhalb der Teams. Es wird auch bei Teamsitzungen gefilmt und kurz vor und nach den Rennen, mit vielen intimen Konflikten und Emotionen. Meine Erfahrung ist, dass die Athletinnen und Athleten im Skisport diese Privatsphäre schützen möchten. Genau das ist aber das Erfolgsgeheimnis von «Drive to Survive» und steht somit wohl ziemlich im Widerspruch.

Was ist mit extrovertierten Cracks wie Lucas Braathen oder Sofia Goggia?
Vielleicht würde es mit ihnen klappen. Es bräuchte aber noch ein paar mehr. Ein Versuch wäre es auf jeden Fall wert.

Blicken wir auf den Winter voraus. Gibt es eine Frau, die Mikaela Shiffrin stoppen kann?
Es müsste bei ihr schon etwas gewaltig schieflaufen, damit sie den Gesamtweltcup nicht zum sechsten Mal gewinnt – beispielsweise körperliche oder mentale Probleme oder eine gigantische Ausfallserie.

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Shiffrin hat längst alles gehamstert, was es zu gewinnen gibt. Rekorde interessieren sie nicht wirklich, sagt sie. Was treibt sie also an?
Diese Frage stelle ich mir auch oft. Als ich von 2016 bis 2018 regelmässig aufs Podest fuhr, habe ich mich zwischendurch schon gefragt: «Schön, aber was jetzt?» Ich hatte irgendwann nicht mehr die ganz grosse Freude. Ich kann mir also gar nicht vorstellen, wie Shiffrin tickt.

Versuchen Sie es bitte dennoch.
Ich denke, Shiffrin sucht sich immer neue Herausforderungen. Dabei steht ihre Mutter Eileen, die auch ihre Trainerin ist, fest auf dem Gaspedal – sie ist die treibende Kraft im Hintergrund und sorgt dafür, dass sie nicht nachlässt. Und letztlich ärgert es Shiffrin sicher, wenn sie nicht gewinnt – auch wenn sie stets äusserst fair zu ihren Konkurrentinnen ist.

Was erwarten Sie von den Schweizerinnen?
Bei Wendy Holdener und Lara Gut-Behrami ist eigentlich gar keine markante Steigerung mehr möglich, sie sind bereits top. Corinne Suter sehe ich besser als im letzten Winter – ich glaube, sie wird konstanter vorne mitfahren. Spannend ist Michelle Gisin, die nach zwei schwierigen Jahren wieder ganz vorne mitmischen könnte.

Welche Namen muss sich jeder Ski-Fan für die Zukunft merken? Sagen wir eine Athletin pro Disziplin …
Bei den technischen Disziplinen nenne ich die Französin Marie Lamure im Slalom und die Schwedin Hilma Lövblom im Riesenslalom. In der Abfahrt finde ich die Nidwaldnerin Delia Durrer und im Super-G die Appenzellerin Stefanie Grob sehr spannende Athletinnen.

Themenwechsel. Der «Podcast am Pistenrand», wo Sie das Skigeschehen mit Ex-Ski-Ass Marc Berthod und Comedy-Mann Michael Schweizer analysieren, wurde 2023 zum besten Sport-Podcast der Schweiz gewählt. Waren Sie überrascht?
Schon ein wenig – es ist mega schön, wie rasch sich dabei eine Community aufgebaut hat. Wir erhalten viele Nachrichten von Leuten, die sich starkt mit dem Sport befassen.

Es geht im Podcast oft sehr launig zu und her.
Marc und ich können in diesem Format alles erzählen, was bei den Ski-Übertragungen keinen Platz hat. Und Schweizer repräsentiert den klassischen «Couch-Potato», der mit Chips vor dem TV sitzt und Rennen schaut. Das alles passt wunderbar – wir haben grossen Spass zusammen.

Ist der Podcast mit ein Grund dafür, dass Sie nach der Babypause in den Ski-Zirkus zurückkehren werden?
Auf jeden Fall. Er ist, so wie das Kommentieren beim SRF, eine Herzensangelegenheit.

Werden Sie also im übernächsten Winter mit dem Baby von einem Skiort zum nächsten tingeln?
Ich glaube nicht. Fabio wird das daheim total gut schaukeln – ich bin überzeugt, dass er ein mega cooler Papi sein wird!

Tina Weirather fährt im Bademantel über die Davoser Pisten
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Zusammen mit Marc Berthod:Tina Weirather fährt im Bademantel über die Davoser Pisten
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