Die Hüfte der Nation spielt nicht mit
Italien feiert Liebling Sinner trotzdem

Jannik Sinner ist der grosse Abwesende beim Masters in Rom – und doch allgegenwärtig.
Publiziert: 06.05.2024 um 19:14 Uhr
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Aktualisiert: 07.05.2024 um 09:49 Uhr
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Marco PescioReporter Sport

Seit Monaten ziert das Gesicht von Jannik Sinner (22) die Strassen Roms. Die italienische Hauptstadt wirbt stolz mit dem Südtiroler für das traditionelle Masters-Turnier, das dieser Tage im Foro Italico über die Bühne geht. Dank des schlaksigen Kerls mit der roten Lockenpracht ist Italien endlich wieder eine Grösse auf der Tennis-Landkarte. Am 28. Januar hatte Sinner in Australien eine 48-jährige Durststrecke im italienischen Männer-Tennis beendet. Mit seinem Premieren-Titel an einem Grand-Slam-Turnier schrieb er Geschichte.

Nun hätte es seither sein erster grosser sportlicher Auftritt in der Heimat werden sollen. Fans und Medien fieberten schon lange darauf hin, bis schliesslich am Samstag alle «eiskalt geduscht» wurden, wie es die «Gazzetta dello Sport» umschrieb. Sinner sagte ab.

Die Hüfte der formstarken Weltnummer 2 spielte schon in Madrid nicht mit, als Sinner vor dem Viertelfinal Forfait geben musste. Nun erklärte er, er wolle, könne und dürfe nichts riskieren. Selbst die French Open stünden in der Schwebe.

Jannik Sinner ist in Rom der Star, auch wenn er nicht spielen kann.
Foto: keystone-sda.ch
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Ein niedergeschlagener Turnierdirektor

Roms Turnierdirektor Angelo Binaghi sprach nach der Absage von einem echten «Stich ins Herz». Er habe schon eine böse Vorahnung gehabt, als er Sinners Nummer auf seinem Handy aufleuchten sah – und habe sich hinterher nicht getraut, den Tennis-Star zurückzurufen.

Nun, ganz ohne Sinner auskommen muss Rom dieser Tage nicht. Der Melbourne-Sieger hat die Reise ans letzte grosse Sandturnier vor Roland Garros (ab 26. Mai) trotzdem angetreten. Klar, weil er Verpflichtungen gegenüber gewissen Sponsoren hat. Aber auch, weil er seinen Landsleuten etwas zurückgeben möchte. «Dass er sich trotz allem für Rom so viel Zeit nimmt, zeugt von seiner Grösse», sagt Piero Guerrini, Tennis-Experte von Tuttosport.

An einer kurzfristig für ihn einberufenen Pressekonferenz bedauert Sinner noch einmal öffentlich, wie «hart» es für ihn gewesen sei, seine Teilnahme zurückzuziehen: «Rom genoss bei mir Priorität – und es wäre für mich auch ein wichtiges Turnier gewesen, denn ich hätte hier etwas ganz Tolles erreichen können.»

Was er damit meint? Je nach Abschneiden von ihm und dem Weltranglistenersten Novak Djokovic (36) hätte er ausgerechnet in der Heimat die neue Nummer eins der Welt werden können.

«Er ist einer von uns»

Umso mehr bedauern es die Fans, ihren «Jan» nicht live zu sehen. «Peccato», sagt Davide, der fürs Turnier extra aus Mailand angereist ist. «Schade» sei es, und zwar für alle. Für die Fans, fürs Turnier. «Und für ganz Italien», fügt eine Frau im Vorbeigehen an. Ein anderer Fan lässt derweil durchblicken, dass viele «Tifosi» in erster Linie wegen Sinner ein Ticket gekauft hätten: «Jetzt versuchen einige bereits, die Karten im Internet weiterzuverkaufen.» Sein Begleiter ergänzt: «Für Rom ist seine Absage nicht gut. Doch an seiner Popularität ändert das nichts. Alle lieben ihn. Einen wie ihn gab es noch nie.»

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Dem stimmt auch Journalist Guerrini zu: «Die Leute in Italien schätzen an Jannik, dass er so normal rüberkommt. Er ist nicht abgehoben, bleibt dem Jetset-Leben fern. Viele sagen sich: ‹Er ist einer von uns.›»

Wer Sinner noch nicht auf der Anlage gesehen hat, hätte am Montagabend eigentlich die Chance gehabt, ihn während der Ehrung des italienischen Davis-Cup-Teams zu bejubeln. Doch – und das passt wiederum zum Rom-Pech in diesem Jahr – Sinner musste sich kurzfristig entschuldigen. Während seine Kumpels auf dem «Campo Centrale» für den Titel vom letzten November offiziell gewürdigt werden, ist er mit Fieber bereits wieder im Hotel.

Und wieder macht ein «Peccato» die Runde im Stadion. Wobei dies der Fan-Liebe zum neuen Aushängeschild des italienischen Tennissports keinen Abbruch tut. Einer sagt: «Nächstes Jahr! Ich hoffe, Jannik wird dann hier gross aufspielen!»

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