«Traue Stan einiges zu, wenn er in den Flow kommt»
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Tennis-Experte Heinz Günthardt:«Traue Stan einiges zu, wenn er in den Flow kommt»

Der Favoritencheck vor den French Open
«Die grosse Chance für die neue Generation»

In Abwesenheit von Rafael Nadal warten die French Open mit einer spannenden, völlig offenen Ausgangslage auf. Gibts gar einen Schweizer Exploit?
Publiziert: 28.05.2023 um 00:24 Uhr
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Marco PescioReporter Sport

Auf den Plakaten rund um die Anlage in Roland Garros prangt sein Gesicht noch immer, doch der Rekordmann des Turniers fehlt in diesem Jahr verletzungsbedingt. Rafael Nadal (36) nicht bei den French Open? Eigentlich unvorstellbar. Seit seinem Debüt 2005 war der 36-jährige Mallorquiner die grosse Attraktion des Turniers und hat hier sagenhafte 14 Titel gewonnen. «Viele Fans sind natürlich sehr enttäuscht», sagt Blick-Experte Heinz Günthardt (64), «aber es gibt dafür auch viele Spieler, die sich über deutlich grössere Möglichkeiten freuen, in Paris den Sieg zu holen – es ist die grosse Chance für die neue Generation.»

Denn: In Abwesenheit von Nadal ist das Favoritenfeld riesig. Novak Djokovic (36) träumt vom 23. Grand-Slam-Titel, womit er alleiniger Rekordhalter wäre: «Es ist kein Geheimnis, dass ich weiterhin Bestmarken aufstellen will. Aber ich weiss auch, dass jedes Grand-Slam-Turnier in meinem Alter ein Geschenk für mich ist.» Der Serbe kämpfte zuletzt mit körperlichen Beschwerden und schwächelte auf Sand, während viele Jungen ihre Ambitionen anmeldeten.

Allen voran Carlos Alcaraz (20), der erstmals als Weltnummer eins in ein Grand-Slam-Turnier steigt und der vor dem Start zu verstehen gibt: «Im Vergleich zum letzten Jahr bin ich reifer. Ich bin mental noch stärker.» 2022 schied er im Viertelfinal gegen Alexander Zverev (26) aus, mit dem heuer mit einem guten Lauf sicher auch zu rechnen ist. Genauso wie mit Rom-Sieger Daniil Medwedew (27), der plötzlich Gefallen an seiner verhassten Unterlage gefunden hat. Oder: «Holger Rune (20), Jannik Sinner (21), Stefanos Tsitsipas (24), Andrey Rublev (25) – sie alle kommen auch in Frage. Mit anderen Worten: Erstmals seit vielen Jahren haben wir keine Ahnung, wer die French Open gewinnen könnte», so Günthardt.

Novak Djokovic (l.) oder Carlos Alcaraz – krallt sich einer der beiden den French-Open-Titel in diesem Jahr?
Foto: IMAGO/ZUMA Wire
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Schafft Wawrinka wieder einen Coup?

Die Schweizer Männer? Sie sind seit Freitagabend zu dritt, weil Dominic Stricker (20) als Lucky Loser ausgelost wurde – und nun doch noch seine Hauptfeld-Premiere feiern darf. Stan Wawrinka (38), Roland-Garros-Sieger von 2015, hat in diesem Frühling immer wieder aufblitzen lassen, wie viel noch in ihm steckt. Auch Günthardt sagt: «Stan traue ich einiges zu, denn er schlägt den Ball gut wie eh und je. Vielleicht ist er nicht mehr ganz so schnell, aber sicher immer noch gefährlich.» Marc-Andrea Hüsler (26) braucht nach zuletzt drei Startpleiten en suite einen Exploit, wobei ihm Günthardt hier Mut macht: «Er ist trotzdem auf einem guten Weg. Er hat eigentlich jeweils stark gespielt. Es fehlten ihm einfach die Nerven.»

Swiatek gegen den Rest vom Feld

Im Frauen-Tableau startet trotz ihrer jüngsten Oberschenkelblessur die Polin Iga Swiatek als Top-Favoritin in den Bewerb. Australian-Open-Siegerin Aryna Sabalenka (25) oder Jelena Rybakina (23), die vor Wochenfrist in Rom triumphierte, dürfen sich ebenfalls gute Chancen ausrechnen. Nach den Titeln 2020 und 2022 ist Swiatek in Paris aber «fast schon wie ein Nadal», wie Günthardt meint. Trete sie so auf wie in den letzten Jahren, könne sich die 21-jährige Warschauerin «praktisch nur selbst schlagen».

Den Traum vom ganz grossen Coup auf Grand-Slam-Ebene hegt auch Belinda Bencic (26) nach wie vor. Die Ostschweizerin kommt aber ebenfalls aus einer Oberschenkelverletzung – und sagt deshalb: «Ich erwarte keine unrealistischen Sachen von mir. Ich versuche einfach, das Beste herauszuholen.» Derweil ist der Druck bei Jil Teichmann (25), die sportlich in einer Baisse steckt, grösser: Eine Siegesserie in Paris käme nach einem schwierigen Frühling einer echten Befreiung gleich. «Ihr Problem ist, dass sie eine Langsamstarterin ist. Darum muss sie die ersten zwei Runden überstehen, dann kann sie äusserst gefährlich werden», so Günthardt.

Waltert und In-Albon im Schuss

Die 22-jährige Bündnerin Simona Waltert feiert wie Stricker ihre Hauptfeld-Premiere – sie hat sich mit drei Siegen durch die Qualifikation gekämpft. Genauso wie Ylena In-Albon (24), die bereits im Vorjahr in Wimbledon ihre Feuertaufe erlebte. Beide können in Roland Garros jetzt «all-in» gehen, wie Günthardt findet: «Sie haben in der Quali Nervenstärke bewiesen und sind jetzt voll im Flow – ich könnte mir gut vorstellen, dass es für sie jetzt so weitergeht.» Beide treffen in der Startrunde auf machbare Gegnerinnen (siehe Box).

Die Schweizer im Hauptfeld von Roland Garros

Männer:

Marc-Andrea Hüsler (ATP 81) – Daniel Altmaier (De, ATP 72)

Stan Wawrinka (ATP 88) – Albert Ramos-Vinolas (Sp, ATP 66)

Dominic Stricker (ATP 116) – Tommy Paul (USA, ATP 17)

Frauen:

Belinda Bencic (WTA 12) – Elina Awanesjan (Rus, WTA 134)

Jil Teichmann (WTA 75) – Sara Errani (It, WTA 70)

Simona Waltert (WTA 127) – Elizabeth Mandlik (USA, WTA 118)

Ylena In-Albon (WTA 148) – Claire Liu (USA, WTA 100)

Männer:

Marc-Andrea Hüsler (ATP 81) – Daniel Altmaier (De, ATP 72)

Stan Wawrinka (ATP 88) – Albert Ramos-Vinolas (Sp, ATP 66)

Dominic Stricker (ATP 116) – Tommy Paul (USA, ATP 17)

Frauen:

Belinda Bencic (WTA 12) – Elina Awanesjan (Rus, WTA 134)

Jil Teichmann (WTA 75) – Sara Errani (It, WTA 70)

Simona Waltert (WTA 127) – Elizabeth Mandlik (USA, WTA 118)

Ylena In-Albon (WTA 148) – Claire Liu (USA, WTA 100)

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