Was an der goldenen WM 1987 in Crans-Montana wirklich geschah
Alle gegen Müller und Knatsch um Figini

Der SRF-Dok über die WM in Crans-Montana spaltet nicht nur unsere Ski-Helden, er lässt auch Fragen zu den grossen Duellen offen. SonntagsBlick hakt nach.
Publiziert: 31.01.2021 um 00:45 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2021 um 19:55 Uhr
Marcel W. Perren

Erika Hess kritisiert den SRF-Dok «Skistars im Goldrausch – Der Triumph von Crans-Montana». «Ich bin total enttäuscht. Von Vreni Schneider und mir hat man praktisch nichts erzählt.» Beide gewannen 1987 Gold. Andere Beteiligte wie Pirmin Zurbriggen finden den Film gelungen, verstehen aber auch Hess. «Ich kann ihren Ärger nachvollziehen. Der Film beinhaltet nicht zu 100 Prozent das, was die Überschrift vermuten lässt.»

«Alle gegen Peter Müller» – so würde die Überschrift lauten, wenn Dani Mahrer den Dok-Film über die Ski-Weltmeisterschaft 1987 gedreht hätte. «Ich habe in unserem Team wirklich keinen gekannt, der sich mit «Pitsch» gut verstand», verrät Mahrer.

Der Churer gehörte zu den Aushängeschildern des besten Abfahrer-Teams, welches die Schweiz jemals hatte. Bei der WM in Crans-Montana war Mahrer aber in der Königsdisziplin der schlechteste Schweizer. Wohlgemerkt: Beim mittlerweile 59-Jährigen wurde damals in der WM-Abfahrt die sechstbeste Zeit gestoppt!

Peter Müller mochte keiner im Schweizer Team.
Foto: Keystone
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Aber eben, der ungeliebte Müller gewann Gold, Pirmin Zurbriggen Silber, Karl Alpiger Bronze, Franz Heinzer «Leder». Und Mahrer gibt unumwunden zu, dass seine Laune an diesem Tag trotz dieser Schweizer Gala nicht wirklich gut war: «Ich kann mir bis heute nicht vorstellen, dass man sich als Rennfahrer freuen kann, wenn einem die Teamkollegen die Medaillen wegschnappen…»

Der Zürcher Ski-Experte Mario Rall war vor 34 Jahren bei den Titelkämpfen im Wallis als Reporter für BLICK und SonntagsBlick im Einsatz. Auch er spürte nach diesem Jahrhundert-Triumph der Skigenossen keine kollektive Überschwänglichkeit. «Der grosse Teil des Publikums kam damals aus dem Wallis. Und die Walliser hätten nun einmal lieber ihren Pirmin, als den Zürcher Müller als Weltmeister gehabt.»

Müller war ein totaler Egoist

Aber warum war Müller auch bei seinen Teamkollegen derart unbeliebt? «Pitsch war schon immer ein totaler Egoist», erzählt Rall. «Ich habe den Abfahrern ein paar Mal beim Fussballspielen zugeschaut. Weil Müller den Ball nie abspielte, wollten ihn die meisten Feldspieler ins Tor stellen. Das Problem war, dass Dani Mahrer seinen Stammplatz im Goal nicht hergeben wollte, weil der zu faul war, um dem Ball hinterherzurennen.»

Auch der Schwyzer Franz Heinzer macht kein Geheimnis aus seiner Aversion gegenüber Müller: «Ich froh war, wenn ich so wenig wie möglich mit Pitsch zu tun hatte.» Heinzer macht aber auch deutlich, dass es dieses Schweizer Wunder-Team ohne die Reiz-Figur Müller nie gegeben hätte. «Pitsch hat in jedem Training die Latte wirklich unglaublich hochgelegt. Weil jeder von uns besser sein wollte als Müller, mussten wir immer an unsere körperliche Grenze gehen. Und das hat uns so stark gemacht.»

Heinzer wäre schier zerbrochen

Während den goldenen Tagen von Crans-Montana konnte die Schweiz 14 Medaillen gewinnen. Heinzer aber erlebte einen seiner bittersten Momente. «Ich wurde nach Schladming und Bormio zum dritten Mal in Serie bei einer WM nur Vierter. Daran bin ich schier zerbrochen. Obwohl ich erst 25 war, wollte ich in der ersten Enttäuschung meinen Rücktritt erklären.»

Doch dann erhielt Franz den nötigen Zuspruch von einem Mann, der bei Weltmeisterschaften sogar viermal den verfluchten vierten Rang belegt hatte – der Toggenburger Willi Forrer. «Willi kam im Zielbereich auf mich zu und sagte: ‹Schau mich an! Obwohl ich so oft Vierter war, gehts mir heute wunderbar.› Im ersten Moment hat mich das nicht wirklich getröstet. Aber mit etwas Abstand haben mir diese Worte gut getan. Zudem wurde mir bewusst, dass ich zu einer kleinen Prozentzahl der Menschen gehöre, welche die Begabung erhalten haben, mit den schnellsten Skifahrern der Welt mithalten zu können. Da wurde mir klar, dass ich dieses Talent nicht einfach so wegwerfen darf.» Vier Jahre später wurde Heinzer in Saalbach Abfahrt-Weltmeister!

Früher zu Ende ging die Geschichte zweier Heldinnen von Crans-Montana: Maria Walliser und Michela Figini beendeten ihre glorreichen Karrieren nur drei Jahre nach ihrem legendären Zweikampf bei der Heim-WM.

Blödsinniger Streit im Figini-Lager

Die Tessinerin Figini, die sich in Crans-Montana in der Abfahrt sowie im Super-G mit Silber hinter der Toggenburgerin Walliser begnügen musste, war bei ihrem Rücktritt gerade mal 24 Jahre alt. Ausschlaggebend für den frühen Abgang der Abfahrts-Olympiasiegerin von 1984 war ein heftiger Zwist mit dem damaligen Frauen-Cheftrainer Jan Tischhauser.

«Auslöser für diesen blödsinnigen Streit war Michis Servicemann», erzählt Tischhauser SonntagsBlick. «Noch in meiner Zeit als Männer-Cheftrainer in Frankreich testete ich die Erfindung eines Gibswilers aus – die legendäre Derby Flex-Platte. Diese Bindungsplatte liess eine bessere Biegung des Skis zu. Weil Frank Piccard bei Tests mit dieser Platte auf 40 Fahrsekunden rund sieben Zehntel schneller war, wollte ich nach meinem Team-Wechsel natürlich auch in der Schweiz dieses Wunderding etablieren.»

Doch Figinis Servicemann fand das gar keine gute Idee. Tischhauser: «Vreni Schneider ist mit dieser Platte in den technischen Disziplinen komplett durchgestartet. Und auch Maria Walliser hat damit vor allem im Riesenslalom wieder sehr viel bessere Ergebnisse erzielt. Trotzdem stellte sich Figinis Servicemann bis zuletzt quer.»

Weil Figini ihrem «Kantenschleifer» mehr vertraute als Tischhauser, forderte sie den Kopf des Cheftrainers. Aber dieser hatte gerade mit seinem Frauen-Team mehr als zwei Drittel aller Weltcup-Rennen gewonnen. Deshalb hielt die Verbandsspitze an Tischhauser fest. Figini erklärte deshalb völlig frustriert ihren Rücktritt.

Verband versagte

«Mit Michela und mir sind halt damals zwei besonders ausgeprägte Sturköpfe aufeinandergeprallt. Keiner von uns wollte nachgeben», gesteht Tischhauser, der im letzten Jahr seinen 70. Geburtstag gefeiert hat. Und abschliessend ergänzt Tischhauser noch: «Hätte es damals bei Swiss Ski einen Präsidenten mit den Vermittler-Qualitäten eines Urs Lehmann gegeben, dann hätte dieses Problem während einem Abendessen gelöst werden können. Leider gab es aber damals an der Spitze des Skiverbandes niemanden mit Lehmanns Fähigkeiten.»Der Name des damaligen Verbands-Präsidenten? Max Steinebrunner.


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